Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Hans Diekmann

Vereinfachter Squeeze-out dürfte Verfahren nur schwer beschleunigen

Nach EU-Übernahmerichtlinie Herausdrängen ohne HV-Beschluss möglich

Vereinfachter Squeeze-out dürfte Verfahren nur schwer beschleunigen

– Herr Dr. Diekmann, was ändert sich mit der Übernahmerichtlinie in Bezug auf den Squeeze-out?Bisher wird ein Squeeze-out durchgeführt nach Beschluss der Hauptversammlung (HV) und Eintragung im Handelsregister. Durch die EU-Übernahmerichtlinie und das im Entwurf vorliegende Gesetz der Bundesregierung kann ein Squeeze-out demnächst ohne HV-Beschluss im Anschluss an ein Übernahme- oder Pflichtangebot durchgeführt werden. – Was sind die wesentlichen Anforderungen?Wesentliche Anforderung ist, dass der Bieter nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot über mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals oder über mindestens 95 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft verfügt. – Wie ist das Verfahren für den Squeeze-out ohne HV-Beschluss im Einzelnen ausgestaltet?Der Bieter stellt innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist einen Antrag beim Landgericht Frankfurt am Main. In diesem Antrag legt er die angemessene Barabfindung dar, zu der er die restlichen Aktien erwerben möchte. Das Landgericht Frankfurt muss dann über diesen Antrag entscheiden. Mit rechtskräftiger Entscheidung gehen die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Bieter über. – Wie wird der Preis im Rahmen des Squeeze-out bestimmt?Grundsätzlich hat der Preis angemessen zu sein. Es ist daher wohl davon auszugehen, dass er – wie beim Squeeze-out, der von der Hauptversammlung beschlossen wird – unter Berücksichtigung der Grundsätze des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW S1) bestimmt wird. Dies bedarf einer detaillierten Analyse – wie sie aus den Squeeze-out-Verfahren bekannt ist. Hierfür ist die Drei-Monats-Frist nach Ablauf der Annahmefrist, währenddessen der Antrag bei Gericht zu stellen ist, eher knapp gemessen, um die Bewertungsarbeiten in der Regel unter Hinzunahme eines Bewertungsgutachters durchzuführen und den Abfindungspreis festzulegen. Nur wenn der Bieter aufgrund des vorhergehenden Übernahme- oder Pflichtangebots Aktien in Höhe von mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat, gilt – qua Gesetz – die im Rahmen dieses Angebots gewährte Gegenleistung als angemessen. – Welche Rechte haben die Minderheitsaktionäre? Minderheitsaktionäre können gegen die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt sofortige Beschwerde erheben, über die das Oberlandesgericht Frankfurt zu entscheiden hat. Die sofortige Beschwerde kann insbesondere darauf gestützt werden, dass die Abfindung nicht angemessen ist und aus Sicht der Minderheitsaktionäre zu niedrig ausfällt. – Wird der Squeeze-out trotz gegebenenfalls erhobener Beschwerde von Minderheitsaktionären durchgeführt?Nein. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Das heißt, der Squeeze-out wird erst durchgeführt, wenn über die Beschwerde rechtskräftig entschieden ist. – Was heißt dies für die Praxis?Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass ein Squeeze-out auch ohne Beschluss der Hauptversammlung und damit in vereinfachter Form möglich ist. Es bestehen aber erhebliche Zweifel, ob es durch das vereinfachte Verfahren zu einer schnelleren – vom Gesetz angedachten – Umsetzung des Squeeze-out kommt. Denn der Squeeze-out wird erst wirksam nach rechtskräftigem Abschluss des Antragsverfahrens. Im Rahmen dieses Verfahrens ist die Angemessenheit der Barabfindung zu überprüfen – wenn nicht (was in der Regel ausgeschlossen sein wird) der Bieter 90 % des Grundkapitals im Rahmen des Übernahme- oder Pflichtangebots erworben hat. Die Überprüfung der Angemessenheit kann aber – was unter anderem die Spruchstellen zum schon möglichen Squeeze-out zeigen – mehrere Jahre dauern. – Was wäre das Ergebnis?Der Squeeze-out würde dann erst mit mehrjähriger Verzögerung wirksam. Im Ergebnis wäre dann doch der Squeeze-out mit Hauptversammlungsbeschluss vorzuziehen, bei dem die Angemessenheit nach Wirksamwerden des Squeeze-out im Rahmen der sogenannten Spruchstelle überprüft werden kann. – Was schlagen Sie vor? Da es Preisregeln für das Übernahme- und Pflichtangebot gibt, kann die im Rahmen des Angebots gezahlte Gegenleistung auch für den Squeeze-out als angemessen gelten. So könnte generell – und nicht nur bei Erreichen einer Annahmequote von 90 % – die zuvor im Rahmen eines Übernahme- oder Pflichtangebots geleistete Zahlung als angemessen gelten. Alternativ könnte die Überprüfung auch beim übernahmerechtlichen Squeeze-out in einer Spruchstelle vorgesehen werden. Dr. Hans Diekmann ist Partner der Kanzlei Shearman & Sterling in Düsseldorf.Die Fragen stellte Walther Becker.