Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Christoph von Bülow

Verdeckter Beteiligungsaufbau bleibt möglich

Seit 1. März sind Änderungen in den Offenlegungspflichten zu beachten

Verdeckter Beteiligungsaufbau bleibt möglich

– Herr Dr. von Bülow, die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten sind weiter in der Diskussion. Welche Änderungen hat es gegeben?Mit dem Risikobegrenzungsgesetz vom August 2008 wurden auch die Offenlegungspflichten hinsichtlich Optionsrechten und Lieferansprüchen auf Aktien börsennotierter Gesellschaften verschärft. Nach der Neuregelung ist für die Frage, ob eine bestimmte Meldeschwelle erreicht wird, die Summe aus den bereits gehaltenen Stimmrechten plus der noch hinzuerwerbbaren Stimmrechte maßgeblich. Zuvor wurden die Stimmrechte aus Aktienbestand und zu liefernden Aktien vollständig getrennt behandelt. – Das heißt?So konnte jemand “meldefrei” 2,99 % der stimmberechtigten Aktien und zusätzlich Optionsrechte über knapp unter 5 % der Stimmrechte erwerben. Der Gesetzgeber wollte ein schnelleres Erreichen der Eingangsmeldeschwelle von 5 % sicherstellen. Die Neuregelung ist am 1. März 2009 in Kraft getreten. Bestandsmeldungen sind allerdings nicht erforderlich. – Ist jetzt noch ein verdeckter Beteiligungsaufbau möglich?Auch mit der neuen Regelung bleibt Gestaltungsspielraum. Natürlich haben potenzielle Bieter ein meines Erachtens völlig legitimes Interesse daran, ihre Karten so spät wie möglich auf den Tisch legen zu müssen. Unstreitig ist beispielsweise, dass auch weiterhin der Erwerb von Derivaten, die ausschließlich auf Barausgleich gerichtet sind, wie etwa Total Return Equity Swaps, keine Mitteilungspflichten auslöst. Denn in diesen Fällen besteht gerade kein Anspruch auf Lieferung der betreffenden Aktien. Der Vertragspartner muss sich zwar gegen sein Risiko aus dem Derivat absichern. Dazu muss er aber nicht die betreffenden Aktien physisch erwerben. Er kann sich auch selbst wieder durch Derivate absichern. In keinem Fall ist er jedenfalls verpflichtet, als Hedge gehaltene Aktien letztendlich an den Berechtigten weiterzuveräußern. Daher besteht auch weiterhin keine entsprechende Offenlegungspflicht. – Aber liegt es nicht nahe, dass die Gegenpartei genau die Interessen des Erwerbers kennt und in seinem Sinn handeln wird?Das mag so sein, muss es aber nicht. Entscheidend ist, was das Gesetz sagt, und dieses stellt auf einen Lieferanspruch ab. Das könnte der Gesetzgeber natürlich ändern, indem er auch Offenlegungspflichten für Instrumente einführt, die jemanden rein wirtschaftlich an der Wertentwicklung einer Aktie beteiligen. Ich hielte dies aber für zu weitgehend. Man könnte allenfalls daran denken, solche Positionen im Kontext von Übernahmeangeboten zu berücksichtigen. Denn hier geht es auch um die Gleichbehandlung der Aktionäre. – Gibt es weitere Möglichkeiten zum unbemerkten Positionsaufbau?Nach der bisherigen Verwaltungspraxis der BaFin sind auch Lieferansprüche aus Wertpapierleihgeschäften oder Repos nicht mitteilungspflichtig. Die BaFin hat zwar jüngst angekündigt, diese Verwaltungspraxis aufgeben zu wollen. Sie würde sich damit aber jedenfalls hinsichtlich der Wertpapierleihe auf dünnem Eis bewegen. Denn dann müsste man diese als “Derivat” ansehen. Das scheint mir kaum möglich. Die BaFin kann nicht Defizite in der Gesetzgebung wettmachen. – Was ist mit sogenannten Irrevocables? Im Vorfeld öffentlicher Übernahmeangebote abgegebene Verpflichtungen zur Annahme des Angebots lösen nur in Ausnahmefällen Mitteilungspflichten des potenziellen Bieters aus. Denn auch in diesen Fällen fehlt es an einem Lieferanspruch. Entsprechend sind auch bislang in einschlägigen Fällen Offenlegungen vor Abgabe des Angebots unterblieben. – Wird es weitere neue Mitteilungspflichten geben?Ab 31. Mai 2009 müssen wesentliche Aktionäre von börsennotierten Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen die mit ihrer Investition verfolgten Ziele und die Herkunft der von ihnen dafür verwendeten Mittel offenlegen. Es ist allerdings zu erwarten, dass wir insoweit weitgehend standardisierte Mitteilungen sehen werden. – Gilt die Offenlegungspflicht auch für bestehende Beteiligungen?Nein. Die Vorschrift erfasst keine Altfälle. Nur dann, wenn ein Aktionär nach dem 31. Mai 2009 die Stimmrechtsschwelle von 10 % oder eine höhere Schwelle erreicht oder überschreitet, muss er eine entsprechende Mitteilung machen. Die Hauptversammlung kann jedoch jederzeit beschließen, dass die Offenlegungspflicht bei der Gesellschaft nicht zur Anwendung kommt. – Welche Folgen hat eine Verletzung der neuen Pflichten? Die Verletzung von Mitteilungspflichten über gehaltene Stimmrechtsanteile führt generell zum Rechtsverlust aus den Aktien. Bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln erstreckt sich dieser nunmehr sogar auch auf einen Zeitraum von sechs Monaten, nachdem korrekt gemeldet wurde. Damit wird dem verdeckten Beteiligungsaufbau unter bewusster Verletzung von Mitteilungspflichten zu Recht ein Riegel vorgeschoben. Für die Verletzung von Offenlegungspflichten im Hinblick auf Optionsrechte und Lieferansprüche gilt dies jedoch nicht. In diesem Fall greifen jedoch die allgemeinen Sanktionen für Verletzung kapitalmarktrechtlicher Offenlegungspflichten ein. – Spricht etwas gegen die weitere Verschärfung von Transparenzregeln?Grundsätzlich nein. Ein Mehr an Information schafft aber nicht notwendigerweise auch zusätzliche Transparenz. Man sollte daher nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Umfangreichere Mitteilungspflichten bedingen zum Beispiel auch höhere Compliance-Kosten, insbesondere bei Kreditinstituten. Sie dürften auch dazu führen, dass Übernahmevorhaben für Bieter risikoreicher und kostspieliger werden. Hier muss ein fairer Ausgleich gefunden werden. Die wirtschaftlichen Interessen von Leerverkäufern oder spekulativen Trittbrettfahrern dürfen jedenfalls nicht als Maßstab gelten.Dr. Christoph von Bülow ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.