US-Erbschaftsteuerreform - die Würfel sind gefallen
Von Gerald Brix und Stephan Scherer *)Die US-Nachlasssteuerreform hat es Ende 2010 noch durch die politischen Irrungen und Wirrungen geschafft, doch eine ganzheitliche Lösung sieht anders aus. Nach Jahren der Unsicherheit über die Weiterentwicklung der Nachlasssteuer (das amerikanische Gegenstück zur deutschen Erbschaftsteuer) hat der US-Kongress am 13. Dezember im Rahmen einer Steuerreform auch dringend erforderliche Änderungen im Nachlasssteuerrecht verabschiedet, die nach Unterzeichnung des US-Präsidenten in Kraft getreten sind. Das bis 2012 gültige Gesetz legt neue Nachlasssteuersätze und Freibeträge fest. Abgesehen von diesen erwarteten Neuregelungen überraschte der Gesetzgeber mit Modifikationen, die die bisherige Struktur ändern. Konfiskatorische BelastungIm Juni 2001 reformierte die damalige Regierung Bush das Nachlasssteuerrecht. Die für eine nahezu konfiskatorische Steuer berüchtigten USA schickten sich an, die Nachlasssteuer bis 2010 deutlich zu senken und gleichzeitig die Freibeträge signifikant zu erhöhen. Für 2010 wurden Erbfälle gar völlig steuerfrei gestellt. Dieses Gesetz hatte jedoch von Anfang an eine “sunset provision”, d.h. mit Beginn 2011 wäre das alte Recht in der Fassung von 2001 wieder in Kraft getreten, wonach Erbschaften hoch (bis 55 %) und mit nur relativ geringen Freibeträgen (bis 1 Mill. Dollar) belastet wurden.Im Grundsatz gingen die beteiligten Kreise davon aus, dass dieses Gesetz noch vor Ende 2010 angepasst würde, dazu ist es aber auch unter der Regierung Obama nicht gekommen. Tatsächlich waren daher 2010 Erbschaften in den USA steuerfrei. Allerdings wurde 2010 eine bislang gewährte Begünstigung versagt. Es handelt sich um die “step-up in basis”, die die Buchwerte des Nachlassvermögens auf die Verkehrswerte zum Zeitpunkt des Erbfalls anhebt. Dies ist für die spätere Einkommensteuer der Erben bedeutend. Insbesondere wenn Nachlassgegenstände später veräußert werden, entstand nach altem Recht vor 2010 keine Einkommensteuer auf die Differenz zwischen den Anschaffungskosten beim Erblasser und dem Veräußerungspreis beim Erben, sondern nur auf die Differenz zwischen Wert beim Erbfall und Veräußerungspreis.Ein Beispiel: Kaufte der Erblasser eine Immobilie für 20 und hatte sie beim Erbfall einen Wert von 70, so unterliegen die 70 der Nachlasssteuer. Veräußert der Erbe später die Immobilie für 100, unterlagen vor 2010 aber nur 30 der Einkommensteuer. 2010 war die Erbschaft zwar steuerfrei, hingegen musste der Erbe die niedrigen Anschaffungskosten weiterführen und mithin bei einem Verkauf der Gegenstände mit einer entsprechend höheren Einkommensteuer rechnen. Um im Beispiel zu bleiben: Wurde die Immobilie 2010 steuerfrei vererbt und veräußert der Erbe diese später für 100, so muss er 80 der Einkommensteuer unterwerfen. Für Veräußerungsgewinne gibt es, anders als bei der Nachlasssteuer, keine Freibeträge.Die Steuerreform vom Dezember sieht vor, dass für die Nachlasssteuer ab 2011 ein Freibetrag von 5 Mill. Dollar gilt. Gleichzeitig wird der Höchstsatz auf 35 % begrenzt. Die Höchstbesteuerung kommt aufgrund der Staffelung der Steuersätze ab einem Vermögensübergang von 5,5 Mill. Dollar, d. h. nach Berücksichtigung des Freibetrags ab einem steuerpflichtigen Erwerb von 500 000 Dollar zur Anwendung. Gleichzeitig gewährt die Regelung die Anhebung auf den Verkehrswert für den Nachlass. Wahlrecht eingeführtInteressant ist auch, dass für Erbfälle 2010 ein Wahlrecht zwischen altem und neuem Recht eingeführt