Recht und Kapitalmarkt

Vertraulichkeitsklauseln können zur Falle werden

Verändertes Umfeld für M & A-Transaktionen gebietet erhöhte Vorsicht beim Abschluss

Vertraulichkeitsklauseln können zur Falle werden

Von Cornelius Mirow *) Die Vertraulichkeitsvereinbarung ist ein Klassiker des M & A-Prozesses. Sie steht am Beginn der meisten Verfahren über den Kauf eines Unternehmens oder einer Beteiligung. Der Erwerbsinteressent möchte Zugang zu aussagekräftigen und öffentlich nicht zugänglichen Informationen erhalten, um den Wert des Zielunternehmens besser einschätzen und mögliche Probleme so früh wie möglich identifizieren zu können. Umgekehrt ist dem potenziellen Verkäufer daran gelegen, die zugänglich gemachten Informationen vor einer zweckfremden Verwendung zu schützen. Insbesondere wo es um die Weitergabe vertraulicher Informationen an Wettbewerber geht, ist dieses Schutzinteresse eklatant. InteressenausgleichDie Vertraulichkeitsvereinbarung soll einen Ausgleich zwischen diesen Interessen schaffen. Sie enthält regelmäßig Vereinbarungen zur Definition vertraulicher Informationen, zur Art und Weise, wie diese Informationen vom Empfänger (nicht) genutzt werden dürfen, zur Rückgabe oder Vernichtung vertraulicher Informationen nach Beendigung der Transaktion und zu Rechtsfolgen bei etwaigen Verstößen. Die Prüfung und Verhandlung dieser Klauseln, die den inhaltlichen Kerngehalt einer Vertraulichkeitsvereinbarung ausmachen, gehört zu den Routinen vieler Transaktionsanwälte und Rechtsabteilungen. Nicht selten allerdings enthalten Vertraulichkeitsvereinbarungen Regelungen, die über den aufgezeigten Standard hinausgehen und den Erwerbsinteressenten in seiner geschäftlichen Tätigkeit erheblich behindern können. Ein typisches Beispiel ist das Abwerbeverbot (Non-Solicitation Clause). Dem Interessenten wird für einen bestimmten Zeitraum – oft zwei Jahre oder länger – untersagt, Angestellte und Manager des Zielunternehmens abzuwerben, einzustellen oder auch nur mit ihnen in Kontakt zu treten. Für den Interessenten kann ein solches Verbot aus mehreren Gründen problematisch sein: So ist es innerhalb großer Konzerne mit zahlreichen, oft über verschiedene Länder verteilten Tochtergesellschaften praktisch sehr aufwendig, die Einstellungsaktivitäten all dieser Tochterorganisationen zu kontrollieren. Zudem dürfte dem Interessenten daran gelegen sein, weiterhin solche Mitarbeiter einstellen zu dürfen, die sich aus eigener Initiative bei ihm bewerben oder keine Berührungspunkte zu der fraglichen Transaktion aufweisen. Ähnlich kritisch zu beurteilen sind Regelungen, die dem Interessenten für einen bestimmten Zeitraum den Kontakt zu Kunden des Zielunternehmens untersagen. Ein solches Verbot schießt über das Ziel hinaus, solange der Interessent keine kundenrelevanten Informationen erhalten hat (was regelmäßig erst relativ spät geschieht, etwa nach Einräumung exklusiver Verhandlungen mit dem Interessenten). In dieser Situation würde sich der Interessent ohne sachlichen Grund einem vertraglichen Wettbewerbsverbot unterwerfen – für den Veräußerer ein willkommenes Geschenk. Zurückhaltung ist auch angebracht bei sogenannten Stillhaltevereinbarungen: Darunter versteht man das Verbot, bestimmte Handlungen vorzunehmen, die auf den direkten oder indirekten Erwerb von Gesellschaftsanteilen des Zielunternehmens oder mit ihm verbundener Unternehmen gerichtet sind. Dadurch soll verhindert werden, dass der Interessent erhaltene Informationen dazu nutzt, verdeckt oder offen Beteiligungspositionen aufzubauen. Insbesondere für Unternehmen, bei denen die Investition in Kapitalanlagen zum operativen Geschäft gehört (etwa Fonds, Banken und Versicherungen), kann sich ein solches Verbot als großes Hemmnis erweisen: Künftig muss – unabhängig von den ohnehin zu beachtenden gesetzlichen Insidergeschäftsverboten – jede Transaktion darauf durchleuchtet werden, ob sie in irgendeiner Weise Wertpapiere des Zielunternehmens oder Derivate auf solche Papiere betrifft. Die Risiken, die von solchen “Annexklauseln” zur eigentlichen Vertraulichkeitsverpflichtung für den Interessenten ausgehen, haben sich im aktuell schwierigen Umfeld für M & A-Transaktionen noch einmal verschärft. