Finanzen persönlich

Viele Vergleichstests führen Verbraucher in die Irre

Auswahl und Gewichtung von Kriterien entscheidend - Für Konsumenten ist die Qualität der Ratings meist nicht überprüfbar - Manipulationsvorwürfe

Viele Vergleichstests führen Verbraucher in die Irre

Von Oskar H. Metzger Vergleichstests zur Verbraucheraufklärung sind eigentlich eine gute Sache. Doch leider gibt es bei ordentlich durchgeführten Tests zu wenige Sieger. Wer aber etwas nachhelfe und den Test solange korrigieren lasse, bis er zu seinem Produkt passt, habe plötzlich ebenfalls einen Spitzenplatz. Solch ein Vorgehen beklagt jedenfalls Christian Hofer von der HUK-Coburg in seiner Untersuchung über Test-Manipulationen.Auch Stefan Marotzke vom Deutscher Sparkassen- und Giroverband kann den Testverfahren nicht nur Gutes abgewinnen: “Nicht alle derzeit am Markt befindlichen Angebote von Tests, Ratings und Rankings erscheinen uns seriös. Zudem sehen wir eine Tendenz zur zahlenmäßigen Vergrößerung der Anbieter von Testsiegeln”, sagt er. Deshalb bestehe die Gefahr einer regelrechten “Siegelinflation”. Verwirrte Kunden”Eine große Anzahl von Gütesiegeln kann zu Verwirrung führen”, warnt auch Stephanie Pallasch von der Stiftung Warentest. Umso wichtiger ist es für die Expertin, dass der Verbraucher sich nur auf Siegel und Testurteile verlässt, denen er vertrauen kann. Dazu gehört, dass das hinter dem Siegel stehende Testverfahren von Experten durchgeführt wird und unabhängig sowie transparent ist.Da in aller Regel Spielräume beim Setzen von Schwerpunkten des Bewertungsverfahrens bestehen, sei eine neutrale Ausrichtung des Testanbieters erforderlich, betont auch Hofer von der HUK-Coburg. “Werden nämlich gewisse Mindestanforderungen nicht erfüllt, dann können die Vergleiche so gestaltet werden, dass das gewünschte Produkt an die Spitze rutscht”, warnt der Experte.Die Publikationen der Stiftung Warentest sind anzeigenfrei, beruhigt Pallasch. Dadurch besteht auch keine Abhängigkeit von Werbekunden. Die Untersuchungen werden zudem im Vorfeld mit Fachleuten besprochen. Dabei sind Anbietervertreter, Verbraucherschützer und neutrale Sachverständige anwesend. Lob für Stiftung Warentest”Insgesamt gehören die Tests der Stiftung Warentest zu den hochwertigeren Untersuchungen”, bestätigt Birgit Langer von den Generali Versicherungen. Die Tester müssten ihre Kriterien und deren Gewichtung jedoch deutlich kommunizieren, fordert die Expertin. Zudem sollten eng beieinander liegende Ergebnisse entsprechend bewertet und nicht im Interesse eines breiten Notenspektrums auseinander gezogen werden, erläutert Langer.Problematisch seien Untersuchungen, die allein aufgrund des Preises entscheiden, da dabei der Leistungsumfang nicht berücksichtigt werde, sagt Hofer. Aber auch Verfahren, die über die Vergabe von Punkten für gewisse Leistungsarten zu einem Ergebnis kommen, sind über die Auswahl und Gewichtung der Leistungspositionen gestaltbar und deshalb kritisch zu betrachten.In diesem Zusammenhang beklagt Christian Arns von der Debeka eine Untersuchung über private Haftpflichtversicherungen in der Ausgabe 8/2008 der Zeitschrift “Finanztest”. Dabei schnitt das Produkt des Unternehmens nur befriedigend ab. Die Tester gingen davon aus, dass es zehn Kriterien gibt, die “absolut notwendig” für den sogenannten Grundschutz sind. Hierunter fiel auch eine Absicherung für “das Hüten fremder Pferde”. Versicherer, die nicht alle zehn Kriterien erfüllten, konnten keine gute oder sehr gute Note erhalten. “Im Test machte es dagegen keinen Unterschied, ob die Versicherungssumme 3 Mill. Euro oder – wie bei der Debeka – 50 Mill. Euro beträgt”, sagt Arns.Es gebe für Verbraucher keine Möglichkeit, die Qualität der Ersteller von Ratings selbst zu prüfen. Denn