Vereinfachte Aktienplatzierung in den USA
Anlässlich ihres Börsengangs gab die Air Berlin plc Aktien nicht nur öffentlich in Deutschland, sondern auch an institutionelle Anleger im Ausland aus. Für eine solche Privatplatzierung von Aktien in den USA gelten vereinfachte Bestimmungen. – Herr Dr. Hutter, was müssen Unternehmen, die Aktien in den USA platzieren wollen, beachten?Grundsätzlich müssen Emittenten, die Wertpapiere in den USA anbieten wollen – egal, ob im Zusammenhang mit einem Börsengang, einer Sekundärplatzierung oder einem Umtauschangebot für eine Übernahme -, diese zunächst registrieren lassen. Die Registrierung ist recht aufwendig, da der Emittent einen umfassenden Registrierungsantrag bei der amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde, der Securities and Exchange Commission (SEC), zur Genehmigung einreichen muss. Für bestimmte Wertpapiere und für bestimmte Arten von Platzierungen sieht das US-amerikanische Wertpapierrecht aber eng definierte Ausnahmen von der Registrierungspflicht vor. – Wie sieht es speziell bei einer Privatplatzierung aus? Air Berlin hat, wie andere große deutsche Emittenten in der Vergangenheit, von der Möglichkeit einer Privatplatzierung ihrer Aktien in den USA nach Rule 144A des Securities Act von 1933 Gebrauch gemacht, die das Angebot und den Verkauf von Wertpapieren an sogenannte qualifizierte institutionelle Käufer (Qualified Institutional Buyers) ohne Registrierung mit der SEC gestattet. Im Wesentlichen sind QIB juristische Personen, die über Wertpapiere im Gesamtwert von mindestens 100 Mill. Dollar verfügen, beziehungsweise bestimmte Finanzdienstleister, die bei Wertpapiergeschäften im Namen und für Rechnung einer solchen juristischen Person handeln. – Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, um Aktien in den USA privat platzieren zu dürfen? Die Voraussetzungen für eine Privatplatzierung in den USA nach Rule 144A sind verhältnismäßig einfach. Wichtig ist, dass im Zusammenhang mit der Platzierung in den USA weder direkt noch indirekt der dortige Markt für die Wertpapiere konditioniert wird, da dies ein öffentliches Angebot darstellen und somit zur Registrierungspflicht führen würde. Die angebotenen Aktien dürfen auch nicht zugleich an einer US-amerikanischen Börse gehandelt werden (was bei Air Berlin nicht der Fall war). Daneben gibt es noch einige weitere technische Erfordernisse, deren Einhaltung aber sehr einfach ist. So muss etwa Air Berlin künftig den US-amerikanischen Investoren die gleichen Informationen zur Verfügung stellen, die auch den Aktionären in Europa zur Verfügung gestellt werden. – Wie konnten die strengen US-amerikanischen Publizitätsbeschränkungen mit der umfassenden Werbekampagne von Air Berlin in Einklang gebracht werden? Die US-amerikanischen Publizitätsbeschränkungen untersagen alle direkten und indirekten Handlungen, die als Werbemaßnahmen, allgemeine Verkaufsbemühungen oder anderweitige Marktkonditionierung in den USA angesehen werden können – sei es durch Pressemitteilungen, Medieninterviews oder Veröffentlichungen im Internet. Diese Beschränkungen standen beim Börsengang von Air Berlin in der Tat in einem sehr schwierigen und komplexen Spannungsfeld angesichts des großen Publizitätsbedürfnisses rund um das öffentliche Angebot und die proaktive Imagewerbekampagne der Gesellschaft in Deutschland. – Wer schaut sich das an?Wie bei derartigen Transaktionen üblich, prüfte ein Clearing Committee, das sich aus Vertretern der Gesellschaft sowie der begleitenden Banken und Anwaltskanzleien zusammensetzte, die Rechtmäßigkeit aller Publikationen. Darüber hinaus wurden alle Printmedien sowie das Internet mit marktüblichen Warnhinweisen und Zugangsbeschränkungen versehen. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass sich die US-amerikanischen Publizitätsbeschränkungen nicht mehr wesentlich von den Beschränkungen unterscheiden, die seit der Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie auch in Europa gelten. – Welchen Vorteil hat ein Unternehmen von einer Privatplatzierung von Aktien in den USA? Bei größeren internationalen Aktienplatzierungen ist es üblich und wichtig, dass ein Emittent auch große US-amerikanische institutionelle Investoren im Rahmen des Bookbuilding anspricht und als künftige Aktionäre zu gewinnen versucht. Der Einstieg mehrerer großer US-amerikanischer institutioneller Investoren im Rahmen einer internationalen Aktienplatzierung gilt nach wie vor als Gütesiegel und führt oft zu einer wesentlichen zusätzlichen Dynamik im Orderbuch. Nicht zu unterschätzen ist auch der Vorteil, den eine Gesellschaft nach Abschluss der Transaktion aus dem laufenden Dialog mit großen und sachkundigen US-amerikanischen institutionellen Investoren hat. – Wie sehen Sie die Zukunft von Aktienplatzierungen in den USA angesichts des sich dort immer weiter verschärfenden Regelwerks? Die Platzierung nach Rule 144A ermöglichte es Air Berlin, im Rahmen des Börsengangs große US-amerikanische institutionelle Investoren mit einzubeziehen, ohne sich den dortigen strengen US-wertpapierrechtlichen Bestimmungen, etwa dem Sarbanes-Oxley Act, unterwerfen zu müssen. Es ist einer der großen Vorteile einer Privatplatzierung von Aktien in den USA, dass es – außer gewissen Publizitätsbeschränkungen – praktisch keine materiellen Hürden zu überwinden gibt. – Und das heißt für die Praxis?In der Praxis kann also ein nach der EU-Prospektrichtlinie erstellter Prospekt für ein öffentliches Angebot in Deutschland mit wenigen Zusatzänderungen auch für eine Privatplatzierung nach Rule 144A in den USA verwendet werden, wie ganz allgemein die europäischen wertpapierrechtlichen Bestimmungen, inklusive betreffend das Verbot der unzulässigen Marktkonditionierung sowie die einschlägigen Prospekthaftungsregeln, nunmehr weitgehend an die seit Jahren geltende entsprechende US-amerikanische Rechtslage angenähert wurden. – Ihre Schlussfolgerung?Damit werden meines Erachtens US-Privatplatzierungen nach Rule 144A – zumindest bei größeren internationalen Aktienkapitalmarkttransaktionen deutscher Unternehmen – auch in Zukunft von großer Bedeutung sein. Dr. Stephan Hutter ist Managing Partner der Anwaltssozietät Shearman & Sterling LLP in Frankfurt.Die Fragen stellte Walther Becker.