Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Philipp Semmer

US-Aktien für deutsche Mitarbeiter

Aufwand für doppelte Prospektpflicht kann begrenzt werden - Pionier Colfax

US-Aktien für deutsche Mitarbeiter

– Herr Dr. Semmer, Sie haben die US-Firma Colfax beim Börsengang in den USA beraten. Das Listing wurde zum ersten deutsch-amerikanischen Dual Offering seit Inkrafttreten des Wertpapierprospektgesetzes erklärt. Was steckt dahinter? Der Pumpenhersteller Colfax hat beim IPO auch an die eigenen Mitarbeiter gedacht und 5 % der Aktien für ein weltweites Friends-and-Family-Programm reserviert. Daran sollten alle Mitarbeiter des Konzerns teilnehmen können, also auch die rund 1 000 Arbeitnehmer der deutschen Tochtergesellschaft Allweiler AG in Radolfzell. Juristisch gesehen hatte das Folgen: Neben dem US-Prospekt wurde ein zweiter Prospekt nach deutschem Recht nötig. Dieser doppelten Prospektpflicht hat sich Colfax gestellt. – Warum ist eine wechselseitige Anerkennung von Prospekten nicht gegeben?Die Anerkennung von Prospekten existiert bisher nur im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Dass die USA außen vor bleiben, obwohl Prospekte nach amerikanischem Recht hinsichtlich Anlegerschutz den europäischen mindestens gleichwertig sind, hat schon viele US-Konzerne davon abgehalten, ihre Mitarbeiterbeteiligung auf die deutschen Töchter auszudehnen. – Gibt es Ausnahmen von der Prospektpflicht?Die transatlantische Mitarbeiterbeteiligung ist der Ausnahmefall. Denn laut Wertpapierprospektgesetz (WpPG) besteht beim öffentlichen Angebot von Aktien grundsätzlich eine Prospektpflicht. Davon verschont bleiben Kleinstemissionen. Dies sind Angebote, die sich entweder an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger pro EWR-Staat richten oder innerhalb von zwölf Monaten weniger als 100 000 Euro erzielen. Bei größeren Emissionen haben US-Unternehmen praktisch nur die Möglichkeit, sich der Prospektpflicht in Deutschland mit einem “Free Offer” zu entziehen. Außerdem gibt es zwar gewisse Erleichterungen für solche Unternehmen, deren Aktien bereits an einer Börse im EWR notieren. In den Genuss dieser Erleichterungen kommen aber nicht die amerikanischen Unternehmen. – Wenn sich die Herausgabe von zwei Prospekten nicht vermeiden lässt, heißt das, dass sich der Aufwand verdoppelt?Unsere Erfahrungen im Fall Colfax zeigen, dass sich ein deutsch-amerikanisches Dual Offering selbst unter den Bedingungen des Wertpapierprospektgesetzes effizient meistern lässt. Es kommt entscheidend darauf an, die Synergiepotenziale der zweifachen Prospekterstellung so konsequent wie möglich auszuschöpfen. Möglich wird das durch eine systematische Abstimmung zwischen den beiden Rechtssystemen. So lässt sich der Aufwand für den zweiten Prospekt um 60 bis 80 % reduzieren. – Wie funktioniert das? Stark vereinfacht geht das so: Im ersten Schritt wird der US-Prospekt erstellt und zum Masterplan für den deutschen Ableger gemacht. Der Rechtsvergleich führt in Schritt zwei zum konkreten Anpassungsbedarf, etwa zu einer anderen Darstellung der Kapitalausstattung. Diese Änderung gehört zur einfachen Kategorie: Was zu tun ist, ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz. – Wo stecken die größeren Probleme?Schwieriger sind die unklaren Systemunterschiede. Hierzu gehören vor allem Fragen des unterschiedlichen Zeitablaufs, etwa wie man mit dem sogenannten “Red Herring” umgehen soll. So nennen US-Börsianer den unvollständigen Prospekt für die Roadshow bei Investoren. In Europa wird diesbezüglich ein anderes Konzept verfolgt. Es gibt nur einen Prospekt. Der Preis kann per einfacher Veröffentlichung, beispielsweise in Ihrer Zeitung, nachgeliefert werden. Trotzdem muss man solche Systemunterschiede in den Griff bekommen. – Für welche Unternehmen könnte das Konstrukt Vorbild sein? Zum einen für Unternehmen, die wie die Colfax in den USA an die Börse gehen und Aktien für die Mitarbeiter ihrer Tochtergesellschaften in Europa reservieren wollen. Aber auch für alle anderen Unternehmen, die gleichzeitig in den USA und Europa Kapital aufnehmen wollen. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber an dieser Stelle nachhelfen und die Anerkennung amerikanischer Prospekte erleichtern würde, beispielsweise über die Anerkennung einer amerikanischen Börsennotierung. US-Konzerne besitzen in Deutschland immerhin rund 2 000 Tochtergesellschaften. Deren Arbeitnehmer schauen vielerorts immer noch zu, während ihre amerikanischen Kollegen über Mitarbeiteraktien am Konzernerfolg teilhaben. Dr. Philipp Semmer ist Associate bei Hogan & Hartson Raue in Berlin. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.