RECHT UND KAPITALMARKT

Versicherer zwischen den Stühlen

Iran-Sanktionen und Blocking Statute führen zu einem Compliance-Dilemma - Risiken sollten bewertet werden

Versicherer zwischen den Stühlen

Von Thilo Streit und Gunne Bähr*)Im Mai hatte US-Präsident Trump angekündigt, dass die USA das Nuklearabkommen mit dem Iran einseitig aufkündigen werden. Die US-Sanktionen werden in zwei Schritten, zum 8. August und 4. November 2018, wieder umfassend eingeführt. Tatsächlich tritt am 4. November 2018 eine Genehmigung außer Kraft, die es bislang Tochterunternehmen von US-Unternehmen erlaubte, Geschäfte mit dem Iran zu machen. Gleichzeitig werden auch US-Sanktionen gegen Versicherungsunternehmen mit Blick auf den Iran wieder eingeführt.Bereits in der Vergangenheit zeigte sich, dass die USA ihre Sanktionen strikt auch gegenüber nicht in den USA Ansässigen durchsetzen. Hier drohen neben hohen Bußgeldern und der Aufnahme in schwarze Listen Sanktionen für handelnde Personen. Diese könnten für Geschäftsleiter von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen auch aufsichtsrechtliche Bedeutung erlangen.Die EU sieht in den neuerlichen Sanktionen einen Bruch des Völkerrechts, unter anderem wegen Einmischung in innereuropäische Angelegenheiten. Wie in ähnlichen Konfliktlagen in der Vergangenheit versuchte die EU zunächst auf diplomatischem Wege, die USA im Nuklearabkommen zu halten und von Iransanktionen abzuhalten; allerdings ohne Erfolg, so dass zum 7. August 2018 das (an sich bereits seit 1996 existierende) Blocking Statute reaktiviert worden ist. Darin enthalten sind zwei wesentliche Regelungen: Zunächst ist die Compliance mit den neuen US-Sanktionen verboten. Ausnahmegenehmigungen sind allerdings möglich. Als Ansatzpunkt gilt etwa die Eigenschaft als US-Tochterunternehmen. Davon gibt es im europäischen Versicherungsmarkt viele, denn US-Versicherern ist es aus aufsichtsrechtlichen Gründen verboten, in Europa unmittelbar und aus den USA heraus Geschäfte zu betreiben. Die bedürfen daher einer Tochtergesellschaft in einem Land der EU oder des EWR. Darüber hinaus gibt das Blocking Statute demjenigen Anspruch auf Ersatz, der wegen der Umsetzung der US-Sanktionen Schäden erleidet. Die Schadenersatzansprüche bestehen gegen diejenigen, die Schäden verursachen – letztlich also Gesetzgeber, Behörden, Richter und Staatsanwälte, die die US-Sanktionen in den USA durchsetzen.Für Versicherungsunternehmen, insbesondere solche, die international agieren, ist hier insbesondere die erste Regelung kritisch: Die Anforderungen des US-Rechts kollidieren mit denen des europäischen Rechts. Verlangen die USA – vor allem auch von europäischen US-Tochterunternehmen – die strikte Einhaltung der US-Sanktionen, fordert das europäische Recht das exakte Gegenteil – eben die Sanktionen nicht zu beachten.Es ist davon auszugehen, dass die in den USA zu erwartenden Strafen und Bußen harscher ausfallen können als die der EU. So sind in der Vergangenheit bei Verstößen gegen US-Sanktionen Milliardenstrafen verhängt geworden, etwa im Fall BNP-Paribas. Auch bedrohen die USA handelnde Personen, etwa Mitglieder von Vorständen, unabhängig vom Ort des Handelns mit individuellen Strafen; ein Problem für Vorstände von meist international agierenden Versicherer, wenn sie in die USA reisen wollen.Die deutsche Umsetzung des Blocking Statute sieht derzeit demgegenüber pro Verstoß ein Maximalbußgeld von 500 000 Euro vor. Damit einher geht die übliche Eintragung ins Gewerbezentralregister, die sich etwa in öffentlichen Vergabeverfahren, aber auch aufsichtsrechtlich negativ auswirken kann. Allerdings steht das Verhängen eines Bußgelds im Ermessen der zuständigen Behörde. Bei Bußgeldverhängung ist zu erwarten, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Kenntnis von entsprechenden Bußen erlangt und diese dann auch unter dem Gesichtspunkt der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und der ausreichenden Compliance beurteilt.Derzeit ist die tatsächliche Umsetzung des Blocking Statute indes unklar. Wenn man die Erfahrungen mit dem deutschen Boykottverbot nach § 7 Außenwirtschaftsverordnung zugrunde legt, spricht Einiges für eine weitgehende Risikolosigkeit eines Verstoßes gegen das Blocking Statute. Das Boykottverbot verlangt von deutschen Unternehmen, weder sich noch Dritte zu verpflichten, an Sanktionen