RECHT UND KAPITALMARKT

Übernahmen werden attraktiver

Vereinfachungen in der konzerninternen Verschmelzung und Einführen eines Squeeze-out schon ab 90 Prozent

Übernahmen werden attraktiver

Von Rainer Süßmann *) Mit einiger Verzögerung ist das bereits im Sommer 2010 eingeleitete Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (UmwG) mit insbesondere den Vereinfachungen bei der konzerninternen Verschmelzung und dem Einführen eines verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out ab einer Schwelle von 90 % zum Abschluss gekommen.Wichtigste Neuerungen sind, dass zukünftig für den Fall, dass die übernehmende Gesellschaft sämtliche Aktien der zu verschmelzenden Aktiengesellschaft (die “übertragende Gesellschaft”) hält, kein Hauptversammlungsbeschluss der übertragenden Gesellschaft erforderlich ist, was bisher schon eine Formalie war. In diesem Zusammenhang steht die weitere Neuregelung, dass Aktionäre aus der übertragenden Gesellschaft nach den Squeeze-out-Regelungen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können, wenn die übernehmende Gesellschaft mindestens 90 % des Grundkapitals hält und die Aktionäre in Verbindung mit einer Verschmelzung ausgeschlossen werden.Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass einer Verschmelzung künftig auch der Halbjahresabschluss einer börsennotierten AG zugrunde gelegt werden kann. Ein solcher wird aber selten auf HGB-Grundlage erstellt, sodass in der Praxis dann doch der Zwischenabschluss erforderlich wird.Damit wird in vielen Fällen die bisherige Squeeze-out-Schwelle von 95 % auf 90 % gesenkt, was den Wert bisheriger Blockadepositionen bestimmter Fonds in Höhe von 5 % negativ beeinflussen dürfte. Das Senken der Squeeze-out-Schwelle, wenn und soweit mit einer Verschmelzung verbunden, geht allerdings nicht auf ein Einsehen des Gesetzgebers, sondern auf die zwingende Umsetzung einer EU-Richtlinie zurück. Ein ähnliches Instrument kennt etwa die Schweiz schon länger; es wird dort auch häufig eingesetzt.Der im August 2010 vorgelegte Regierungsentwurf ließ das Verhältnis des Squeeze-out zur Verschmelzung offen. Daraus wurde in den Stellungnahmen zum Gesetzentwurf der Schluss gezogen, dass die Gesellschaft nach dem Squeeze-out mit 90 % der Anteile nicht mehr zwingend auf den dann alleinigen Aktionär verschmolzen werden müsse. Der Rechtsausschuss des Bundestages hatte jedoch die Sorge, dass nach dem Squeeze-out, unter Vorlage des Verschmelzungsvertrags, nachfolgend die Verschmelzung der Gesellschaft auf den Haupt- und nach dem Squeeze-out alleinigen Aktionär unterlassen und damit die allgemeine Squeeze-out-Schwelle (§ 327a AktG) de facto auf 90 % herabgesetzt würde. Die jetzt beschlossene Regelung legt fest, dass zwar wie bisher erst der Squeeze-out-Beschluss gefasst wird, dieser aber erst wirksam wird, wenn das Handelsregister auch die Verschmelzung auf den Hauptaktionär eingetragen hat. Erst die BewertungDas Verfahren sieht vor, dass erst einmal ein üblicher Squeeze-out beschlossen wird, hierzu die Gesellschaft bewertet und ein Übertragungsbericht und ein Bericht des gerichtlich bestellten Prüfers zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung erstellt werden. Zusätzlich wird der Verschmelzungsvertrag vorgelegt, in dem auf das Vorhaben des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out hingewiesen wird. Der Verschmelzungsvertrag ist ferner fristgerecht dem Betriebsrat zuzuleiten.Das weitere Verfahren kann sicherlich innovativ genannt werden: Die Hauptversammlung (HV) beschließt nur über den Squeeze-out, die Verschmelzung wird nach dessen Wirksamwerden als konzerninterne Verschmelzung ohne Hauptversammlungsbeschluss und dementsprechend auch ohne Verschmelzungsbericht vollzogen.Nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist gegen den Squeeze-out-Beschluss ohne Klageerhebung – was seit dem ARUG des Öfteren vorkommt – oder anderenfalls nach erfolgreichem Freigabeverfahren oder gar nach Abwehr