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Transaktion schon in einem sehr frühen Stadium scheitert, ist mit der Finanzkrise deutlich größer geworden. Typische Ursachen sind erhebliche Differenzen in den Preisvorstellungen von Verkäufer und Käufer, deutlich gestiegene Risiken vor allem auf der Aktivseite der Bilanz vieler (Ziel-)Unternehmen oder die Unsicherheit über die Möglichkeiten einer Finanzierung. Wo früher in Ruhe der Datenraum durchleuchtet wurde und diverse Interviews mit Repräsentanten des Zielunternehmens geführt wurden, reicht dem Interessenten heute oft schon ein intensives Gespräch auf Führungsebene, ein erster Blick in vertrauliche Unterlagen oder eine neue Hiobsbotschaft von den Kapitalmärkten, um sich aus dem Rennen zu verabschieden. Für den Interessenten ist es äußerst misslich, wenn er sich in dieser Situation bereits einer “exzessiven” Vertraulichkeitsverpflichtung mit Abwerbeverbot, Stillhaltevereinbarung oder ähnlichen Einschränkungen des Geschäftsbetriebs unterworfen hat. Denn regelmäßig haben sich gerade diese besonders kritischen Regelungen mit dem Scheitern der Transaktion nicht erledigt, sondern gelten unverändert für den vereinbarten Zeitraum fort. Unwillkommenes ReliktDie Transaktion ist also beendet, bevor sie richtig begonnen hat, die genannten Verpflichtungen aber bleiben als unwillkommenes Relikt zurück und behindern den Interessenten in den kommenden Monaten oder gar Jahren in seinem Geschäftsbetrieb. Drei Stunden Verhandlung für zwei Jahre Ärger – das mag pointiert klingen, trifft aber in einigen Fällen durchaus die Realität. Fazit: Für Erwerbsinteressen im M & A-Prozess ist im gegenwärtigen Marktumfeld besondere Vorsicht angezeigt, wenn die Veräußererseite, wie üblich, frühzeitig den Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung verlangt. Abwerbeverbote, Einschränkungen bei Kundenkontakten, Stillhaltevereinbarungen und ähnliche Restriktionen sollten erst akzeptiert werden, wenn sich das jeweils hinter solchen Regelungen stehende Schutzbedürfnis des Veräußerers oder der Zielgesellschaft konkretisiert. Beim Abwerbeverbot etwa ist dies erst dann der Fall, wenn dem Interessenten tatsächlich vertrauliche Informationen über Mitarbeiter zufließen oder er mit Mitarbeitern der Führungsebene in direkten Kontakt tritt. Entschärfung angeratenBefindet sich die Transaktion noch im Stadium einer unverbindlichen Vorprüfung und ist die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns (noch) hoch, sollte der Interessent eine Vertraulichkeitsvereinbarung entweder gänzlich ablehnen oder nur solche Vereinbarungen akzeptieren, die sich inhaltlich auf den Schutz vertraulicher Informationen beschränken. Nur wenn beides nicht durchsetzbar ist, sollte der Interessent auf die üblichen Behelfe der Praxis ausweichen, nämlich die Entschärfung der kritischen Klauseln durch klar definierte Erleichterungen, beim Abwerbeverbot etwa durch Beschränkung auf bestimmte (leitende) Mitarbeiter und Ausnahmen für allgemeine Stellenangebote. Für den Veräußerer sollte diese Haltung hinnehmbar sein. Denn den Parteien bleibt es unbenommen, bei einem Fortgang der Transaktion die Pflichten des Interessenten sukzessive zu erweitern.*) Dr. Cornelius Mirow ist Rechtsanwalt im Zentralbereich Corporate Finance M & A der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG in München.