Recht und Kapitalmarkt

Übernahmegesetz verschafft Bietern Vorteile

Mehr Transparenz durch Offenlegung von Erwerbshürden - Neues Ausschlussrecht von Minderheiten attraktiv für den Käufer

Übernahmegesetz verschafft Bietern Vorteile

Von Wolfgang Hölters und Johannes Wecker *) In Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie ist am 14. Juli das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz in Kraft getreten, durch das das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) in erheblichem Umfang geändert wurde. Der Bieter eines Übernahmeangebots muss im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung sowie in der Nachangebotsphase eine Reihe neuer Vorschriften beachten und in seine strategische Planung einbeziehen. Insbesondere für die Planung einer nicht mit dem Management der Zielgesellschaft abgestimmten, “feindlichen” Übernahme ist es für den Bieter von entscheidender Bedeutung zu wissen, welche Verteidigungsmöglichkeiten dem “gegnerischen” Vorstand zur Verfügung stehen. Nur so ist ihm eine realistische Prognose über die Erfolgsaussichten und die voraussichtlichen Kosten der Übernahme möglich. Für nach dem 31. Dezember 2005 beginnende Geschäftsjahre sind börsennotierte Aktiengesellschaften verpflichtet, Stimmrechtsbeschränkungen und Beschränkungen bezüglich der Übertragung von Aktien, beispielsweise deren Vinkulierung, Befugnisse des Vorstands zur Ausgabe neuer und zum Rückkauf eigener Aktien, Entschädigungsvereinbarungen zwischen Gesellschaft und Vorstand für den Fall eines erfolgreichen Übernahmeangebots (“Golden Parachutes”) sowie wesentliche Verträge mit Change-of-Control-Klauseln, im Lagebericht offenzulegen.Jedenfalls was Letztere betrifft, stellt die Gesetzesänderung aus Bietersicht eine praktische Verbesserung dar. Auch der Satzung der Zielgesellschaft kann der Bieter wichtige Informationen zur Vorbereitung seines Angebotes entnehmen. Die Satzung kann zum einen vorsehen, dass dem Vorstand und dem Aufsichtsrat anstelle der weitreichenden Verteidigungsmöglichkeiten nach dem bislang schon geltenden und auch weiterhin wirksamen § 33 WpÜG lediglich eingeschränkte Abwehrmechanismen nach dem Europäischen Neutralitätsgebot zur Verteidigung gegen eine Übernahme gestattet sind (“Opt-out”). In diesem Fall darf das Management Maßnahmen, die den Erfolg des Angebots verhindern können, nur ergreifen, wenn die Hauptversammlung nach Veröffentlichung der Übernahmeentscheidung dazu ermächtigt, wenn sie zum normalen Geschäftsbetrieb gehören, wenn sie der Umsetzung von Entscheidungen dienen, die vor der Entscheidungsveröffentlichung gefasst und teilweise umgesetzt wurden oder wenn sie die Suche nach einem konkurrierenden Angebot betreffen. DurchbrechungsregelNach der Europäischen Durchbrechungsregel (§ 33b WpÜG n. F.) kann eine Zielgesellschaft außerdem durch ihre Satzungsgestaltung vorsehen, dass bestimmte nach dem 22. April 2004 (dem Tag nach Erlass der Richtlinie) vereinbarte Übertragungsbeschränkungen und Stimmbindungsverträge während des Laufs der Annahmefrist eines Übernahmeangebotes keine Wirkung entfalten und Mehrstimmrechtsaktien nur zu einer Stimme berechtigen. Ob damit eine realistische Situation abgebildet wird, ist zumindest für die nächsten Jahre zweifelhaft. Aktionäre, die nach dem 22. April 2004 Übertragungsbeschränkungen und Stimmbindungsverträge zum Schutz vor Übernahmen vereinbart haben, werden sie wohl kaum in einer konkreten Übernahmesituation wieder abschaffen. Erwirbt der Bieter mindestens 75 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft, gilt die Beschränkung auch für die erste Hauptversammlung, die auf sein Verlangen einberufen wird. So kann er seiner Mehrheitsbeteiligung entsprechend Veränderungen bei der Gesellschaft durchsetzen. RechtsunsicherheitSind den Aktionären der Zielgesellschaft durch die Satzung vor der Veröffentlichung der Übernahmeentscheidung begründete Rechte entzogen worden, ist der Bieter zur Zahlung einer “angemessenen Entschädigung in Geld” verpflichtet. Was als Entschädigung angemessen ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Insoweit besteht Rechtsunsicherheit. Aufgrund des Umstands, dass der tatsächliche Wert des entzogenen Rechts in der Regel nur schwer festzustellen sein wird, wird sie nicht zu hoch zu bemessen sein.Hat der Bieter eine Entscheidung über die Abgabe eines Übernahmeangebotes getroffen, hat er diese unverzüglich zu veröffentlichen. Wann der Gesamtvorstand des Bieters formal die Übernahmeentscheidung trifft, kann er in der Praxis nicht unerheblich selbst beeinflussen. Auch vor einer Entscheidung des Gesamtvorstands und erst recht vor der die Transaktion genehmigenden Entscheidung des Aufsichtsrats ist es durchaus möglich, schon frühzeitig einen detaillierten Übernahmeplan auszuarbeiten und die notwendigen Dokumente vorzubereiten.Nach Veröffentlichung der Übernahmeentscheidung hat der Bieter vier Wochen Zeit, die Angebotsunterlage zu erstellen. Diese stellt das verbindliche Angebot des Bieters dar und muss daher alle für die Anleger, an die sie sich richtet, relevanten Informationen enthalten. Aufzunehmen sind unter anderem Angaben zu Art und Höhe der Gegenleistung. Diese ist in ihren Mindestanforderungen gesetzlich vorgeschrieben. Haben der Bieter oder eine ihm zuzurechnende Gesellschaft etwa in dem letzten Halbjahr vor Veröffentlichung der Angebotsentscheidung 5 % oder mehr der Aktien oder Stimmrechte der Zielgesellschaft gegen Geldzahlung erworben, ist den Aktionären zwingend eine Geldleistung für ihre Aktien anzubieten. Ein reines Tauschangebot, beispielsweise die Offerte eigener Aktien des Bieters, ist in diesem Falle ausgeschlossen. Der Referenzzeitraum der relevanten Vor- und Parallelerwerbe ist in Umsetzung der Übernahmerichtlinie von bislang drei auf sechs Monate vor Entscheidungsveröffentlichung verlängert worden und endet mit Ablauf der Annahmefrist. Ebenfalls von drei auf sechs Monate heraufgesetzt worden ist die Referenzperiode für die Bestimmung der Höhe der Gegenleistung. Deren Wert muss mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb dieses Zeitraums gewährten oder vereinbarten Gegenleistung entsprechen.Aufgrund der Gesetzesänderung sind in die Angebotsunterlage neuerdings die Höhe der möglichen Entschädigung für den Entzug von Rechten nach § 33b Abs. (5) WpÜG n. F. sowie Angaben über die Absichten des Bieters hinsichtlich der künftigen Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft und der eigenen Gesellschaft aufzunehmen. Letztere Informationen dienen dazu, Aktionäre und Arbeitnehmer frühzeitig über geplante wesentliche unternehmerische Entscheidungen, wie etwa die Verlegung oder Schließung von Produktionsstandorten, zu unterrichten.Neu in das WpÜG aufgenommen ist ein übernahmerechtliches Ausschlussrecht (“Squeeze-out”) des Bieters für den Fall eines erfolgreichen Übernahmeverfahrens. Gehören ihm nach Abschluss des Verfahrens 95 % oder mehr der Aktien und der Stimmrechte der Zielgesellschaft, kann er innerhalb von drei Monaten bei dem dafür ausschließlich zuständigen Landgericht Frankfurt am Main beantragen, dass ihm auch die übrigen stimmberechtigten Aktien übertragen werden. Längere Frist mit Sell-outIm Gegensatz zum aktienrechtlichen Squeeze-out ist ein Hauptversammlungsbeschluss nicht erforderlich. Auch ist kein Spruchverfahren bei Streit über die Höhe der Abfindung vorgesehen. Diese gilt unwiderleglich als angemessen, wenn sie der Höhe nach der Gegenleistung beim vorangegangenen Übernahmeangebot entspricht und der Bieter aufgrund dieses Angebotes 90 % des Grundkapitals erworben hat. Korrespondierend mit dem Ausschlussrecht haben die Aktionäre der Zielgesellschaft ein Andienungsrecht (“Sell-out”) für ihre Aktien gegenüber dem Bieter. Dieses stellt praktisch eine Verlängerung der Annahmefrist um weitere drei Monate dar. Die Ausschlussmöglichkeit verbliebener Aktionäre sowie die Offenlegung potenzieller Abwehrmechanismen führen dazu, dass die Abgabe eines Übernahmeangebotes aus Bietersicht attraktiver geworden ist. *) Dr. Wolfgang Hölters ist Partner, Johannes Wecker Rechtsanwalt bei Hölters & Elsing in Düsseldorf.