Recht und Kapitalmarkt

Verbriefungsmarkt besinnt sich seiner Kernfunktion

Refinanzierung im Vordergrund - Wiederbelebung in einzelnen Segmenten - Noch Unklarheiten in der Regulierung

Verbriefungsmarkt besinnt sich seiner Kernfunktion

Von Nick Wittek *)Bis zur Lehman-Pleite im September 2008 waren Verbriefungen nur Finanzmarktspezialisten bekannt. Zwischenzeitlich standen sie im Rampenlicht als Mitverursacher der Krise. Welche Rolle haben Verbriefungen heute, knapp zwei Jahre danach, und in der Finanzwelt von morgen?Bis zur Finanzkrise dienten Verbriefungen Banken und Unternehmen vor allem als Refinanzierungsmittel. Banken bedienten sich zudem dieser Techniken, um Kreditrisiken an den Kapitalmarkt zu übertragen und so ihr sog. regulatorisches Eigenkapital zu entlasten. In dem damals herrschenden Niedrigzinsumfeld waren Verbriefungen aber auch eine attraktive Investmentalternative. Damit einher ging die Entwicklung vom Finanzierungs- hin zum Investmentinstrument mit Spekulationspotenzial. Mit Ausbruch der Finanzkrise kam der Verbriefungsmarkt zum Erliegen, befindet sich aber auf dem Weg der Besserung. Etablierte AssetklasseIn Deutschland dominieren derzeit Verbriefungen von Autofinanzierungen den öffentlichen Markt. Die Bankableger der gängigen Autohersteller nutzten schon vor der Krise Verbriefungen zur Kapitalmarktrefinanzierung. Diese Assetklasse ist bei Investoren etabliert und hat sich auch in der Krise bewährt. Vor anderthalb Jahren haben Autoverbriefungen den deutschen Verbriefungsmarkt erfolgreich reaktiviert.Eine Wiederbelebung gibt es auch bei den sog. Asset-Backed-Commercial-Paper-Programmen, kurz ABCP-Programmen. Bei diesen Programmen werden z. B. Handelsforderungen eines mittelständischen Unternehmens von Verbriefungsgesellschaften angekauft und der Kaufpreis über den Kapitalmarkt refinanziert. Das Unternehmen profitiert von der im Vergleich zum Unternehmenskredit günstigeren Kapitalmarktfinanzierung. In den Vorkrisenjahren wurden diese Programme auch zum Ankauf komplexer und risikoreicher Vermögenswerte genutzt und damit zu Spekulationszwecken missbraucht. Die aktuellen Programme deutscher Banken lassen dies nicht mehr zu und sind auf die Unternehmensfinanzierung fokussiert.Immobilienkredite werden in Deutschland derzeit im Wesentlichen über Pfandbriefe refinanziert. Bei den Verbriefungen von Unternehmensdarlehen sind erste Anzeichen für eine Wiederbelebung erkennbar und stimmen positiv.Der Markt für synthetische Verbriefungen ist derzeit von vereinzelten bilateralen Transaktionen geprägt. Synthetische Verbriefungen dienen Banken zur Entlastung ihres regulatorischen Eigenkapitals. Regulatorisches Eigenkapital ist dasjenige Kapital, das eine Bank als Schutzpuffer vor unerwarteten Verlusten aus von ihr gehaltenen Aktiva, wie z. B. Ausfall des Darlehensnehmers bei Darlehensforderungen, aufsichtsrechtlich vorzuhalten hat. Es umfasst bilanzielles Eigenkapital, aber auch bestimmte langfristig überlassene nachrangige Fremdkapitalin strumente. Faktisch begrenzt die Höhe des regulatorischem Eigenkapitals somit die Geschäftstätigkeit einer Bank.Mit synthetischen Verbriefungen, die mit Kreditversicherungen vergleichbar sind, ist es Banken z. B. möglich, sich gegen die mit einem Darlehen verbundenen Ausfallrisiken auf dem Kapitalmarkt zu versichern. Dabei zahlt die Bank dem Investor eine “Prämie”, d.h. Zinsen. Im Gegenzug ist der Investor verpflichtet, der Bank bei Ausfall eines “versicherten” Darlehens den Schaden in Form des ausgefallenen Kapitalbetrags zu zahlen. Aufgrund der damit verbundenen Risikoentlastung der Bank wird für die abgesicherte Position kein regulatorisches Eigenkapital mehr benötigt und kann stattdessen für neue Geschäftstätigkeiten eingesetzt werden.Während die vom Kapitalmarkt geforderten “Versicherungsprämien” für den Risikotransfer infolge der Finanzkrise sich eine Zeit lang auf einem Niveau bewegten, das diese Art von Transaktion wirtschaftlich unattraktiv machte, zeigt sich auch hier ein Aufwärtstrend.Daraus ergibt sich: Der Verbriefungsmarkt besinnt sich seiner Kernfunktion, der Refinanzierung. Das ist volkswirtschaftlich