Recht und Kapitalmarkt

Vetorecht der Regierung für sensible Branchen umstritten

Paris will Vorbehalt auch bei Kasino-Verkauf - "Wirtschaftspolitischer Patriotismus" - Einheitliche europäische Regelung ist erforderlich

Vetorecht der Regierung für sensible Branchen umstritten

Von Lutz Hartmann *)Seit einigen Tagen gehen Nachrichten über einen Vetovorbehalt, den die französische Regierung für Übernahmen von französischen Unternehmen durch ausländische Investoren einführen will, durch die Presse. Tatsächlich plant die Regierung in Paris, das bereits bestehende Vetorecht für Übernahmen von Unternehmen der “nationalen Sicherheit” auf zehn Sektoren auszuweiten. Nach der aktuellen Informationslage soll eine Rechtsverordnung erlassen werden, die die von Artikel L 151-3 des Finanz- und Währungsgesetzes (Code monétaire et financier) erfassten Bereiche näher definiert. Bisher regelt der entsprechende Artikel, dass solche ausländischen Investitionen einer vorherigen Genehmigung des Wirtschaftsministers bedürfen, die, auch wenn nur gelegentlich, an der Ausübung der öffentlichen Gewalt teilnehmen oder einem der folgenden Bereiche zuzuordnen sind: – Aktivitäten, die die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die Interessen der nationalen Verteidigung beeinträchtigen können; – Aktivitäten im Bereich der Forschung, der Produktion oder des Vertriebes von Waffen, von Munition und von Sprengstoffen. Die zehn SektorenDie so umschriebenen Sektoren sollen laut Gesetz in einer Verordnung im Einzelnen geregelt werden. Nun wurde die entsprechende Liste öffentlich gemacht, die sich in der demnächst zu veröffentlichenden Verordnung wiederfinden dürfte. Wie der zuständige Minister mitteilte, handelt es sich dabei um die folgenden zehn Sektoren: – Kasinos – Innere Sicherheit – Biotechnologien – Produktion von Impfstoffen – Abhörtechnik – Computersicherheit – Duale Technologien – Kryptographie – Militärgeheimnisse – Rüstungsindustrie. Diese aktuellen Nachrichten gehen jedoch auf einen Bericht des Abgeordneten Bernard Carayon zurück, den dieser zunächst schon im Juni 2003 dem französischen Premierminister und dann dem französischen Parlament im Juni 2004 vorgelegt hat. Dieser Bericht mit dem Titel “Strategie einer nationalen wirtschaftlichen Sicherheit” behandelt die Risiken einer internationalen Informationsgesellschaft und die damit verbundenen Gefahren für die nationale Sicherheit. “Schutz reicht nicht”Schon in diesem Bericht hielt der Abgeordnete Carayon fest, dass der damals bestehende Schutz vor Übernahmen nationaler Unternehmen durch ausländische Investoren nicht ausreichend sei. Insbesondere für Unternehmen, die von strategischer Bedeutung seien, müsse das Vetorecht ausgeweitet werden, dies sei in den USA und in eingeschränkter Weise auch in Deutschland bereits der Fall. Der damalige Bericht behandelt diese Frage jedoch nur nebensächlich, andere Themen standen im Vordergrund.Tatsächlich geht die aktuelle Diskussion in keiner Weise auf die – bloß angebliche – “Übernahmeschlacht” um den französischen Nahrungsmittelkonzern Danone zurück, sondern auf eine viel tiefer liegende Angst, für die nationale Sicherheit notwendiges Wissen zu verlieren. Eine ähnliche Diskussion, wenn auch auf weniger Branchen beschränkt, wird gerade im Zusammenhang mit der Ausweitung des Vetorechts der Bundesregierung auf Zulieferfirmen der Rüstungsindustrie (Entscheidung des Bundeskabinetts vom 5. September) in Deutschland geführt (vgl. Interview auf dieser Seite).In Frankreich wird jedoch betont, mit den so definierten Sektoren könne man weder Danone noch sonstige “Prachtstücke” der Industrie vor einer Übernahme schützen. Auch andere Unternehmen wie Eramet in der Stahlproduktion, welches einem Übernahmeversuch der Companhia Vale do Rio Doce (CVRD) ausgesetzt ist, oder die umworbenen französischen Supermarktketten fielen nicht unter den Schutz der neuen Regelung. Dieses Argument sowie der Hinweis, die Verordnung sei mit der Europäischen Kommission vorab besprochen worden, wird in Frankreich immer wieder für die Zulässigkeit des Vetorechts angeführt.Gerade die europarechtliche Zulässigkeit der geplanten französischen Regelung ist jedoch fraglich. Gemäß Art. 56 EG-Vertrag ist jegliche Beschränkung des Kapitalverkehrs verboten. Frankreich scheint sich jedoch für alle zehn genannten Sektoren auf den Ausnahmetatbestand des Artikel 58 Abs. 1b) zu berufen, nach dem Maßnahmen zum Schutze der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zulässig sind. Die demnächst zu veröffentlichende französische Verordnung wird sich an diesen Grenzen messen lassen müssen. Für sieben der genannten Sektoren erscheint dies nicht weiter problematisch, und es handelt sich hierbei wohl eher um eine präzisere Definition der zu schützenden Bereiche. Kasinos und GeldwäscheInwieweit jedoch die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Impfstoffen und Biotechnologie und insbesondere den Kasinos betroffen ist, wird noch zu prüfen sein. In Frankreich wird argumentiert, neue Formen der Geldwäsche machten eine Kontrolle der Kasinos notwendig, bei Impfstoffen und der Biotechnologie handele es sich um einen Schutz gegen moderne Kampfstoffe, die insbesondere durch Terroristen genutzt werden könnten. Daher seien die vorgesehenen Beschränkungen gerechtfertigt.Die EU-Kommission in Brüssel wird die aktuellen Rechtstexte jedoch auch im Zusammenhang der Äußerungen des französischen Präsidenten und des Premierministers sehen. Ersterer sagte, die Regierung “muss die Instrumente zum Schutz unserer strategischen Unternehmen verstärken”, Letzterer sprach von “wirtschaftlichem Patriotismus”. Der Fall DanoneAuch die politische Mobilisierung um den angeblich geplanten Übernahmeversuch von Danone durch Pepsico sollte mit in die Prüfung der aktuellen Rechtsvorschriften einbezogen werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die schon bestehende Möglichkeit des Verbotes von ausländischen Übernahmen französischer Unternehmen in der Vergangenheit nur äußerst selten genutzt wurde. So wurden erst zwei kleinere Übernahmen verboten. Andere problematische Fälle, wie die Übernahme von Gemplus, eines Herstellers von Smart Cards in Verbindung mit Verschlüsselungstechnik, durch den US-Finanzinvestor Texas Pacific Group, haben zu keinen Verboten geführt. Auch die Übernahme des Batterieherstellers Saft, der als wichtiger Zulieferer der französischen Armee gilt, durch den Finanzinvestor Doughty Hanson von dem französischen Telekommunikationsausrüster Alcatel wurde trotz kleinerer arbeitsplatzbezogener Auflagen gemäß Artikel L 151-3 Abs. II genehmigt. Politischer DruckDie heftigen öffentlichen Reaktionen sind wohl eher im Zusammenhang mit sonstigen Äußerungen französischer Politiker zu sehen, da nur für eine kleine Zahl der zehn genannten Sektoren wirklicher Diskussionsbedarf über ihre Zulässigkeit besteht. Es scheint, als sei nach wie vor der politische Druck und nicht die geplante Verordnung das wirkungsvollere Instrument in Frankreich, um ausländische Investoren von Übernahmen abzuhalten.Angesichts der deutschen Diskussionen um die noch zu DaimlerChrysler gehörende MTU und die Ausweitung des deutschen Vetorechts sollte jedoch dringend eine einheitliche europäische Regelung angestrebt werden, insbesondere, da es zwischen einigen Ländern – Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, Spanien und Großbritannien – schon ein Rahmenabkommen aus dem Jahr 2000 gibt. Demnach verpflichten sich die teilnehmenden Länder darauf, dafür Sorge zu tragen, “dass die volle oder partielle Übernahme eines Rüstungsunternehmens auf ihrem Territorium durch irgendeine juristische Person von außerhalb des Territoriums der Teilnehmer nicht die Versorgungssicherheit bzw. irgendein anderes legitimes nationales Sicherheitsinteresse der anderen Teilnehmer beeinträchtigt”.*) Lutz Hartmann, Rechtsanwalt (Frankfurt) und Avocat à la Cour (Paris), ist Partner bei Heide Rechtsanwälte in Frankfurt.