Recht und Kapitalmarkt

Urteil setzt Sanierung nach britischem Vorbild Grenzen

"Scheme of Arrangement" bleibt für deutsche Unternehmen interessant, trotz restriktiver Tendenz in der Rechtsprechung

Urteil setzt Sanierung nach britischem Vorbild Grenzen

Von Thomas Krecek *) Das englische Gesellschaftsrecht stellt mit dem Scheme of Arrangement (“Scheme”) ein Instrument zur Verfügung, um die Verbindlichkeiten von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu restrukturieren. Schemes mit teilweise gigantischen Volumina tragen seit vielen Jahren erfolgreich zur Sanierung englischer Unternehmen bei.Spätestens seit das europäische Recht die Möglichkeit erleichtert hat, Gesellschaften und Unternehmensteile innerhalb der EU ins Ausland zu verlagern, erwägen deutsche Unternehmen, Schemes für Restrukturierungen zu nutzen. Insbesondere die Versicherungsindustrie diskutiert das Modell, nicht mehr aktiv beworbene Bestandsportfolien nach England zu transferieren und zur Abwicklung (Run-off) dort einem Scheme zu unterwerfen. Zahlreiche VorteileAus Sicht der Eigentümer bietet ein Scheme den Vorteil, das Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens sanieren zu können, ohne dass die Herrschaft über die Geschäftsführung auf einen Insolvenzverwalter übergeht.Auch aus Sicht der Gläubiger kann ein Scheme insofern vorteilhaft sein, als es ihnen ermöglicht, den nach der Restrukturierung verbleibenden Teil ihrer Forderung schnell und sicher zu erhalten. Allerdings laufen sie dabei Gefahr, im Rahmen der Restrukturierung ihre Forderung im Übrigen endgültig zu verlieren, ohne hiergegen wirksam vorgehen zu können.Der besondere Charme eines Scheme liegt darin, Restrukturierungen zu ermöglichen, ohne dass alle betroffenen Gläubiger zustimmen müssen. Vielmehr genügt es, wenn eine nach Köpfen zu berechnende einfache Mehrheit der vertretenen Gläubiger das Scheme genehmigt, sofern diese Gläubiger zugleich 75 % des Forderungsvolumens auf sich vereinen. So ist es möglich, Forderungsverzichte zu vereinbaren oder Forderungen in Eigenkapital umzuwandeln, ohne dass einzelne Gläubiger ihren etwa in Finanzierungsverträgen häufig vorgesehenen Zustimmungsvorbehalt als Störpotenzial nutzen (oder gar missbrauchen) können. Mehrstufiges VerfahrenDas betroffene Unternehmen verhandelt die Einzelheiten des Scheme zunächst mit den Gläubigern oder einem Gläubigerausschuss. Bevor das Konzept den Gläubigern zur Abstimmung vorgelegt werden darf, ist die Freigabe des High Court einzuholen. Um etwaige Sonderinteressen angemessen zu berücksichtigen, kann das Gericht fordern, dass der Abstimmungsprozess nach den in unterschiedlicher Weise betroffenen Gläubigergruppen differenziert. Sofern das den Restrukturierungsvorschlag unterbreitende Unternehmen im Finanzsektor tätig ist und reguliert wird, hat es der Financial Services Authority (FSA) nachzuweisen, dass das Scheme die aufsichtsrechtlichen Vorgaben einhält.Sofern die Gläubiger mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt haben, bedarf das Scheme zu seiner Wirksamkeit der abschließenden gerichtlichen Genehmigung. Der High Court überprüft, ob das gesetzliche Verfahren eingehalten wurde, ob die Definition etwaiger separat abstimmender Gläubigergruppen sachgerechten Kriterien folgte und insbesondere, ob das wirtschaftliche Resultat des Scheme für alle Betroffenen fair ist. Gläubiger, die ihre Interessen nicht angemessen gewahrt sehen, können ihre Vorbehalte in einer weiteren Anhörung vorbringen.Hält der High Court das Scheme nach Abwägung der Gläubigerinteressen mit den Interessen des zu restrukturierenden Unternehmens für fair, fasst es einen zustimmenden Beschluss und reicht ihn zur Eintragung beim Handelsregister ein. Mit der Eintragung wird das Scheme für sämtliche Gläubiger verbindlich – selbst dann, wenn sie nicht abgestimmt oder gegen das Scheme gestimmt haben.Damit sich dieses englische Restrukturierungsinstrument für deutsche Unternehmen verlässlich einsetzen lässt, kommt es entscheidend darauf an, ob seine Wirkungen sowohl für das zu sanierende Unternehmen als auch für etwaige in Deutschland betroffene Gläubiger verbindlich sind. Zum Schwur kommt es bei der Frage, ob die