Verlässlicher Handel von Hebelprodukten für Private

Orderaufkommen wächst in Zeiten der Coronakrise rasant - Hedging als Hauptmotiv - Börse bietet auf Bedürfnisse der Anleger zugeschnittenes Umfeld

Verlässlicher Handel von Hebelprodukten für Private

Das Geschehen an den Finanzmärkten in der Corona-Krise ist von Phasen extremer Volatilität gekennzeichnet. Dieses Umfeld führt bei verbrieften Derivaten und insbesondere bei Hebelprodukten zu einem stark erhöhten Orderaufkommen. An der Börse Stuttgart, dem führenden Börsenplatz für verbriefte Derivate in Europa, wurden im März 2020 bei Hebelprodukten Kundenorders im Volumen von rund 3,7 Mrd. Euro ausgeführt – 71 % mehr als im Februar und sogar 292 % mehr als im Vorjahresmonat.Bei der Einordnung dieser intensiven Handelsaktivitäten stellt sich die Frage, aus welchen Beweggründen heraus Privatanleger Hebelprodukte einsetzen. Aufschluss kann hier eine Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management geben, die im März 2020 vorgestellt wurde. Auf Basis der Transaktionsdaten von 22 000 Privatanlegern, die Hebelprodukte handeln, beleuchten die Wissenschaftler die zugrunde liegenden Motive.Ein überraschendes Ergebnis: Bei Hebelprodukten ist kurzfristige Spekulation zwar weit verbreitet, sie ist aber nicht Hauptmotiv von Privatanlegern. Nur 31,4 % der beobachteten Anleger werden der Kategorie der Spekulanten zugeordnet, die durch kurzfristiges Eingehen auf Marktbewegungen Rendite erwirtschaften wollen. Wichtiger ist der längerfristige Einsatz von Hebelprodukten zur Renditeoptimierung: 44,2 % der Anleger zählen zu den strategischen Hedgern, die über einen längeren Anlagehorizont vom Hebel der Produkte profitieren wollen. Und schließlich wird auch die Möglichkeit rege genutzt, das Portfolio gegen Kursverluste abzusichern. 24,4 % der Anleger sind Hedger, die Hebelprodukte als Versicherung einsetzen und bereit sind, dafür eine Art von “Versicherungsprämie” zu bezahlen.Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass informierte Anleger die Chancen und Risiken bei Hebelprodukten differenziert bewerten und sie gezielt im Rahmen ihrer persönlichen Anlagestrategie nutzen. Sowohl das kurzfristige Eingehen auf Marktbewegungen als auch die Absicherung von Positionen im Portfolio sind vor dem Hintergrund der aktuellen, volatilen Marktlage relevanter denn je – sicherlich ein Grund für die zuletzt hohen Handelsvolumina in Hebelprodukten. Stabilität in volatilen Phasen Die Studie verdeutlicht auch: Wer Hebelprodukte nutzt, handelt selbstbestimmt und überdurchschnittlich häufig. Umso wichtiger ist für diese aktiven Privatanleger ein verlässliches Handelsumfeld. Denn die Anleger sollten auch in turbulenten Marktphasen wie zuletzt in der Lage sein, ihre jeweilige Strategie als Spekulant oder Hedger umzusetzen. Gerade in Zeiten von Marktverwerfungen und hoher Volatilität sorgt der börsliche Handel für ein besonderes Maß an Stabilität und Qualität. An einer öffentlich-rechtlichen Börse werden marktgerechte Preise nach festen Regeln ermittelt, deren Einhaltung die Handelsüberwachungsstelle als unabhängige Instanz kontrolliert. Neben diesen fairen und verlässlichen Handelsbedingungen bietet eine Börse Privatanlegern auch höchste Vor- und Nachhandelstransparenz.Natürlich steht die Börse Stuttgart angesichts des intensiven Handels im aktuellen Marktumfeld vor besonderen Herausforderungen. So wurden bei verbrieften Derivaten im März 2020 bis zu 8,3 Milliarden Quote-Updates der Emittenten am Tag verarbeitet, doppelt so viele wie ansonsten im Durchschnitt. Doch die leistungsfähigen Handelssysteme der Börse Stuttgart bewältigen diese Situation ohne nennenswerte Ausfälle oder Störungen. Gleichzeitig sorgen im hybriden Marktmodell der Börse Stuttgart die eingebundenen Handelsexperten gerade in volatilen Marktphasen für möglichst hohe Handelsqualität: Sie legen die Parameter der automatisierten Orderbearbeitung fest, prüfen die Quotierungen der Emittenten auf Plausibilität und spenden bei Bedarf zusätzliche Liquidität.Die für die WHU-Studie aufbereiteten Daten zeigen, dass Hebelprodukt-Anleger über große Erfahrung mit Wertpapieren verfügen und wissen, was sie handeln – nämlich streng regulierte Produkte. Bei Hebelprodukten greifen bei Konzeption, Marketing und Vertrieb die EU-Richtlinien Mifid II und Mifir sowie die Priips-Verordnung. Deren Anforderungen müssen erfüllt werden, bevor Privatanleger die Produkte erwerben können. Anlegern, die über Chancen und Risiken informiert sind und über die notwendigen Erfahrungen verfügen, sollten Hebelprodukte nicht vorenthalten werden: Einschränkungen bei Hebelprodukten oder gar Produktinterventionen der Aufsichtsbehörden sind weder sinnvoll noch angemessen. Drohende SteuernachteileZuletzt wurde Privatanlegern allerdings vom Gesetzgeber eine neue indirekte Hürde in den Weg gelegt. Vorbehaltlich einer abschließenden Klärung durch das Bundesfinanzministerium ist denkbar, dass die 2021 in Kraft tretende Neuregelung der steuerlichen Behandlung von Totalverlusten bei Termingeschäften auch für Hebelprodukte gilt. Damit könnten Verluste nur bis zu 10 000 Euro pro Jahr mit gleichartigen Gewinnen verrechnet werden. Hierfür wird für Termingeschäfte ein separater Verrechnungskreis geschaffen. Diese steuerliche Behandlung würde den Einsatz von Hebelprodukten zur Absicherung – etwa von Aktienpositionen, die zu einem anderen Verrechnungskreis gehören – erheblich einschränken oder gar zunichtemachen. Auf Privatanleger könnten zudem empfindliche steuerliche Mehrbelastungen zukommen, wobei die unterschiedliche Behandlung von Gewinnen und Verlusten auch grundsätzliche rechtliche Fragen aufwirft. Es wäre deshalb im Interesse privater Anleger, wenn der Gesetzgeber die Regelung zur Besteuerung zurücknehmen oder zumindest erträglicher gestalten würde, etwa durch die Abschaffung des eigenen Verrechnungskreises für Termingeschäfte.Ob hohe Handelsqualität, angemessene Produktregulierung oder adäquate Besteuerung: Auch weiterhin sollten die Rahmenbedingungen stimmen, damit Privatanleger Hebelprodukte für ihre individuellen Anlagestrategien nutzen können – ob als Spekulant oder Hedger. Die Börse Stuttgart bietet dabei ein verlässliches und transparentes Umfeld für den Handel, das auf die Bedürfnisse von Privatanlegern zugeschnitten ist. Oliver Hans, Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse