Recht und Kapitalmarkt

Verschmelzungen auch für Restrukturierung attraktiv

Grenzüberschreitende Optimierung der Konzernstruktur kann in erheblichem Umfang Kosten senken - SE nicht immer erste Wahl

Verschmelzungen auch für Restrukturierung attraktiv

Von Matthias-Gabriel Kremer *)Die EU-Verschmelzungsrichtlinie ist mittlerweile in fast allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt. Damit können bisher unverbundene Unternehmen im Rahmen von M & A-Prozessen durch grenzüberschreitende Verschmelzungen fast überall in Europa zusammengeführt werden. Grenzüberschreitende Verschmelzungen können aber auch der gesellschaftsrechtlichen Reorganisation innerhalb eines bestehenden Konzerns dienen. Dies ist insbesondere in Krisenzeiten interessant, denn durch eine Optimierung der Konzernstruktur lassen sich in nicht unerheblichem Umfang Kosten sparen. Weniger BerichtspflichtenZum Beispiel können Leitungsstrukturen durch grenzüberschreitende Verschmelzungen erheblich vereinfacht werden. Betriebe im Ausland lassen sich als Zweigniederlassungen statt als eigene Gesellschaften mit eigenem Management weiterführen. Direktiven des Konzernmanagements sind so leichter durchzusetzen. Bei Banken und Versicherungen lässt sich der Einsatz regulatorischen Eigenkapitals optimieren, Berichts- und Meldepflichten werden deutlich reduziert.Weiterhin entfallen bei Zweigniederlassungen verschiedene Anforderungen an die Rechnungslegung, zum Beispiel die Notwendigkeit separater Jahresabschlussprüfungen. Zudem kann unter Umständen ein bestehender Aufsichtsrat verkleinert und die Mitbestimmung auf dem Status quo eingefroren werden. Außerdem vereinfacht sich durch eine Verschmelzung das Cash Pooling, weil Kapitalerhaltungsvorschriften der weggefallenen Gesellschaft kein Problem mehr darstellen. Das kann den Aufwand für die Überwachung sowie die Haftungsrisiken aus dem Cash Pooling reduzieren.Gegenüber der SE-Gründung, die vor diesem Hintergrund ebenfalls häufig in Betracht gezogen wird, hat die grenzüberschreitende Verschmelzung den Vorteil, dass nicht immer ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchgeführt werden muss, sondern – als Faustregel – nur dann, wenn eine der beteiligten Gesellschaften mitbestimmt ist. Außerdem können die Leitungen der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften – anders als bei einer SE-Gründung – auch ohne ein vorheriges Verhandlungsverfahren für eine gesetzliche Auffanglösung optieren, was das Verfahren erheblich abkürzt. Schließlich lösen spätere strukturelle Änderungen der übernehmenden Gesellschaft keinen neuen Verhandlungsprozess aus, was bei der SE möglich ist.Viele EU-Staaten haben die Verschmelzungsrichtlinie – anders als Deutschland 2007 – erst vor kurzem umgesetzt. Damit sind grenzüberschreitende Verschmelzungen in immer mehr europäischen Rechtsordnungen jetzt zwar rechtssicher möglich, viele Fragen müssen aber in der Praxis noch geklärt werden. Dabei steckt der Teufel im Detail. Nach der gesetzlichen Regelung muss der Verschmelzungsplan spätestens einen Monat vor der Beschlussfassung der Gesellschafter zum Handelsregister eingereicht werden. Außerdem ist den Gesellschaftern und dem Betriebsrat innerhalb der Monatsfrist ein Verschmelzungsbericht vorzulegen, in dem die Auswirkungen der Verschmelzung auf die Gläubiger und Arbeitnehmer erläutert werden.Es gibt aber Konstellationen, in denen in keiner der beteiligten Gesellschaften ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst werden muss. In diesem Fall wird man die Informationsrechte von Gläubigern, Gesellschaftern und Betriebsrat dadurch sicherstellen müssen, dass man während der genannten Monatsfrist das Verfahren nicht weiter betreibt, also z. B. keine Handelsregisteranmeldung vornimmt.Das neue Recht sieht vor, dass die Gläubiger der ins Ausland zu verschmelzenden Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen Sicherheitsleistung verlangen können, wenn sie ihre Ansprüche binnen zwei Monaten nach Bekanntmachung des Verschmelzungsplans durch das Handelsregister schriftlich