Unerwartete Gewerbesteuerbelastung bei Verbriefungen
Von Martin Klein und Lars Kloster *)Ein Verkauf von Forderungen führt nur dann nicht zu einer zusätzlichen Gewerbesteuerbelastung, wenn der Forderungsverkäufer auch das wirtschaftliche Risiko abgibt. Der Bundesfinanzhof (BFH), das höchste deutsche Steuergericht, hat sich erstmals zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Forderungen bei sogenannten ABS-Strukturen geäußert. Für die an solchen Strukturen Beteiligten ist das Urteil ein Rückschlag. Unklar ist, welche Auswirkungen es auf den ABS-Markt insgesamt haben wird.Der Grundkonzept einer Verbriefungstransaktion ist, dass der Inhaber bestimmter Vermögenswerte wie z. B. Forderungen (Originator) diese an eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV) endgültig veräußert, welche den Erwerb durch die Ausgabe von Wertpapieren finanziert. Auch steuerlich wird regelmäßig eine Veräußerung an das SPV angestrebt (steuerlicher True Sale). Dies gelingt nicht, wenn ungeachtet der zivilrechtlichen Übertragung (True Sale) das wirtschaftliche Eigentum beim Originator verbleibt. ErstattungsklauselSteuerlich handelt es sich beim Verkauf von Forderungen dann um ein Darlehen des SPV an den Originator, welches mit den verkauften Forderungen besichert ist. Die Forderungen sind weiter in der Steuerbilanz des Originators zu bilanzieren. Gebühren, die der Originator an das SPV zahlt, erhöhen als “Entgelte für Schulden” anteilig seine gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage (§ 8 Nr. 1 GewStG). Solche Entgelte für Schulden können ferner den Beschränkungen der Zinsschranke unterliegen, das heißt, ihr die Körperschaft- und Gewerbesteuer mindernder Abzug kann ganz oder teilweise ausgeschlossen sein.Unter Bezugnahme auf frühere Urteile hat der 1. Senat des BFH mit Urteil vom 26.8.2010 (Aktenzeichen I R 17/09) entschieden, dass bei Forderungsverkäufen das wirtschaftliche Eigentum beim Originator verbleibt, wenn dieser noch Bonitätsrisiken trägt. Dies sei der Fall, wenn der Risikoeinbehalt bei der Bemessung des Kaufpreises den erwartbaren Forderungsausfall zuzüglich eines realitätsgerechten Risikoaufschlags für die Unsicherheit künftiger Veränderungen zunächst deutlich übersteige, später aber nach Maßgabe des tatsächlichen Forderungseingangs an den Originator erstattet werde. Niedrige AusfallquoteDas Urteil betraf eine Asset-Backed-Commercial-Paper-Struktur, mit der kurzfristige Handelsforderungen auf revolvierender Basis durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen des SPV (Commercial Papers) refinanziert wurden. Obwohl die historische Ausfallquote lediglich 0,1 % ausmachte, wurde die einbehaltene Reserve für Forderungsausfälle (Default Reserve) mit 4 % des Nennbetrags der Forderungen festgelegt. Der Originator übernahm keine Gewährleistung für die Bonität der Forderungen. Einziehung und Verwaltung der Forderungen verblieben beim Originator, der sämtliche Kosten trug und eine “Programmgebühr” zu leisten hatte. Die Default Reserve war zurückzuzahlen, soweit der eingezogene Betrag den Kaufpreis überstieg.Nach Auffassung des BFH trug der Originator wirtschaftlich weiterhin das Risiko des Forderungsausfalls, obwohl dieses rechtlich auf das SPV übergegangen war. Damit sei das SPV nicht wirtschaftlicher Eigentümer geworden. Auf die rechtliche Verfügungs- und Vollstreckungsbefugnis beim SPV komme es nicht an. Mit dem gleichen Verständnis beurteile auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in IDW RS HFA 8 die Frage des Bilanzabgangs der Forderungen des Originators nach Handelsrecht (HGB). Den Einwand, die Forderungen seien “regresslos” abgetreten, ließ der BFH mit Blick auf die vereinbarte nachträgliche Anpassung des Kaufpreises und eine Gesamtbetrachtung der vertraglichen Bestimmungen nicht gelten.Diese Argumentation mag Besonderheiten des Falls, wie der in Anbetracht der statistisch nachweisbaren niedrigen Ausfallquote eher hohen Default Reserve und der kurzen Laufzeit der Forderungen, geschuldet sein. Allerdings vermisst man eine Auseinandersetzung mit Konstellationen, in denen die tatsächliche Ausfallquote infolge unvorhersehbarer Entwicklungen