sinnvoll. Denn der Finanzierungsbedarf der Wirtschaft überschreitet das Finanzierungsvolumen, das von den Banken zur Verfügung gestellt werden kann. Das gilt insbesondere in Anbetracht der zukünftig anstehenden nicht nur kurzfristigen Refinanzierungsvolumina im Unternehmens- aber auch im Immobilienbereich. Über Verbriefungen kann und sollte der Kapitalmarkt zur Refinanzierung sinnvoll eingebunden werden. Neue RegelungenSpannend wird, wie sich die zum 1. Januar 2011 in Kraft tretenden Regelungen zum sog. Risikoeinbehalt bei Verbriefungen auswirken werden, die auf Artikel 122a der sog. Eigenkapitalrichtlinie beruhen.Danach werden bestimmte Initiatoren einer Verbriefungstransaktion indirekt verpflichtet, einen Teil des verbrieften Risikos dauerhaft selbst zurückzubehalten. Damit soll für einen besseren Gleichlauf zwischen den Interessen von Initiatoren und Investoren gesorgt werden. Europäischen Banken, die in eine Verbriefung ohne entsprechenden Risikoeinbehalt investieren, drohen empfindliche Zuschläge bei der Eigenkapitalunterlegung des Investments, sodass mittelbar über die Adressierung der Investoren die Initiatoren zum Risikoeinbehalt verpflichtet werden.Wie bei jeder gesetzlichen Neuregelung gibt es Unklarheiten bei der praktischen Anwendung und Auslegungsschwierigkeiten. Diese beruhen unter anderem darauf, dass die Neuregelung für jede Art von Verbriefungen gilt, die je nach Assetklasse aber sehr unterschiedlich sind. Die Neuregelung ist daher nicht auf jede Verbriefungsform ohne Reibungsverluste anwendbar.Erfreulich ist die engere Zusammenarbeit zwischen Gesetzgeber und Marktteilnehmern, um diese Reibungsverluste zu minimieren. So wurden auf europäischer Ebene z.B. mehrere Auswirkungsstudien durchgeführt und einheitliche europäische Auslegungsrichtlinien durch das Committee of European Banking Supervisors (CEBS) unter verstärkter Einbeziehung der Marktteilnehmer erarbeitet. Deren Beachtung durch nationale Aufsichtsbehörden wurde im Gesetz erstmalig festgeschrieben, um eine europaweit einheitliche Auslegung zu gewährleisten.Im Rahmen dieser Kooperation konnten aber bislang noch nicht alle offenen Fragen gelöst werden. So z. B. die Frage, ob das Einbehaltserfordernis aufgrund der konzernweiten Geltung auch auf nicht europäische Konzerntöchter Anwendung findet und es zu Überschneidungen mit den neuen US-Regelungen zum Risikoeinbehalt kommt.Klärungsbedürftig sind auch die Einzelheiten darüber, in welchem Detailgrad Investoren Informationen beschaffen, die von den Transaktionsbeteiligten zur Verfügung gestellt werden müssen, um neue gesetzliche Monitoring-Pflichten zu erfüllen. Auch hier gibt es Ansätze einer kooperativen Lösung. Die Europäische Zentralbank bemüht sich um eine Standardisierung der offenzulegenden Datensätze für die Verbriefung von grundschuldbesicherten Darlehen. Standardisierungen für weitere Forderungsklassen sind in Planung. Schließlich bedarf es auch noch der Klärung, wie der Risikoeinbehalt bei ABCP-Programmen oder CLO im Detail funktionieren soll.Wünschenswert wäre, dass die noch offenen Fragen der Neuregelung die positiven Anzeichen des Verbriefungsmarktes nicht dämpfen. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn die noch offenen Fragen, insbesondere auch zu ABCP-Programmen und CLO-Transaktionen schnell geklärt werden, um die Refinanzierung von Unternehmen und Unternehmensdarlehen über den Kapitalmarkt zu stärken. RückenwindZu erwarten ist auch, dass die neuen Regelungen verschärfter Kapital- und Liquiditätsanforderungen (Basel III) dazu führen, dass Verbriefungen wieder attraktiver werden. Im Zuge von Basel III wird die Definition von Eigenkapital enger gefasst. Gleichzeitig steigen die Eigenkapitalanforderungen. Hier könnten Verbriefungen bei der gegebenenfalls notwendigen Reduktion von Risikoaktiva oder der Entlastung von Eigenkapital als Alternative zur Beschaffung von neuem Eigenkapital ein sinnvolles Instrumentarium bieten.—-*) Dr. Nick Wittek, LL.B. ist als Partner im Bereich Strukturierte Finanzierungen im Frankfurter Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei White & Case LLP tätig.