Recht und Kapitalmarkt

Verkäufer schafft Vorsprung mit eigener Due Diligence

Warum Unternehmensveräußerer vermehrt auf Vendor Due Diligence zurückgreifen - Verbesserte Verhandlungsposition

Verkäufer schafft Vorsprung mit eigener Due Diligence

Von Marc O. Peisert *) “Caveat Emptor” – dieser römisch rechtliche Leitsatz, der den Käufer dazu anhält, sich umfassend über den Kaufgegenstand zu informieren, ist für den Käufer beziehungsweise dessen Berater im Rahmen von Unternehmenskäufen regelmäßig Anlass für eine Due Diligence, also die Prüfung des Zielunternehmens in operativer, rechtlicher, finanzieller und steuerlicher Hinsicht. Ohne eine solche Prüfung läuft der Käufer Gefahr, ein risiko- oder mängelbehaftetes Unternehmen zu erwerben beziehungsweise ein Unternehmen, welches seinen operativen Zielsetzungen nicht entspricht. Ein Regress beim Verkäufer ist oft nur sehr begrenzt möglich.Vielfach kann es sich jedoch auch für den Verkäufer lohnen, bereits vor Beginn des Verkaufsprozesses selbst eine Due Diligence durchzuführen. Im Gegensatz zur Due Diligence des Käufers, deren Unterlassen für gewöhnlich sorgfaltswidrig ist, ist die Due Diligence des Verkäufers (im Fachjargon “Vendor Due Diligence”) ein freiwilliger Prozess, der jedoch gerade bei komplexen Transaktionen eine Reihe von Vorteilen bietet. AuktionsverfahrenDies gilt insbesondere für Auktionsverfahren, in denen der Verkäufer parallel mit verschiedenen Bietern verhandelt. Im Vordergrund steht für den Verkäufer das Bestreben, den zu erzielenden Kaufpreis zu optimieren sowie den Verkaufsprozess so effizient wie möglich zu gestalten.Ein Verkäufer verbessert seine Verhandlungsposition erheblich, wenn er Mängel und Risiken des zu verkaufenden Unternehmens erkennt und frühzeitig beseitigt. Er würde es im Zweifel bevorzugen, beispielsweise den Formmangel eines wesentlichen Vertrags vorab zu beseitigen oder eine fehlende öffentliche Genehmigung einzuholen, statt in Vertragsverhandlungen mit einem potenziellen Käufer auf einen solchen Umstand hingewiesen zu werden. Häufig würde der Kaufinteressent dann den Kaufpreis um einen entsprechenden Risikoabschlag reduzieren. Selbst bei der Aufdeckung von unbehebbaren Risiken oder Mängeln ist der Verkäufer zumindest gewarnt, kann diese bewerten und Verhandlungsstrategien entwickeln. Auf diese Weise kann der Verkäufer das Zielunternehmen für potenzielle Käufer attraktiver machen und dessen Wert erhöhen. Auch bewahrt eine Vendor Due Diligence vor Irritationen, Verzögerungen oder schlimmstenfalls sogar vor dem Abbruch der Verhandlungen im Fall einer späten Entdeckung wesentlicher Risiken. InformationsvorteilDie Informationsvorteile einer Vendor Due Diligence werden insbesondere in den Fällen deutlich, in denen der Verkäufer seinerseits nur über ein begrenztes Wissen über die Zielgesellschaft verfügt. Dies ist zum Beispiel bei der Veräußerung von Portfoliogesellschaften durch Finanzinvestoren häufig der Fall. Zudem können auch Sprachbarrieren zwischen Verkäufer und ausländischer Zielgesellschaft oder eine stark dezentrale Konzernorganisation der Grund für die begrenzte Kenntnis des Verkäufers von der Zielgesellschaft sein. Eine Vendor Due Diligence ist dagegen nur sehr eingeschränkt möglich, wenn die Informationsrechte des Verkäufers – etwa bei Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen – derart gering sind, dass er die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen nicht einsehen kann.Der Zweck der Vendor Due Diligence geht jedoch über die bloße Information des Verkäufers hinaus. Vielfach werden die Ergebnisse den Kaufinteressenten im Laufe des Verkaufsprozesses zur Verfügung gestellt. Dies mag zunächst überraschen, werden hiermit doch potenziell kaufpreismindernde Umstände freiwillig preisgegeben. Der Verkäufer kann aber davon ausgehen, dass die wesentlichen Probleme ohnehin von den Beratern des Käufers aufgedeckt werden. Auch wird der Verkäufer wesentliche Mängel der Zielgesellschaft vor dem Hintergrund einer Haftung oder Anfechtung wegen Arglist offenlegen. Viel schwerer als die Preisgabe eines Informationsvorsprungs wiegt oft der Aufwand, der dem Verkäufer und dem Zielunternehmen durch die Due-Diligence-Prüfung bei einer Vielzahl von Kaufinteressenten entsteht. Ein vorab gefertigter Vendor-Due- Diligence-Bericht vermeidet viele potenzielle Fragen eines Kaufinteressenten. Zudem wird sich die Due-Diligence-Prüfung des Käufers zwangsläufig an den Feststellungen der Vendor Due Diligence orientieren, so dass sich der Prüfungsaufwand, insbesondere bei komplex organisierten Zielgesellschaften, verringert. Dadurch werden Dauer und Umfang der Due-Diligence-Prüfung durch den Käufer gering gehalten, und der Verkäufer kann im Falle von Auktionsverkäufen noch mehr Bietern ermöglichen, am Auktionsprozess teilzunehmen. Des Weiteren wird das operative Geschäft des Zielunternehmens weniger stark mit Informationsanfragen oder formellen Fragestunden (Q & A-Sessions) belastet. Durch die Offenlegung der relevanten Risiken kontrolliert der Verkäufer ferner auch die Themen der Due Diligence und muss nicht ständig auf für ihn neue Themen reagieren. Üblicherweise wird der Verkäufer auch vereinbaren, dass die im Bericht genannten Risiken nicht Grundlage für Gewährleistungsansprüche sein können. Auch für den Käufer hat eine Vendor Due Diligence Vorteile. Da die anfänglichen Kosten der Due Diligence oft erheblich sind, hilft die zumindest teilweise vorab geleistete Arbeit dem Käufer dabei, sich ohne aus dem Ruder laufende Kosten einen schnellen Überblick über die Zielgesellschaft zu verschaffen und zu entscheiden, ob sich die Fortsetzung des Erwerbsprozesses lohnt.Für den Käufer stellt sich häufig die Frage, inwieweit er auf die Ergebnisse einer vom Verkäufer eingeschalteten (und potenziell auf Seite des Verkäufers stehenden) Kanzlei vertrauen kann. Dieses verständliche Misstrauen auf Käuferseite führt oft dazu, dass der Käufer trotz Vendor Due Diligence eine umfangreiche Due Diligence zur Überprüfung durchführen möchte und somit die beabsichtigte Effizienzsteigerung verpufft. Vertrauen lässt sich hier nur durch eine Übernahme der Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Vendor-Due-Diligence-Berichts stärken. Eine Haftungsübernahme der Anwaltskanzlei, die die Vendor Due Diligence durchführt, ist praktisch sehr selten. Üblicherweise lässt sich die Kanzlei sogenannte “Non-Reliance Letters” vor Aushändigung des Berichts von den Bietern unterzeichnen. Dies soll eine Vertrauenshaftung der Bieter auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Vendor-Due-Diligence-Berichts ausschließen. Auch wenn zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Bieter exklusiv verhandelt wird, ist eine Haftungsübernahme der Anwälte – zumindest in Deutschland – unüblich. Alternativ kann auch der Verkäufer im Unternehmenskaufvertrag gewährleisten, dass der Vendor-Due-Diligence-Bericht alle wesentlichen Risiken korrekt wiedergibt. Die Gestaltungsmöglichkeiten für den Umfang dieser Haftung sind vielfältig. Keinesfalls wird der Verkäufer allerdings für Umstände, die in der Sphäre des Käufers liegen, haften (Beispiel: Konflikte mit der Akquisitionsstruktur des Käufers). Diesbezüglich hat in jedem Fall der Käufer seine Hausaufgaben zu machen. Für den Käufer ist es wichtig, möglichst früh zu wissen, in welchem Umfang er sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Vendor- Due-Diligence-Ergebnisse verlassen kann. Nur dann können er und seine Berater bestimmen, in welchem Umfang eine zusätzliche Käufer-Due-Diligence erforderlich ist. Erhebliche KostenDurch die Vendor Due Diligence ist dem Verkäufer ein geeignetes Mittel an die Hand gegeben, sich über das Zielunternehmen vorab zu informieren und dessen Attraktivität zu steigern. Zudem behält er auch im weiteren Due-Diligence-Prozess das Heft in der Hand und kann durch Zugang einer Vielzahl von Bietern seine Verhandlungsposition verbessern. Die Erstellung eines Vendor-Due- Diligence-Berichts ist allerdings mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden. Der Verkäufer muss daher im Einzelfall abwägen, ob die Vorteile, die er sich von einer Vendor Due Diligence verspricht, diesen Aufwand rechtfertigen. Allerdings wollen Verkäufer immer häufiger nicht auf die Vorteile einer Vendor Due Diligence verzichten. *) Marc O. Peisert ist Of Counsel bei Jones Day.