Recht und Kapitalmarkt

USA wollen multinationale Konzerne höher besteuern

US-Unternehmen müssen sich auf geringere Vergünstigungen aus Auslandsaktivitäten vorbereiten - Alternativen gegeben

USA wollen multinationale Konzerne höher besteuern

Von Hilary Foulkes *) Im Rahmen ihrer Suche nach neuen Einkommensquellen hat die Obama-Administration Vorschläge für neue gesetzgeberische Maßnahmen vorgelegt, die multinationale Konzerne betreffen. Nach Schätzungen der US- Regierung würde die Umsetzung zu Mehreinnahmen von über 100 Mrd. Dollar innerhalb von zehn Jahren führen. Angesichts der Lage der US-Staatsfinanzen wird der Kongress 2011 wahrscheinlich diese Gesetzesvorschläge, gegebenenfalls mit diversen Änderungen, beschließen.Nach geltendem US-amerikanischem internationalen Steuerrecht können multinationale US-Unternehmen Zinszahlungen aus in den USA aufgenommenen Krediten auch dann steuerlich geltend machen, wenn diese Kredite sich auf ausländische Unternehmensteile beziehen. Gleichzeitig sind, obwohl die weltweiten Einkünfte multinationaler US-Konzerne grundsätzlich der Besteuerung in den USA unterliegen, aktive Einkünfte nicht US-amerikanischer Konzerngesellschaften nicht in den USA zu versteuern, es sei denn, diese Einnahmen werden in Form einer Dividende an einen US-Gesellschafter ausgezahlt.Passive Einkünfte einer nicht US-amerikanischen Konzerngesellschaft werden zum Zeitpunkt, zu dem sie erwirtschaftet werden, wie Dividenden an einen US-Gesellschafter behandelt. Nach Erhalt einer Dividende einer nicht US- Konzerngesellschaft kann die US-Gesellschaft einen Tax Credit, eine Rückerstattung, auf von der Konzerngesellschaft im Ausland auf das Einkommen gezahlte Steuern beantragen.Die Vorschläge der Obama-Administration zur internationalen Besteuerung sollen generell eine Einschränkung der Vergünstigungen durch das Auslandssteuerrückerstattungssystem sowie die Abgrenzung von US-Steuern auf Auslandseinkünfte der in den USA ansässigen multinationalen Unternehmen bewirken. Die erklärten Ziele beinhalten die Einbeziehung von Off-Shore Einkommen in das US-Steuersystem sowie die Beseitigung der gegenwärtigen Anreize von Off-Shore-Geschäftsaktivitäten.Die grundsätzlichen Vorschläge beinhalten folgendes:- Verbot von Zinsabzügen: Den in den USA ansässigen multinationalen Unternehmen würden Zinsabzüge verwehrt, soweit diese proportional ihren weltweiten Zinsausgaben gemessen am Anteil ihrer weltweiten nicht der US-Steuer unterliegenden Einnahmen entsprechen.- “Pooling” von Auslandssteuern: Gegenwärtig gibt es für ein multinationales US-Unternehmen einen Anreiz, Einkünfte aus Steuersystemen mit hoher Abgabenbelastung in die USA zu überführen, da dies die verfügbaren Auslandssteuerrückerstattungen maximieren würde. Umgekehrt hat der US-Steuerzahler ein Interesse, Einkünfte aus Steuersystemen mit niedriger Abgabenbelastung im Ausland zu belassen. Nach den neuen Regelungen würden Auslandssteuerrückerstattungen aufgrund von Dividendenzahlungen einer ausländischen Tochter an eine US-Mutter nach dem für den in den USA ansässigen weltweit agierenden Konzern anfallenden durchschnittlichen ausländischen Steuersatz berechnet, und nicht mehr nach den tatsächlich für die die Dividende zahlende ausländische Tochtergesellschaft berechneten Steuern.- Besteuerung von “überschießenden” Einnahmen aus übertragenen immateriellen Vermögensgegenständen: Überträgt ein US-Konzern immaterielle Güter an eine nicht in den USA ansässige Konzerngesellschaft, die einem niedrigeren Steuersatz unterliegt, unterlägen die “überschießenden” Einnahmen der Auslandsgesellschaft aus den übertragenen Immaterialgütern bei dem US-Konzern künftig der Beststeuerung.Diese Vorhaben würden in vielen Fällen den Wert von Auslandsbeteiligungen für in den USA ansässige Gesellschaften reduzieren. Da die Vorhaben jedoch keine Auswirkungen auf Auslandsbeteiligungen nicht in den USA ansässiger Unternehmen hätten, würden in einigen Fällen Auslandsbeteiligungen multinationaler US-Unternehmen einen höheren Wert für nicht amerikanische Unternehmen haben