ein Rating der Rater existiere nicht, beklagt Rolf Bauer von der Continentale Krankenversicherung. Aus diesen Gründen verweigert die Continentale auch die Teilnahme an Tests, lässt sich als Unternehmen nicht bewerten und wirbt auch nicht mit Testergebnissen oder Ratingtestaten. Aus Sicht des Wettbewerbs gibt es für Bauer bei Tests vor allem ein Problem: “Es ist möglich, für bestimmte Tests optimierte Tarife zu entwickeln.” Entsprechend gut würden diese dann auch bewertet. Ob sie dann tatsächlich auch für Kunden geeignet sind, sei dabei kein Maßstab, so Bauer. Saubere MethodikTests, Ratings und Rankings müssten auch selbst transparent und handwerklich sauber sein, sagt Volker Leienbach vom Verband der privaten Krankenversicherung: “Sie müssen ihre Methodik, ihre Kriterien und die Faktoren ihrer Gewichtung offenlegen – bis hin zu der Frage, wer den jeweiligen Test finanziert.” Die Kriterien müssten aus Verbrauchersicht definiert werden, fordert der Experte, und dürften nicht von Vorlieben oder Vorurteilen der Testautoren beeinflusst sein – und schon gar nicht vom Drang nach Schlagzeilen. Hohe VoraussetzungenZum Teil werden die Zugangsvoraussetzungen zum Rating so festgesetzt, dass Tarife von unbequemen Versicherungsunternehmen diese nicht erfüllen und so erst gar nicht auftauchen, beklagt Hofer von der HUK-Coburg. Denkbar ist auch für diesen Experten, dass vor einer Veröffentlichung die Produkte so gestaltet werden, dass sie genau den Testerfordernissen genügen und deshalb ganz vorne rangieren. Nach der Markteinführung des neu gestalteten Produkts werde dann der Test veröffentlicht. “Eine bessere Werbung für ein neues Produkt kann es ja wohl kaum geben”, sagt Hofer.Prinzipiell kann nach den Erkenntnissen von Hofer “in jeder Versicherungssparte ein Vergleich so gestaltet werden, dass jedes x-beliebige Produkt an vorderster Stelle rangiert”. So sei es z.B. in der Kfz-Versicherung denkbar, dass gewisse Leistungsmerkmale (Nebenleistungen) als Grundvoraussetzung für die Aufnahme in den Test angegeben werden, die nur bestimmte Versicherer anbieten.”Anbieter von Tests und Ratings haben eine besondere Verantwortung, weil sie damit rechnen müssen, dass die von ihnen als ,gut` empfohlenen Produkte später auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von den Verbrauchern gekauft werden”, sagt Peter Schwark vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Deshalb müsste man bei den Testern eine entsprechende Sachkunde und Objektivität voraussetzen.Der Leser müsse zudem wissen, wer in wessen Auftrag testet oder ratet, fordert Schwark. Dennoch würden manche Tests unbefriedigend bleiben, wenn beispielsweise Versicherungsprodukte allein wie eine Geldanlage getestet werden, ohne den Versicherungscharakter und den Wert des Versicherungsschutzes adäquat herauszuarbeiten. Das jüngste Beispiel sei der Test zu Sterbegeldversicherungen in der “Finanztest”-Ausgabe vom August 2009. Dieser veranlasste Schwark sogar zu einem Beschwerdebrief an den Chefredakteur, den er auch auf die Verbandswebsite stellte. Gütesiegel gewünschtNach der Erfahrung von Dörte Lochner von der Wüstenrot & Württembergischen werden Produkttests von Verbrauchern in der Regel aufmerksam registriert und gegebenenfalls auch hinterfragt. Das stellten die Servicecenter fest, die telefonische Kundenrückfragen entgegennehmen. Doch wie können Verbraucher vermeiden, durch manipulierte Tests getäuscht zu werden? Ist gar ein Gütesiegel notwendig? “Es wäre wünschenswert, dass sich alle Tests vor der Veröffentlichung einer Überprüfung unterziehen, ob sie die Mindestvoraussetzungen erfüllen”, zieht Hofer aus seiner Untersuchung Bilanz. In diesem Falle könnte dann ein Zertifikat verliehen und bei der Veröffentlichung angegeben werden.