gegen Drittstaaten mitzuwirken, etwa durch entsprechende vertragliche Klauseln. Zwar hatte das Bundeswirtschaftsministerium verdeutlicht, dass Klauseln in Versicherungsverträgen, die die Leistungspflicht bei Verstößen gegen US-Sanktionen ausschlossen, rechtswidrig seien. Solche Bußgeldbescheide sind jedoch bislang nicht bekannt.Nicht übersehen sollte man aber, dass bei Compliance mit den US-Sanktionen durch hiesige (einschließlich Zweigniederlassungen und Betriebsstätten ausländischer) Versicherer und Rückversicherer ein Verstoß gegen deutsches Recht vorliegen kann, so etwa bei Nichterstatten eines Schadens wegen drohender US-Sanktionen trotz Leistungspflicht. Solche Verstöße könnten im schlimmsten Falle aufsichtsrechtliche Auswirkungen für die Geschäftsleiter, aber auch für Compliance Officer haben. So könnte etwa die BaFin Zweifel an der Zuverlässigkeit oder fachlichen Eignung der Geschäftsleiter oder des Chief Compliance Officer aufwerfen. Es steht aber zu erwarten, dass die BaFin diese Fragen mit Augenmaß beantworten wird.Im Übrigen ist nach allgemeinen Regeln des deutschen Rechts nicht damit zu rechnen, dass derjenige, der gegen das Blocking Statute verstößt, sanktionslos ausgeht, wenn er sich auf das entgegenstehende Recht der USA beruft. In Deutschland gilt deutsches, nicht US-Recht. Bestenfalls wäre mit einer Minderung des Bußgeldes zu rechnen. Das gilt auch in den USA: Das Bestehen des Blocking Statute schützt bei Nichtbeachten der US-Sanktionen nicht vor möglichen US-Strafen. Wie angesprochen, ist gegenwärtig noch unklar, ob und falls ja, welche Handlungen die EU-Mitgliedsstaaten zur Umsetzung des Blocking Statute vornehmen. Konkretes ist hierzu derzeit nicht bekannt. Die Kommission hat zwar Fragen & Antworten zur Umsetzung veröffentlicht. Sie wiederholen aber nur die gesetzliche Regelung.Vorstände von Versicherungsunternehmen haben vor diesem Hintergrund insbesondere aktien- und aufsichtsrechtlich die Pflicht, im Rahmen eines wirksamen Risikomanagements die gebotene Risikobewertung vorzunehmen. Die rechtliche Situation ist unklar. Daher sind Versicherer und Rückversicherer mit Sitz in Deutschland gehalten, ihre Compliance-Programme und -Regeln mit Blick auf mögliche rechtliche Konflikte zu prüfen und wenn nötig zu aktualisieren. Diese Aufgabe fällt insbesondere auch den Geschäftsleitern von Versicherungsunternehmen zu, aber auch den Compliance-Abteilungen. Als deutsches Unternehmen (und dies schließt – wie erwähnt – Tochterunternehmen, Zweigniederlassungen und Betriebsstätten ausländischer Unternehmen ein) ist primär deutsches und EU-Recht, aber soweit im außereuropäischen Ausland tätig, auch das dort geltende Recht zu beachten. Ist die Rechtslage widersprüchlich oder unklar, steht die Pflicht der Geschäftsleitung eines Versicherers, Schaden vom Unternehmen abzuwenden, im Vordergrund. Dies schließt selbstverständlich den Blick auf die US-Sanktionen und eine entsprechende Risikobewertung ein. Vorstände müssen im Sinne eines wirksamen (Compliance-)Risikomanagements die Entwicklung weiter intensiv verfolgen, um die unternehmensinternen Regelungen bei Veränderungen der Situation umgehend ändern zu können. Die Dokumentation solcher Überlegungen ist ebenso wichtig – nicht nur für den Fall einer BaFin-Prüfung. Klarstellung erwünschtWesentlich wären darüber hinaus Klarstellungen der deutschen Behörden, aber gerade auch der Kommission. Diese hat in Kenntnis der Schwächen des Blocking das delegierte Verordnungsverfahren zum Inkraftsetzen der Aktualisierung gewählt, da es das schnellste Verfahren darstellt. So konnte die Kommission durch Anpassung des Blocking Statute von 1996 erreichen, dass bereits zum Inkrafttreten der ersten US-Sanktionen am 8. August 2018 ein entsprechendes Blocking Statute in Kraft ist.Bei den europäischen Institutionen besteht deutliche Offenheit für eine grundsätzliche Neufassung des Blocking Statute. Eine solche könnte dann sehr viel klarer und eindeutiger fassen, was tatsächlich eine rechtswidrige Beachtung von US-Sanktionen darstellt und was nicht. Für die Versicherungswirtschaft, bei der neben Sanktionierung von US-Seite und Bußgeld von europäischer Seite Risiken für die Verlässlichkeit der Vorstände bestehen können, wäre eine solche Klarstellung höchst wünschenswert.—-*) Dr. Gunne Bähr ist Partner, Dr. Thilo Streit Counsel bei DLA Piper.