als für US-Unternehmen. Angesichts dieser möglichen Entwicklung suchen multinationale US-Unternehmen Alternativen zur möglichen Minimierung der Auswirkungen der Gesetzesvorhaben, falls diese in Kraft treten.Unter den derzeit dazu diskutierten Alternativen gibt es verschiedene, die M & A-Transaktionen betreffen würden:1. Umwandlung in eine Auslandsgesellschaft Ein multinationales US-Unternehmen kann seinen Sitz in ein anderes Rechtssystem verlagern, wenn seine Gesellschafter ihre Aktien gegen Aktien einer ausländischen Holdinggesellschaft tauschen. Zweck dieser Maßnahme ist, die Muttergesellschaft dem US-Steuersystem zu entziehen; dabei erfolgt üblicherweise eine Restrukturierung, bei der Teile des oder das gesamte Auslandsgeschäft aus der alten US-Muttergesellschaft ausgegliedert werden. Gegenwärtig wird eine neu erworbene nicht amerikanische Muttergesellschaft generell als US-Gesellschaft angesehen, wenn (1) nach der Akquisition die ehemaligen Gesellschafter der US-Gesellschaft mindestens 80 % der Aktien der nicht amerikanischen Muttergesellschaft halten, und (2) die nicht amerikanische Muttergesellschaft keine wesentliche Präsenz an ihrem Gründungssitz hat. Eine Umwandlung kann auch zu Steuerlasten auf Gesellschafter- und Gesellschaftsebene führen. Ein aktuelles Beispiel für eine Umwandlungstransaktion war die Sitzverlegung des Offshore-Bohrunternehmens Ensco International von den USA nach Großbritannien. Eine Anzahl weiterer US-Unternehmen erwägt eine entsprechende Sitzverlegung vorzunehmen.2. Erwerb einer wesentlichen nicht US-amerikanischen Gesellschaft gegen Aktien Eine US-Gesellschaft, die die Akquisition eines großen nicht US-amerikanischen Unternehmens in Erwägung zieht, könnte die Akquisition als Mittel zur Sitzverlegung nutzen. Beispielsweise könnte man eine neue Holdinggesellschaft außerhalb der USA gründen, die die Aktien sowohl der US-Gesellschaft als auch der nicht US-Gesellschaft von deren jeweiligen Gesellschaftern gegen Aktien der nicht US-Muttergesellschaft erwirbt. Wenn der Wert der nicht US-amerikanischen Gesellschaft mehr als 25 % des Wertes der US-Gesellschaft beträgt, finden die oben beschriebenen Anti-Umwandlungs-Regeln zur (steuerlichen) Behandlung der nicht US-amerikanischen Gesellschaft als US-Gesellschaft keine Anwendung (da die ehemaligen US-Gesellschafter weniger als 80 % der Aktien der neuen Muttergesellschaft halten würden). Ein möglicher Nachteil dieser Struktur könnte eine Gewinnrealisierung mit Steuerfolge auf US-Gesellschafterebene sein.3. Erwerb eines wesentlichen Geschäftsbereichs einer nicht US-amerikanischen Gesellschaft gegen Aktien Gleichermaßen könnte eine US-Gesellschaft ihren Sitz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Vermögenswerten oder Aktien einer nicht US-amerikanischen Tochter verlegen. Wiederum könnte eine nicht US-amerikanische Muttergesellschaft zum Erwerb sowohl der Aktien der US-Gesellschaft als auch der Vermögensgegenstände oder Aktien an einer nicht US-amerikanischen Tochtergesellschaft gegen Aktien der neuen nicht US-amerikanischen Muttergesellschaft gegründet werden. Der Wert der erworbenen Vermögensgegenstände oder Aktien müsste mehr als 25 % des Wertes der US-Muttergesellschaft betragen, um die oben beschriebenen Anti-Umwandlungs-Regeln zu umgehen. Die nicht US-amerikanische Gesellschaft könnte diese Aktien im Laufe der Zeit abverkaufen.4. Verkauf oder Abspaltung von nicht zum Kerngeschäft gehörenden, nicht in den USA gelegenen Vermögensgegenständen oder Tochtergesellschaften Anstatt zu versuchen, die Jurisdiktion, der ein US-Unternehmen unterliegt, zu verändern, kann dieses seine nicht in den USA belegenen Vermögensgegenstände oder Tochtergesellschaften, die nicht zu seinem Kerngeschäft gehören, an einen nicht in den USA ansässigen Erwerber abspalten oder veräußern. Die Ausnutzung der relativen Wertunterschiede für US- und Nicht-US-Eigentümer würde vermutlich Transaktionen in diesem Gebiet begünstigen.—-*) Hilary Foulkes ist Partner bei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom in Frankfurt.