wie Missernten, Hochwasser oder Bankenkrise den (ex ante zu hoch bemessenen) Einbehalt hätte übersteigen können.In einer solchen Situation hätte das SPV im Besprechungsurteil lediglich ein Kündigungsrecht ausüben können, und Verluste innerhalb des Kündigungszeitraums hätten das SPV getroffen. Hier zeigt sich eine Schwäche des Ansatzes, den Übergang des Bonitätsrisikos ausschließlich ex ante, also nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Abtretung anhand der statistischen Ausfälle (zuzüglich Unsicherheitszuschlag) zu beurteilen.Denn in den beschriebenen Konstellationen ist ex post kaum begründbar, dass das Bonitätsrisiko nicht übergegangen sein soll. Richtig ist zwar, dass der vorhersehbare Teil des Bonitätsrisikos beim Originator verblieben ist; dies gilt aber auch für den durch den “angemessenen” Abschlag abgedeckten Teil dieses Risikos. Insofern sollte unseres Erachtens jedenfalls in solchen Fällen, in denen der Abschlag differenziert und unter Einbeziehung von Ratingagenturen ermittelt wird, eher darauf abgestellt werden, ob der Originator den Forderungskaufpreis behalten darf. Insoweit ist nämlich unwahrscheinlich, dass außer dem erkennbaren Bonitätsrisiko noch weitere Risiken beim Originator verbleiben. Angemessener AbschlagIm Übrigen ist zweifelhaft, ob die allein nach seiner Höhe beurteilte Angemessenheit des Abschlags ein taugliches Abgrenzungskriterium ist. Welchen Abschlag der Originator akzeptiert, kann von den verschiedensten Umständen wie z. B. den allgemeinen Refinanzierungsbedingungen am Markt oder seinem spezifischen “Refinanzierungsdruck” abhängen. Bei der Gesamtbetrachtung kann unseres Erachtens zudem nicht ausgeblendet werden, dass ein hoher, aber erstattungsfähiger Abschlag im Interesse des Forderungserwerbers bzw. der Zeichner der Commercial Papers für den Originator einen Anreiz bietet, den Einzug der Forderungen sorgfältig und nachhaltig zu betreiben. Denn auch für das SPV und die Zeichner der Commercial Papers verringert sich dadurch das Risiko, Forderungsausfälle tragen zu müssen.Wenngleich der BFH einen Fall vor Publikation des IDW RS HFA 8 zu beurteilen hatte, nähert er die steuerliche Beurteilung von bestimmten ABS-Transaktionen der handelsbilanziellen Beurteilung in diesem Standard an. Nach IDW RS HFA 8 kommt es nur dann zu einem Bilanzabgang, wenn kein Bonitätsrisiko beim Originator verbleibt und “unangemessene” Kaufpreisabschläge und vergleichbare Gestaltungen unterbleiben. Das IDW benennt den (zu) hohen, aber erstattungsfähigen Abschlag als eine solche Gestaltung, die unangemessen sein kann. Dies sei indes nicht der Fall, wenn sich der vorläufige Einbehalt nach den früher tatsächlich eingetretenen Ausfällen zuzüglich eines realitätsgerechten Risikoaufschlags für die Unsicherheit der künftigen Veränderungen des Ausfallrisikos bemesse.Dass der BFH diese vom IDW anerkannte und in der Praxis relevante Ausnahme nicht näher prüft, mag an dem in Anbetracht der historischen Ausfallquote hohen Abschlag gelegen haben. Es ist daher schwer absehbar, ob der BFH dem IDW künftig auch in diesem Punkt folgen wird. Unseres Erachtens wäre es geraten, jedenfalls für Transaktionen, in denen der Abschlag differenziert und unter Einbeziehung von Ratingagenturen ermittelt wird, darauf abzustellen, ob der Originator den gezahlten Forderungskaufpreis behalten darf und damit neben dem erkennbaren Bonitätsrisiko kein weiteres Risiko bei ihm verbleibt. Gut dokumentierenAnders als bei einem vorläufigen Einbehalt verbleiben beim endgültigem Einbehalt in aller Regel keine Bonitätsrisiken beim Originator. Der Risikoeinbehalt steht einem steuerlichen True Sale dann nicht entgegen. Gleiches dürfte gelten, wenn der vorläufige Einbehalt sich nach den in der Vergangenheit eingetretenen Ausfällen zuzüglich eines realitätsgerechten “angemessenen” Risikoaufschlags für die Unsicherheit der künftigen Veränderungen des Ausfallrisikos bemisst. Der Praxis ist insofern zu raten, diese Parameter der Angemessenheit der Default Reserve hinreichend zu dokumentieren.—-*) Dr. Martin Klein ist Partner und Dr. Lars Kloster ist Senior Associate im Frankfurter Büro von Hengeler Mueller.