Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Thomas Prüm

Verbriefung als regulierte Investmentalternative

Aufsichtsrechtlicher Schub birgt auch Chancen - Comeback einer Anlageklasse

Verbriefung als regulierte Investmentalternative

– Herr Dr. Prüm, in den vergangenen Monaten hat der Verbriefungsmarkt wieder deutliche Lebenszeichen gezeigt. Handelt es sich hierbei um ein Strohfeuer oder erste Zeichen für das Wiederentdecken einer mit negativen Assoziationen belasteten Anlageform?Nein, es handelt sich sicher nicht um ein Strohfeuer. Vielmehr entdecken institutionelle Anleger in einem Niedrigzinsumfeld die Verbriefung als eine interessante Anlagealternative wieder. Allerdings ist dieses Phänomen auf bestimmte Segmente des Verbriefungsmarktes, in Deutschland namentlich auf die Verbriefung von Forderungen aus Autofinanzierungen, beschränkt.- Am Anfang der Finanzkrise stehen Verbriefungen. Wieso interessieren sich Investoren wieder für dieses Instrument?Investoren unterscheiden sehr deutlich zwischen der Verbriefung von minderwertigen Forderungen, die diese Finanzkrise mit ausgelöst haben und klassischen Verbriefungen. Die in Europa auch schon vor der Krise gängigen Strukturen haben sich schon immer fundamental von Verbriefungen minderwertiger Immobilienfinanzierungen, dem sogenannten Subprime-Segment, unterschieden. Die Performance von europäischen Verbriefungen war daher schon in der Vergangenheit, was gerne übersehen wird, besser als die von europäischen Unternehmensanleihen.- Trotzdem werden Verbriefungen nunmehr erheblich schärfer reguliert?Das ist richtig und angesichts der schon immer hohen Marktstandards in Europa teilweise auch erstaunlich. Ab dem 1. Januar 2011 werden europaweit weitreichende Verschärfungen in der Regulierung von Verbriefungen eingeführt. Diese Regulierungen betreffen teilweise die Banken, die ihre Forderungen in einer Verbriefung bündeln. In erster Linie richten sich die neuen Regularien aber an Investoren.- Welche Arten von Investoren werden reguliert?Der europäische Gesetzgeber und ihm in der Umsetzung folgend der deutsche Gesetzgeber reguliert zunächst nur Kreditinstitute, die in Verbriefungen investieren. Allerdings werden auch weitere wichtige Investorenklassen in absehbarer Zukunft in vergleichbarer Weise reguliert werden.- Welche?Beispielsweise werden für Versicherungen unter dem Regime von Solvency II vergleichbare Regulierungen eingeführt werden. Nach einem Grünbuch der Kommission sollen diese Regulierungen auch auf Pensionskassen ausgedehnt werden. Zudem findet sich in einer europäischen Richtlinie, die eine Regulierung für bislang unregulierte Fonds einführen wird, eine vergleichbare Vorgabe. Auch bei der Neufassung der Regulierung für regulierte Fonds ist davon auszugehen, dass vergleichbare Regulierungen implementiert werden. Den Stand der europäischen Gesetzgebung kann man damit einfach zusammenfassen: Nahezu alle für Verbriefungen relevanten Investorenklassen werden in der Zukunft reguliert werden.- Ab welchem Datum gelten diese Regulierungen?Die Regulierungen für Banken werden ab Beginn nächsten Jahres gelten, die für Versicherungen und Fonds später. Allerdings sehen die entsprechenden Richtlinien vor, dass die Investmentrestriktionen einheitlich für Investitionen in ab dem 1. Januar 2011 emittierte ABS gelten. Dies heißt, dass Versicherungen oder Fonds nach Umsetzung der Regulierungsvorschriften in Verbriefungen nicht investieren können, die ab dem 1. Januar 2011 nicht in der Form emittiert worden sind, die in dem heutigen Regelwerk vorgesehen ist.- Wie sehen die Regulierungen aus?Im Kern werden Investoren Analysepflichten auferlegt und den verbriefenden Banken korrespondierende Reporting-Pflichten. Weiter müssen Investoren sicherstellen, dass die verbriefenden Banken einen Teil des Risikos selbst behalten.- Welche Auswirkungen haben die Neuregelungen auf den Verbriefungsmarkt nach Ihrer Ansicht?Die hinter den Regeln geltenden Grundideen sind sinnvoll und wichtig. Viel wird davon abhängen, wie die Vorgaben von Seiten der Regulierer in Zukunft angewendet werden. Wenn die Aufsicht bei der Klärung der vielfältigen Detailfragen mit Augenmaß agiert, besteht die realistische Chance, dass sich Verbriefungen als ein hoch reguliertes und sicheres Anlageprodukt etablieren.- Und wenn die Anforderungen zu hoch geschraubt werden?Dann besteht das Risiko, dass sich Verbriefungstransaktionen angesichts der Transaktions- und Infrastrukturkosten nicht mehr rentieren. Dies wäre sehr bedauerlich. Verbriefungen bieten Investoren gerade im derzeitigen Marktumfeld ein sehr charmantes Ertrags-Risiko-Profil. Auch für die Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität sind Verbriefungen ein wichtiges Instrument: In der Welt von Basel III werden Handlungsmöglichkeiten von Banken durch erheblich erhöhte Eigenkapitalanforderungen deutlich beschränkt. Verbriefungen ermöglichen den Banken, Eigenkapital sinnvoll freizusetzen und sich damit neue Handlungsoptionen zu schaffen.—-Dr. Thomas Prüm ist Rechtsanwalt bei Ashurst in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.