wirtschaftlichen und rechtlichen Anknüpfungspunkte im Einzelfall nicht nur ein Scheme-Verfahren vor dem High Court gestatten, sondern ob gegebenenfalls auch vor deutschen Gerichten klagende Gläubiger das in England verbindlich gewordene Sanierungskonzept gegen sich gelten lassen müssen. Im Wesentlichen sind zwei Wege denkbar, damit ein Scheme in Deutschland verbindlich wird – zum einen die prozessrechtliche Anerkennung, zum anderen die materiellrechtliche Wirkung.Kürzlich jedoch hat das Oberlandesgericht Celle in einer richtungweisenden Entscheidung einem englischen Scheme die prozessuale Anerkennung versagt.Mit dem streitgegenständlichen Scheme hatte ein englisches Versicherungsunternehmen seinen Versicherungsbestand einschließlich diverser über eine deutsche Zweigniederlassung abgeschlossener Verträge nach deutschem Recht mit einem Scheme restrukturiert. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob ein deutscher Versicherungsnehmer seine Ansprüche gegen den Versicherer entgegen den Vorgaben des Scheme ungeschmälert geltend machen konnte.Da sich das Scheme auf ein solventes Unternehmen bezog, schied eine Anerkennung des Scheme nach den Regelungen für Insolvenzverfahren nach der Europäischen Insolvenzverordnung von vornherein aus. Ebenso wenig kam eine Anerkennung des Scheme als Urteil im Sinne der Zivilprozessordnung in Betracht, da die beteiligten Parteien im Vorfeld schon keinen Rechtsstreit geführt hatten. Nur KontrollinstanzDas OLG Celle hat nun ausdrücklich verneint, dass die Genehmigung des Scheme durch den High Court als gerichtliche Entscheidung gelten könnte, die im Sinne der EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) prozessual anerkennungsfähig wäre. Es fehle einem Scheme dafür an der Voraussetzung, dass zwischen den Parteien ein streitiges Verfahren vorausgegangen sei oder zumindest hätte vorausgehen können, da dem Gericht ein bereits mit der Mehrheit der Gläubiger beschlossener Vergleichsvorschlag unterbreitet werde. Das Gericht sei nicht das eigentliche Entscheidungsorgan, sondern nur Kontrollinstanz.Dem lässt sich entgegnen, dass das Gericht nicht nur eine formale Stellung einnimmt: Es entscheidet nach seinem Ermessen unter Abwägung der Interessen aller Beteiligten, ob der vorgeschlagene Ausgleich angemessen ist.Hingegen wäre die Anerkennung eines Scheme in Deutschland ausgeschlossen, wenn es dem deutschen “ordre public” offensichtlich widerspräche. Jedoch verlieren die betroffenen Gläubiger ihre Rechtsposition nicht entschädigungslos; sie erhalten eine zwar reduzierte, dafür aber sichere und schnelle Befriedigung. Es erscheint daher fernliegend, ein Scheme für mit dem deutschen “ordre public” unvereinbar zu halten. Dies gilt umso mehr, als auch das deutsche Recht vergleichbare Eingriffe in das Eigentum zulässt – sowohl im Rahmen des Squeeze-out von Minderheitsaktionären als auch zur Änderung von Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger nach dem Schuldverschreibungsgesetz. Materiellrechtliche WirkungSelbst wenn ein Scheme aus den vom OLG Celle genannten Gründen nicht prozessual anzuerkennen sein sollte, kann es materiellrechtlich wirksam sein, sofern es den Inhalt der betroffenen Verträge wirksam abändert. Zu dieser Frage hat sich das Gericht nicht geäußert, da der Fall deutsche Verträge betraf, auf die das englische Scheme keine direkten Auswirkungen hatte.In nur leicht variierten Tatsachenkonstellationen wäre jedoch eine materiellrechtliche Anerkennung möglich: Unterliegt der betroffene Vertrag englischem Recht, richtet sich die Änderung von Ansprüchen nach englischem Recht. In diesem Fall würde das Scheme die Vertragsbeziehung per se modifizieren und selbst solche Gläubiger verpflichten, die ihm nicht zugestimmt haben. Dies müsste dann ein deutsches Gericht grundsätzlich anerkennen.Ungeachtet der restriktiven Tendenz der Rechtsprechung des OLG Celle bleibt das Scheme daher ein für die Restrukturierung interessantes Instrument, dessen Wirkungen allerdings in jedem Einzelfall genau vorab zu überprüfen sind, um die kommerziell gewünschten Resultate zu erzielen.—-*) Dr. Thomas Krecek ist Partner im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance.