Recht und Kapitalmarkt

USA erleichtern grenzüberschreitende Insolvenzverfahren

Verbesserte Kooperation in- und ausländischer Verwalter - Größere Rechtssicherheit für Investoren

USA erleichtern grenzüberschreitende Insolvenzverfahren

Von Heiko Tschauner *) Im Rahmen der zunehmenden Globalisierung finden Insolvenzverwalter von deutschen Unternehmen immer häufiger die Situation vor, dass zur Insolvenzmasse auch Vermögen in den USA gehört. Der deutsche Insolvenzverwalter kann das Vermögen in den USA nur dann verwalten und verwerten, wenn seine Befugnisse, die ihm das deutsche Insolvenzrecht verleiht, auch in den USA anerkannt werden. Hier stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die USA das deutsche Insolvenzverfahren anerkennen. Mit Wirkung zum 17. Oktober 2005 wird das amerikanische Recht über die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren grundlegend reformiert durch den Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act of 2005. Hiermit wurde ein neuer Chapter 15 in den US Bankruptcy Code eingefügt, der die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren in den USA wesentlich erleichtert. Ziele der Reform Die Ziele der Reform sind auf internationale Aspekte gerichtet. Es geht um eine Verbesserung der Kooperation in- und ausländischer Verwalter sowie eine gerechte und effiziente Verwaltung von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren, die die Interessen aller Gläubiger und anderer Beteiligter schützt. Die Reform soll aber auch eine größere Rechtssicherheit für den Wirtschaftsverkehr und die Investoren schaffen, bei gleichzeitiger Sicherung und Wertmaximierung der Insolvenzmasse. Mit verbesserten Restrukturierungsmöglichkeiten von finanziell angeschlagenen Unternehmen sollen Investments und Arbeitsplätze geschützt werden. Als Vorlage diente das von der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) entworfene und von der Vollversammlung der UN bereits im Jahr 1997 verabschiedete “UNCITRAL model law” zu grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren. Das “UNCITRAL model law” enthält Parallelen zu der seit 31. Mai 2002 geltenden Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO), die die gegenseitige Anerkennung von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren innerhalb der Europäischen Union regelt. Verstöße Das Anerkennungsverfahren in den USA wird durch den Insolvenzverwalter des ausländischen Insolvenzverfahrens eingeleitet. Eine Anerkennung kann nach dem neuen US-Recht nur noch dann versagt werden, wenn damit gegen zentrale Grundsätze der amerikanischen Rechtsordnung (“ordre public”) oder gegen Staatsverträge der USA verstoßen würde. Dies ist eine wesentliche Änderung gegenüber dem früheren Recht, nach dem der US-Richter bei der Entscheidung über die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens einen Ermessensspielraum hatte. Auch wurden die vormals bestehenden weitergehenden Voraussetzungen, wie z. B. dass amerikanische Gläubiger besonders geschützt werden müssen, gestrichen. In einem Verfahren nach Chapter 15 haben ausländische Gläubiger nunmehr die gleichen Rechte wie US-Gläubiger. Haupt- und Nebenverfahren Das US-Gericht erkennt das ausländische – zum Beispiel deutsche – Insolvenzverfahren entweder als ausländisches Hauptverfahren (“foreign main proceeding”) oder als ausländisches Nebenverfahren (“foreign nonmain proceeding”) an. Die Anerkennung als Hauptverfahren setzt voraus, dass das Insolvenzverfahren nach der Beurteilung des US-Gerichts in dem Land eröffnet wurde, in dessen Territorium der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners liegt. Alle weiteren ausländischen Insolvenzverfahren können in den USA nur als Nebenverfahren anerkannt werden. Voraussetzung für die Anerkennung als Nebenverfahren ist, dass das insolvente Unternehmen in dem Staat, in dem das Nebenverfahren eröffnet wurde, eine “Niederlassung” unterhält. Dies ist der Fall, wenn nicht nur vorübergehend wirtschaftliche Aktivitäten in den USA ausgeübt werden. Rätseln um Fall Parmalat Abzuwarten bleibt, wie die US-Gerichte mit einem Fall wie Parmalat, in dem bezüglich der irischen Tochtergesellschaft Eurofood parallele Hauptverfahren sowohl in Italien als auch in Irland eröffnet wurden, umgehen werden. Im Fall Eurofood haben sowohl die irischen als auch die italienischen Gerichte angenommen, dass in ihrem Territorium der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen liegt. Auf europäischer Ebene wird dieses Problem zurzeit vor dem Europäischen Gerichtshof geklärt. Ausschlaggebende Kriterien dürften hier wie auch unter Chapter 15 sein, von wo aus die Gesellschaft aus der Sicht von Dritten, insbesondere der Gläubiger, geleitet wurde, von wo aus das Tagesgeschäft abgewickelt wurde und von welchem Staat aus das Unternehmen seine Finanzierung erhalten hat.Wenn ein US-Gericht ein Hauptverfahren anerkennt, kommen die Verfahrenswirkungen denen eines amerikanischen Insolvenzverfahrens sehr nahe. Insbesondere tritt der sogenannte “automatic stay” für das gesamte Vermögen des insolventen Unternehmens in den USA ein. Das bedeutet, dass Gläubiger nicht mehr in das Vermögen des insolventen Unternehmens vollstrecken können. Anhängige Rechtsstreitigkeiten des Schuldners in Bezug auf amerikanisches Vermögen werden unterbrochen. Anfechtungsansprüche Der ausländische Insolvenzverwalter hat außerdem die Befugnis, das US-Unternehmen fortzuführen. Das US-Gericht kann ihn auch dazu ermächtigen, das Vermögen des insolventen Unternehmens in den USA zu verwalten oder zu verwerten. Der Verwalter kann sogar die erzielten Erlöse verteilen, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass die Interessen der US-Gläubiger ausreichend gewahrt sind. Auch kann der ausländische Verwalter in den USA Anfechtungsansprüche geltend machen, um nachteilige Vermögensverschiebungen des Schuldners rückgängig zu machen. Um den Sachverhalt aufzuklären, kann der Verwalter einen Gerichtsbeschluss erwirken, um Zeugen zu vernehmen und Informationen über den Schuldner zu erlangen. Der ausländische Verwalter kann in den USA klagen und verklagt werden, sowie in Gerichtsverfahren intervenieren, soweit das insolvente Unternehmen als Kläger oder Beklagter beteiligt ist. Bei einem Nebenverfahren steht es im Ermessen des Gerichts, einen “automatic stay” oder andere Sicherungsmaßnahmen anzuordnen.In Zukunft soll jedes US-Gericht so weit wie möglich mit den ausländischen Gerichten und Verwaltern kooperieren. Es kann insbesondere direkt mit dem ausländischen Insolvenzgericht oder Verwalter Kontakt aufnehmen und Informationen austauschen, soweit dadurch die Rechte der betroffenen Parteien nicht beeinträchtigt werden. Sogar eine Kooperation und direkte Kommunikation zwischen einem US-amerikanischen Verwalter und einem ausländischen Gericht bzw. Verwalter unter der Kontrolle des amerikanischen Gerichts ist vorgesehen. Die US-Gerichte haben einen weiten Entscheidungsspielraum, welche Informationen auf welchem Wege ausgetauscht werden. Für den Fall, dass mehrere ausländische Verfahren anhängig sind, sollen Entscheidungen harmonisiert werden. Bewertung und Ausblick Die USA haben mit der Implementierung des “UNCITRAL model law” ein modernes internationales Insolvenzrecht eingeführt. Dieses könnte auf dem Wege einer fortschreitenden Globalisierung helfen, grenzüberschreitende Insolvenzverfahren effektiver abzuwickeln und damit Arbeitsplätze zu retten und die internationalen Finanzmärkte zu stärken. Insbesondere die Regelungen über die Koordination in- und ausländischer Verfahren und die Kooperation zwischen Verwaltern und Gerichten sollten dazu beitragen, dass grenzüberschreitende Insolvenzverfahren effizienter abgewickelt weren. *) Dr. Heiko Tschauner ist Rechtsanwalt im Münchener Büro der internationalen Sozietät Lovells.