Veränderte Rahmenbedingungen für öffentliche Umplatzierungen
– Herr Dr. Meyer-Landrut, der BGH hat im Rechtsstreit Telekom gegen KfW entschieden, dass nicht der Emittent, sondern der Großaktionär die Risiken aus einer Umplatzierung zu tragen hat – ein Sonderfall?Ein Sonderfall insofern, als eine ausschließliche Umplatzierung von Aktien eines bereits börsennotierten Unternehmens durch ein öffentliches Angebot in diesem Umfang eher selten ist. Man findet sie vor allem – wie hier – bei Privatisierungen. Ansonsten werden solche Aktien eher durch Privatplatzierungen an institutionelle Investoren oder Paketverkauf umplatziert. Häufiger anzutreffen sind öffentliche Umplatzierungen bei Börsengängen.- Warum beruft sich das Gericht auf das Verbot der Einlagenrückgewähr?Das Verbot der Einlagenrückgewähr dient dem Gläubigerschutz und soll eine Aushöhlung des Gesellschaftsvermögens verhindern. Die Telekom hatte “unentgeltlich und kostenerstattungsfrei” einen Verkaufsprospekt erstellt, der ausschließlich der Umplatzierung von Aktien der KfW diente, und die Prospekthaftung übernommen. Es wurde jedoch keine Freistellungsvereinbarung abgeschlossen. Dadurch ist ihr ein Vermögensnachteil entstanden, der sich in dem Vergleich im Rahmen des Verfahrens zur Prospekthaftung in den USA manifestiert hat. Der deutsche Prospekthaftungsprozess vor dem OLG Frankfurt läuft noch.- Die Telekom ist außen vor?Die Telekom hat nach Auffassung des BGH für diesen Vermögensnachteil keine vollwertige Gegenleistung erhalten. Von dem Prospekt profitierte ausschließlich die KfW, der der gesamte Erlös aus der Umplatzierung der Aktien zufloss. Daher soll nun die KfW den Vermögensnachteil nach § 62 Aktiengesetz ausgleichen. Immer noch im Raume steht übrigens eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des konzernrechtlichen Nachteilsveranlassungsverbots (§ 311 AktG). Noch nicht adressiert wurde schließlich die Frage, inwieweit die Telekom in einem zweiten Schritt möglicherweise oder zum Teil selbst haftet, sofern sie fehlerhafte Prospektangaben selbst zu verantworten hat.- Was ist bei Umplatzierungen künftig zu beachten?Erfolgt eine reine Umplatzierung von bereits börsennotierten Aktien, ohne dass der Gesellschaft zumindest parallel aus einer Kapitalerhöhung Geld zufließt, wird man zukünftig ohne eine Freistellung der Gesellschaft durch den Altaktionär wohl nicht mehr auskommen. Die Ansicht, dass allein allgemeine strategische Vorteile, die der Gesellschaft aus einer Umplatzierung entstehen, eine ausreichende Gegenleistung für die Prospekthaftung des Emittenten sein können, dürfte sich damit erledigt haben.- Wie sieht es bei Börsengängen aus, wenn sich Altaktionäre von Anteilen trennen?Ob der Börsengang einer Gesellschaft allein ein ausreichender Vorteil der Gesellschaft ist, um die Prospekthaftung zu übernehmen, wenn ausschließlich bestehende Aktien von Altaktionären angeboten werden, ist nach der Entscheidung des BGH zweifelhaft und müsste jedenfalls sehr sorgfältig begründet werden. Für den relativ häufigen Fall, dass Aktien von Altaktionären und junge Aktien gleichzeitig angeboten werden, dürfte es hingegen auch unter Berücksichtigung des neuen BGH-Urteils im Bezug auf die Prospekthaftung keine praktischen Auswirkungen geben. Denn in diesem Fall muss schon für die jungen Aktien der Gesellschaft ein Prospekt erstellt werden.- Sind interne Freistellungsvereinbarungen bislang nicht üblich?Die Vereinbarung zwischen Konsortialbanken, Gesellschaft und Altaktionären im Vorfeld einer öffentlichen Umplatzierung enthält praktisch immer eine Pflicht der Gesellschaft zur Freistellung der Banken von der Prospekthaftung im Innenverhältnis. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Altaktionär und der Gesellschaft dürfte bislang weniger verbreitet gewesen sein. Zum einen, weil die Gesellschaft jedenfalls gegenüber einem Großaktionär nicht in der Verhandlungsposition war, eine solche Vereinbarung durchzusetzen, zum anderen, weil die Gesellschaft sich tatsächlich auch eigene Vorteile von der Umplatzierung versprach, erst recht, wenn mit der Umplatzierung auch neue Aktien ausgegeben wurden.—-Dr. Andreas Meyer-Landrut ist Partner von DLA Piper in Köln und spezialisiert auf Gesellschaftsrecht. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.