wurde. Der Nachlassverwalter bzw. dessen Berater kann nun wählen, ob er für einen Erbfall 2010 auf die Nachlasssteuer verzichtet, damit aber alle Vorteile der “step-up in basis” verliert, d. h. bei einem Weiterverkauf eine höhere Einkommensteuer akzeptiert. Oder er entscheidet sich für das neue Modell rückwirkend und zahlt auf Nachlässe 2010 bis zu 35 % Nachlasssteuer, kann damit aber auch die 5 Mill. Dollar Freibetrag nutzen und genießt die möglichen Steuervorteile einer Anhebung auf den Verkehrswert. Besondere Bedeutung dürfte dieser Entscheidung bei Immobilienvermögen zukommen, da hier infolge der Krise die Verkehrswerte gesunken sind.Weiterhin beinhaltet die Steuerreform eine neuartige Vorschrift, wonach die vom erstverstorbenen Ehegatten nicht verwendeten Freibeträge auf den letztversterbenden Gatten übertragbar sind. Der US-Gesetzgeber sieht die Ehe als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft. Dementsprechend ist auch der Vermögensübergang im Wege der Erbschaft oder Schenkung zwischen Gatten – anders als hierzulande – nicht steuerpflichtig. Die Neuregelung greift dies auf und erweitert ihn auf die Übertragung der Freibeträge. Mithin sind künftig Erbschaften eines Ehepaares bis 10 Mill. Dollar steuerfrei.Wichtig zu wissen ist schließlich, dass es neben der Bundessteuer auch auf Ebene der US-Einzelstaaten eine Nachlass- oder Verlassenschaftssteuer gibt. Insoweit bestand schon nach altem Recht ein Anrechnungsverbot auf die Bundessteuer, was die Reform nicht abschafft. Dieses System ist relativ komplex. Im Ergebnis kommt der Nachlasssteuer auf Einzelstaatenebene durchaus hohe Bedeutung zu. Ein Nachlass über 5 Mill. Dollar und deshalb steuerfrei auf Bundesebene kann in New York oder New Jersey mit fast 400 000 Dollar besteuert werden. Da einige Einzelstaaten eine Erbschaftsteuer in Höhe des früheren maximalen Anrechnungsbetrags von 16 % erheben, ergibt sich durch die heutige Nichtanrechnung der Einzelstaatensteuer und die Addition der Sätze bei über Freibeträgen liegenden Vermögensübergängen schnell ein Spitzensteuersatz von mehr als 50 %.Auch bei der Schenkungsteuer bringt die Reform Änderungen mit sich, der Freibetrag wurde ebenfalls auf 5 Mill. Dollar angehoben, der maximale Steuersatz beträgt 35 %. Wie bisher wird jedoch bei der Schenkungsteuer keine “step-up in basis” gewährt. Der hohe Freibetrag wird künftig auch für die Steuer gewährt, die anfällt, wenn unter Überspringung einer Generation, beispielsweise von Großeltern auf ihre Enkel, verschenkt oder vererbt wird. Es bleibt spannendDie Steuerreform von 2001 der Regierung Bush wurde allgemein als eine Anregung angesehen, für die Nachlasssteuer eine langfristig tragfähige Lösung zu finden. Zu einer solchen Reform kam es mit der nun vorgelegten Nachlasssteuerreform leider nicht. Die Anpassung des Steuersatzes, die deutliche Erhöhung des Freibetrags und die Einführung des Wahlrechts auf Übertragung des Freibetrags auf den überlebenden Ehegatten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich wiederum nur um eine Übergangslösung handelt. Nach der derzeitigen Gesetzeslage laufen auch diese Änderungen recht bald, schon Ende 2012, wieder aus. Danach gilt wieder die alte Rechtslage von 2001 (55 % Höchststeuersatz, Freibetrag 1 Mill. Dollar). Für Steuerpflichtige bleibt es mithin auch in Zukunft spannend, wie sich die US-Nachlass- und Schenkungsteuer entwickelt.—-*) Gerald Brix, Certified Public Accountant, Kanzlei Brix + Partners, New York; Dr. Stephan Scherer, Partner von SZA Schilling, Zutt & Anschütz