anmelden und glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet wird. Das Management der zu verschmelzenden Gesellschaft muss bei Anmeldung der grenzüberschreitenden Verschmelzung zum Handelsregister strafbewehrt versichern, dass allen Gläubigern, die Sicherheit verlangen können, diese auch geleistet wurde. Haben Schuldner, die erst unmittelbar vor Wirksamwerden der Verschmelzung, z. B. durch eine Ausgliederung, Gläubiger der zu verschmelzenden Gesellschaft werden, einen Anspruch darauf, in den Genuss dieser zweimonatigen Anmeldefrist zu kommen? Anders ausgedrückt: Kann das Verfahren einer grenzüberschreitenden Verschmelzung parallel zu anderen Umwandlungsmaßnahmen durchgeführt werden, sodass die verschiedenen Schritte unmittelbar nacheinander vollzogen werden können? Oder muss zunächst der Abschluss der vorgelagerten anderen Umwandlungsmaßnahmen abgewartet werden, bevor die genannte Zwei-Monats-Frist zu laufen beginnt – was zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen würde? Das Umwandlungsgesetz enthält insoweit keine ausdrückliche Regelung.Ein Blick auf die Gläubigerschutzbestimmungen des Umwandlungsgesetzes zeigt jedoch, dass eine Parallelität der Umwandlungsmaßnahmen möglich ist. Es empfiehlt sich aber, durch flankierende Maßnahmen, beispielsweise freiwillige Mitteilungen, maximale Transparenz auch gegenüber künftigen Gläubigern der Gesellschaft sicherzustellen.Das deutsche Umwandlungsgesetz verlangt einen “gemeinsamen, gleich lautenden Verschmelzungsplan”, den die Vertretungsorgane der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften aufstellen müssen. Damit stellt sich die Frage, ob der Verschmelzungsplan in unterschiedlichen Sprachfassungen aufgestellt werden kann, wenn Gesellschaften aus Staaten mit unterschiedlichen Landessprachen beteiligt sind. Nach richtiger Auffassung kommt es lediglich auf die Inhaltsgleichheit an. Der Umstand, dass der Verschmelzungsplan in unterschiedlichen Sprachen niedergelegt ist, ändert nichts an der Inhaltsgleichheit. Es stellt sich aber die weitere Frage, wie die Inhaltsgleichheit unterschiedlicher Sprachfassungen gegenüber dem deutschen Registergericht, das die Verschmelzung im Handelsregister eintragen muss, nachgewiesen wird. Hierzu wird in der Regel eine beglaubigte Übersetzung eines vereidigten Übersetzers nötig sein.Teilweise sind die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie nicht hinreichend aufeinander abgestimmt, was zu kuriosen Situationen führen kann. So sieht zum Beispiel das deutsche Recht bei einer Verschmelzung ins Ausland die Übergabe der elektronischen Handelsregisterakten durch das deutsche Handelsregister an das ausländische Registergericht vor. In der Praxis gab es Fälle, in denen das ausländische Register kein Interesse zeigte, die Unterlagen zu erhalten, woraufhin sich das deutsche Handelsregister zunächst gehindert sah, eine ins Ausland verschmolzene Gesellschaft vor Abschluss des gesamten Verfahrens (einschließlich einer solchen Formalität wie der Übergabe der Akten) zu löschen.Bei Aktiengesellschaften sind Verschmelzungen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) schneller und rechtssicherer möglich. Seit September 2009 entscheiden die Oberlandesgerichte als einzige Instanz darüber, ob Strukturmaßnahmen trotz anhängiger Anfechtungsklagen im Handelsregister eingetragen und damit vollzogen werden können. Auch grenzüberschreitende Verschmelzungen – ob im Rahmen von M & A-Prozessen oder zur Konzernreorganisation – werden damit auf deutscher Seite beschleunigt. Zeitaufwendiges VerfahrenWas das neue Umwandlungsrecht betrifft, haben die Registergerichte noch wenig Erfahrung mit der Anwendung der neuen Vorschriften. Da die Rechtsfragen bei einer grenzüberschreitenden Transaktion sehr komplex sein können, kann das Registerverfahren recht zeitaufwendig werden. Es empfiehlt sich, schwierige Rechtsfragen bereits vor der Handelsregisteranmeldung mit dem Rechtspfleger zu klären.—-*) Dr. Matthias-Gabriel Kremer ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer.