RECHT UND KAPITALMARKT

Urteil schränkt Werbepraxis für Bewertungsportale ein

BGH billigt die Rolle des "neutralen Informationsvermittlers"

Urteil schränkt Werbepraxis für Bewertungsportale ein

Von Steffen Henn *)Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem mit Spannung erwarteten Urteil seine Rechtsprechung zu Bewertungsportalen im Internet weiter ausgebaut. Danach darf ein Internetportal Ärzte weiterhin ohne Nachfrage in seinem Angebot auflisten und Nutzer zur Bewertung auffordern. Die Ärzte müssen aber bestimmte Werbepraktiken bei der Anzeige ihrer Daten nicht mehr dulden. Auch für den Portalbetreiber dürfte die Entscheidung positiv sein. Sein Geschäftsmodell wird durch das Anerkenntnis seiner Rolle als “neutraler Informationsmittler” ein weiteres Mal höchstrichterlich bestätigt. EinschränkungenBewertungsportale gibt es für fast jede öffentliche relevante Berufsgruppe, für zahlreiche Dienstleistungen und auch für Unternehmen, etwa in ihrer Funktion als Arbeitgeber. Die Bewerteten stehen im Fokus der Öffentlichkeit, ohne hierauf unmittelbar Einfluss zu haben. Internetnutzer, die Bewertungen abgeben, agieren dagegen aus dem Schutz der Anonymität heraus. Dies führt vielfach zu negativen Bewertungen, die geeignet sind, die bewerteten Personen oder Unternehmen in Misskredit zu bringen.Das Geschäftsmodell der Portale basiert in der Regel darauf, dass die zur Bewertung angebotenen Personen oder Unternehmen eine für sie vorteilhaftere Darstellung ihrer Angaben kostenpflichtig erwerben. Hier müssen die Portale aber künftig Einschränkungen hinnehmen.Geklagt hatte eine Kölner Ärztin, die ihren Eintrag auf einem bekannten Ärzte-Bewertungsportal im Internet löschen lassen wollte. Die Klägerin berief sich darauf, dass das Portal Ärzte als zahlende Premiumkunden bevorzuge. Internetnutzer sahen bei Abruf des Profils eines Arztes ohne kostenpflichtiges “Premium-Paket” die Profile anderer, hierfür zahlender, in unmittelbarer Nähe niedergelassener Ärzte. Im umgekehrten Fall geschah dies nicht. Die klagende Ärztin argumentierte, dies stelle für sie einen unangemessenen Eingriff in die Berufsfreiheit dar.Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Klage nun auf den ersten Blick überraschend vollumfänglich statt: Selbst die Klägerin hatte nach eigenen Äußerungen nicht mehr an einen Sieg geglaubt. Danach wurde dem Portalbetreiber zum Verhängnis, dass er durch die beanstandete Werbepraxis seine Stellung als “neutraler Informationsmittler” verlassen habe. Die Nichteinblendung örtlich konkurrierender Ärzte nur gegen Entgelt führe dazu, dass die Interessen des Portalbetreibers gegenüber den Interessen der klagenden Ärztin zurückstehen müssen. Der BGH ist von seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2014 zugunsten solcher Bewertungsportale auch jetzt nicht abgewichen. Seinerzeit hatte das Gericht ebenfalls im Fall von Ärzten entschieden, dass eine Speicherung personenbezogener Daten mit einer Bewertung durch Patienten auch gegen den Willen der Betroffenen grundsätzlich zulässig ist. Diese müssen die Aufnahme ihrer Daten aufgrund des überwiegenden Informationsinteresses der Internetnutzer dulden.Bei diesen Grundsätzen bleibt es auch jetzt. Der BGH schränkt allerdings ein: Portalbetreiber dürfen nicht zu offensiv um zahlende Kunden werben. Unterlässt oder ändert der beklagte Portalbetreiber die vom BGH beanstandete Werbepraxis, führt ihn dies wieder auf seine vom BGH anerkannte Position als “neutraler Informationsmittler” zurück. Die Ärzteschaft muss sich wie andere Berufsgruppen auch weiterhin damit auseinandersetzen, gegen ihren Willen auf einem Bewertungsportal im Internet mit einem Profil aufgeführt und (negativen) Bewertungen ausgesetzt zu sein. Erfolgversprechend durchgesetzt werden können ohnehin nur Löschungsansprüche gegen Bewertungen, die nicht mehr vom weitreichenden Schutz der Meinungsfreiheit erfasst sind, wie etwa rein beleidigende Inhalte. Eigene Strategien nötigAuch das seit Herbst 2017 geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) hilft hier nicht immer. Zum einen liegen viele Bewertungsportale mit weniger als zwei Millionen registrierten Nutzern innerhalb der Bagatellgrenze, in der das Gesetz nicht greift. Zudem kann mit dem NetzDG nur gegen “rechtswidrige” bzw. “offensichtlich rechtswidrige” Inhalte vorgegangen werden. Eine (noch) sachlich gehaltene Kritik, welche mitunter gleichermaßen geeignet ist, einen Bewerteten in Misskredit zu bringen, muss auch mit dem NetzDG weiterhin geduldet werden. Hier bleibt den Bewerteten letztlich nichts anderes übrig, als eigene Strategien im Umgang mit dieser Form der Digitalisierung zu entwickeln. Der BGH macht es ihnen zumindest leichter, auf eine kostenpflichtige Buchung von “Premium-Paketen” bei solchen Portalen zu verzichten. Zudem können sie sich rechtlich wehren, wenn Portalnutzer durch eine nicht mehr zulässige Ungleichbehandlung beeinflusst werden.—-*) Dr. Steffen Henn ist Rechtsanwalt bei SZA Schilling Zutt & Anschütz in Mannheim.