von Anfechtungsklagen wird im Handelsregister zunächst nur ein Vermerk über den Zwangsausschluss, nicht aber dieser selbst eingetragen. Der Vermerk verweist darauf, dass der Zwangsausschluss erst mit der Verschmelzung wirksam wird.Die Minderheitseigner bleiben auch nach Eintragung dieses Vermerks Aktionäre der Gesellschaft und erhalten noch keine Abfindung.Um zu gewährleisten, dass der anschließende Verschmelzungsbeschluss im vereinfachten Verfahren der konzerninternen Verschmelzung ohne HV-Beschluss gefasst werden kann, gelten die zu diesem Zeitpunkt in der Gesellschaft immer noch verbliebenen Minderheitsaktionäre jedoch als quasi nicht existent. Stände zwischenzeitlich eine HV an, hätten die Minderheitsaktionäre Stimmrechte und erhielten Dividenden, nur für den Verschmelzungsbeschluss zählten sie nicht. Hier hat der Gesetzgeber den “schizophrenen Aktionär” (das Schrifttum kreierte den “Kapuzenaktionär”, der statt sich seine Bank im Aktienregister eintragen ließ) geschaffen. Frist nicht vorgegebenErst wenn später die konzerninterne Verschmelzung im Handelsregister eingetragen wird, wird auch der Zwangsausschluss wirksam. Erst zu diesem Zeitpunkt verlieren die Minderheitsaktionäre ihre Aktionärsstellung und erhalten die Abfindung für den Zwangsausschluss.Eine Frist, binnen deren die Verschmelzung nach Eintragung des Vermerks über den Zwangsausschluss durchzuführen ist, gibt das Gesetz nicht vor. Da Minderheitsaktionäre bis zur Verschmelzung eben Aktionäre der Gesellschaft mit allen Rechten und Pflichten bleiben, hat der Hauptaktionär aber ein Interesse an der zügigen nachfolgenden Durchführung der Verschmelzung.Der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out verlangt, dass der Hauptaktionär die Rechtsform einer Aktiengesellschaft hat. Hier ist der Gesetzgeber Änderungswünschen nicht gefolgt. In nicht wenigen Fällen werden Aktien der übertragenden Gesellschaft über eine GmbH oder ein entsprechendes Vehikel gehalten. Dass hingegen die Umwandlung einer solchen GmbH in eine AG oder das Übertragen der Aktien von dem ausländischen Vehikel auf eine zwischengeschaltete AG, um den verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out durchführen zu können, wie verschiedentlich behauptet einen Missbrauch darstelle, ist kaum begründbar. Vielmehr geht es doch nur darum, quasi die technischen Voraussetzungen für eine Verschmelzung von einer AG auf eine AG zu schaffen. Dafür, dass das neue Instrument nur auf die wenigen Fälle beschränkt sein soll, in denen mindestens 90 % der Aktien unmittelbar und längere Zeit von einer AG gehalten werden, finden sich keinerlei Anhaltspunkte.Mit dem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out wird das in Deutschland schwierige Taking Private ein Stück leichter. Spezialisierten Fonds wird es schwerfallen, einen “Sperrblock” von bis zu 10 % während einer Übernahme aufzukaufen. Die M & A-Aktivitäten sollte dies fördern. Da auch bei einem Streubesitz unter 10 % in aller Regel kein nur annähernd liquider Börsenhandel mehr besteht und ein Exit der Minderheitsaktionäre zu fairen Preisen via Börse nicht mehr möglich ist, werden die Minderheitsaktionäre nicht unzumutbar benachteiligt. Bundesrat stimmt zuDer Bundestag nahm den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 26. Mai 2011 an, und der Bundesrat signalisierte im Vorfeld, dass er keine Einwände gegen das Gesetz erheben werde. Er hat dies am 17. Juni denn auch beschlossen. Das Gesetz könnte daher bis Ende Juni 2011 mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt und damit gerade noch innerhalb der von der EU-Richtlinie verlangten Umsetzungsfrist in Kraft treten. Erste Verfahren des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out könnten dann Anfang Juli dieses Jahres offiziell eingeleitet werden. Unabhängig davon könnte in geeigneten Fällen bereits mit ersten Bewertungsarbeiten begonnen werden.—-*) Rainer Süßmann ist Partner im Frankfurter Büro von Hogan Lovells.