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Und wie viel schluckt Ihr Haus?

Ab 2008 wird der Energieausweis für viele Wohngebäude Pflicht - Verbrauch wird wichtiges Entscheidungskriterium bei Kauf und Miete

Und wie viel schluckt Ihr Haus?

Von Stefan Terliesner Anders als bei Autos oder Kühlschränken wissen Käufer oder Mieter von Wohnungen und Häusern nur wenig über deren Energiebedarf. Objektive Informationen sind Mangelware, Vergleichsmaßstäbe fehlen. Daher hat die Europäische Union alle Mitgliedstaaten verpflichtet, einen Energieausweis für Gebäude einzuführen. In Deutschland geschieht dies für den Gebäudebestand ab 2008. Für Neubauten und wesentliche Umbauten ist ein Energieausweis seit 1995 Pflicht. Zukünftig muss bei Verkauf oder Vermietung von Wohngebäuden oder Wohnungen den Interessenten ein Energieausweis zugänglich gemacht werden. Er informiert Verbraucher objektiv, zeigt Potenziale zum Energiesparen auf und macht die energetische Qualität von Häusern vergleichbar. Mehr Transparenz”Der Energieausweis bringt mehr Transparenz in den Immobilienmarkt. Mieter und Käufer können künftig auf einen Blick einen Eindruck bekommen, welche Nebenkosten auf sie zukommen”, erklärte Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee anlässlich der Verabschiedung der neuen Energieeinsparverordnung. Ganz so einfach ist die Sache freilich nicht. Die Ausgestaltung des Energieausweises spiegelt einen Kompromiss zwischen den Interessen der Wohnungswirtschaft auf der einen Seite und den Verbraucher- und Mieterschützern auf der anderen Seite wider. Daher wird der Energieausweis schrittweise eingeführt. Zudem gibt es ihn in zwei Varianten. Welcher Ausweis verwendet werden kann, richtet sich nach der Größe, dem Baujahr und der energetischen Qualität des Gebäudes. Nach der Verordnung können Eigentümer und Vermieter von Wohngebäuden mit mehr als vier Wohneinheiten wählen, ob sie den Energieausweis auf der Grundlage des berechneten Bedarfs oder des tatsächlichen Energieverbrauchs verwenden. Das Gleiche gilt für Gebäude mit bis zu vier Wohnungen, wenn sie entsprechend dem Standard der 1977 erlassenen 1. Wärmeschutzverordnung errichtet oder später auf diesen Standard gebracht worden sind. Pflicht zum BedarfsausweisEigentümer von Gebäuden mit bis zu vier Wohneinheiten, für die der Bauantrag vor dem 1. November 1977 gestellt wurde und die das Anforderungsniveau der 1. Wärmeschutzverordnung nicht erreichen, benötigen zwingend den Bedarfsausweis. Auch wer Mittel aus staatlichen Förderprogrammen beantragt, muss einen Bedarfsausweis vorlegen. Diese Regelungen gelten ab dem 1. Oktober 2008. Für Nichtwohngebäude sind beide Varianten erlaubt. Für denkmalgeschützte Gebäude muss kein Ausweis ausgestellt werden.Eigentümer und Vermieter haben die Pflicht, den Energieausweis potenziellen Mietern und Käufern vorzulegen. Diese Pflicht wird stufenweise eingeführt. Für Wohngebäude, die bis 1965 fertiggestellt wurden, wird der Energieausweis am 1. Juli 2008 Pflicht, für später errichtete Wohngebäude ab 1. Januar 2009 und für Nichtwohngebäude am 1. Juli 2009. Gültig ist ein Energieausweis zehn Jahre. Der Architekt Christian Reinholz erläutert den Unterschied zwischen Verbrauchs- und Bedarfsausweis: “Ein Verbrauchsausweis wird auf der Grundlage des gemessenen Energieverbrauchs erstellt und ist abhängig vom Verhalten des Bewohners. Der Bedarfsausweis basiert auf der Grundlage eines ingenieurmäßig berechneten Energiebedarfs. Entscheidend ist die Gebäude- und Anlagenqualität und nicht das Nutzerverhalten.” Daher wird der Verbrauchsausweis deutlich günstiger sein als der Bedarfsausweis. Indes liefert nur der Bedarfsausweis aussagekräftige Informationen. Kritik an WahlfreiheitDie Verbraucherschützer und Mietervereine kritisieren die Wahlfreiheit zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis. “Potenzielle Mieter und Käufer werden wenig mit einem Verbrauchsausweis anfangen können, weil er weder einen energetischen Vergleich verschiedener Gebäude erlaubt, noch als Grundlage konkreter Modernisierungsempfehlungen tauglich ist”, sagt Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Dass für Wohngebäude bis zu vier Einheiten in engen Grenzen der Bedarfsausweis Pflicht sein solle, sei kein klares Bekenntnis der Politik zu Transparenz für potenzielle Mieter und Käufer. Die Wohnungswirtschaft dagegen verteidigt die Wahlfreiheit. Ihrer Meinung nach können Wohneigentümer die für sie passende Variante wählen. Das sei praxisgerecht und wirtschaftlich vernünftig. Energieverbrauch im FokusAuf jeden Fall wird der Energieausweis den Blick für den Energieverbrauch einer Immobilie schärfen und Einfluss auf die Kauf- und Mietentscheidungen haben. Die Standardfrage beim Autokauf – “Und wie viel schluckt der?” – wird eines Tages vielleicht auch beim Immobilienkauf typisch sein. Statt Vermutungen können Eigentümer dann konkrete Angaben über die energetische Qualität des Gebäudes machen – sofern sie sich für einen Bedarfsausweis entscheiden. “Langfristig wird sich der Bedarfsausweis ohnehin durchsetzen”, ist sich Billen sicher.Ein Fortschritt sind auch die Tipps zur Verbesserung der Energieeffizienz. Wenn eine kostengünstige Verbesserung der Energieeffizienz des Gebäudes möglich ist, muss der Energieausweis objektbezogene Modernisierungstipps enthalten. Anhand von konkreten Maßnahmen soll aufgezeigt werden, wie stark der Energiebedarf etwa durch den Austausch der Heizungsanlage oder eine verstärkte Wärmedämmung gesenkt werden kann. Reine EmpfehlungenWichtig ist in diesem Zusammenhang die Kenntnis über die Rechtswirkung. Die Modernisierungstipps sind als reine Empfehlungen anzusehen, die Umsetzung ist für den Eigentümer des Gebäudes nicht verpflichtend. Sind Vorschläge für eine Verbesserung der Energieeffizienz nicht möglich, so muss dies lediglich schriftlich begründet werden. Generell gilt: Der Energieausweis dient nur der Information. Auch wenn der reale Energieverbrauch eines Gebäudes deutlich von den Angaben im Energieausweis abweicht, kann hierdurch weder eine Mietminderung begründet noch ein Kaufpreis nachträglich angefochten werden. Für die fachliche Richtigkeit der Angaben im Energieausweis haftet der Aussteller.