Vom Automobil-Leasing zum Mobilitätsmanagement

Leasing unterstützt E-Mobilität beim Markthochlauf - Kunden fordern mehr Flexibilität - Die Branche muss digitaler werden

Vom Automobil-Leasing zum Mobilitätsmanagement

Wer heutzutage einen Blick in alte Werbeanzeigen wirft, findet Skurriles. In einer Anzeige der V.A.G. Leasing aus dem Jahr 1984 hieß es: “Großwäscherei Volkmann hat ihr Defizit ausgebügelt: Sie hat eine neue Waschanlage gekauft. Und die Firmenwagen geleast.” Mit solch markigen Erklärungen versuchten die Werbemacher kleinere Gewerbekunden für die damals noch relativ junge Beschaffungsform des Fahrzeugleasings zu begeistern. An dem Kernargument, verfügbare Geldmittel besser in Investitionen des Kerngeschäfts zu stecken, anstatt diese im eigenen Fuhrpark zu binden, hat sich seit all den Jahren aber wenig verändert. Leasing fördert E-MobilitätHeutzutage muss man in den wenigsten Fällen bei gewerblichen Kunden noch große Überzeugungsarbeit leisten. Auch Privatkunden setzen verstärkt auf Leasing. Und damit nicht genug: Besonders beim Markthochlauf von E-Mobilität kann Leasing helfen. Gleichzeitig bekommt das Fahrzeugleasing Konkurrenz durch flexiblere Nutzungsmodelle.Fest steht: Fahrzeugleasing ist die dominierende Beschaffungsform für Unternehmer und Privatkunden. Laut Dataforce Leasing-Analyse 2018 sind rund 60 % der gewerblichen Fahrzeuge geleast (Leasing-Quote 2). Auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive bleibt Leasing bei Unternehmen en vogue. Laut Bundesverband der Deutschen Leasing-Unternehmen (BDL) stieg 2018 das Leasing-Neugeschäftsvolumen auf ein Rekordniveau in Höhe von 69,7 Mrd. Euro. Mit ca. 77 % stellten Pkw und Nutzfahrzeuge den Großteil dieses Investitionsvolumens dar. PlanungssicherheitInteressanterweise hatte auch die neue Bilanzierungsregel IFRS 16 keinen negativen Einfluss auf das Leasinggeschäft. Das zeigt: Individuell zugeschnittene Investitionslösungen, Planbarkeit der Kosten, umfassende Full-Service-Bestandteile sowie eine Betriebsausstattung auf dem neuesten Stand der Technik sind die wichtigsten Kriterien für Unternehmen. Angesichts der großen Veränderungen, der sich die Autobranche gegenübersieht, ist gerade der zuletzt genannte Punkt wichtig. Denn Kunden erhalten mit dem Leasingvertrag Planungssicherheit bei dem Markthochlauf von Elektromobilität und müssen sich nicht mit schwer einschätzbaren Themen wie der Gebrauchtwagenvermarktung von E-Fahrzeugen beschäftigen. Das schafft Vertrauen in die neue Technik.Zum Beispiel rechnen die Volkswagen Financial Services damit, dass rund 80 % der vom Volkswagen Konzern abgesetzten E-Fahrzeuge in den eigenen Büchern landen. Und auch im Privatkundenbereich scheint sich das Fahrzeugleasing aus seiner Nische herauszubewegen. Nutzung anstelle von Eigentum ist das Stichwort. Da sich die allerwenigsten Fahrzeuge als zinssichere Geldanlage eignen, ein durchaus nachvollziehbarer Ansatz. Trotz der objektiv bedeutenden Rolle des Leasinggeschäfts für den Fahrzeugabsatz und die gesamte Volkswirtschaft lässt die Konkurrenz nicht mehr auf sich warten. Zum Beispiel stellt Dataforce in der besagten Studie fest, dass der Leasinganteil in Großflotten seit 2014 von 64 auf 54 % gesunken sei. Vor allem der Wunsch nach mehr Flexibilität, getrieben durch Urbanisierung und Digitalisierung, scheint für immer mehr Privat- und Geschäftskunden relevanter zu werden. Oder anders gesagt: Die Revolution frisst ihre Kinder. Durch Leasingverträge haben die Menschen gelernt, dass man nicht unbedingt Eigentümer eines Fahrzeugs sein muss, um unkompliziert von A nach B zu kommen. Wahrheit liegt in der MitteNun legen sie aber noch eine Schippe drauf. Am besten gar keine längerfristigen Verträge mehr – besser Auto-Abos à la Netflix oder gleich Ride- oder Carsharing. Die Wahrheit dürfte allerdings wie so oft in der Mitte liegen. Genauso wenig wie jeder 30 000 Kilometer pro Jahr mit seinem Fahrzeug zurücklegt, leben alle Menschen in Berlin, sind Mitte 20 und benötigen nur das Rad oder die Bahn, um zum Arbeitsplatz zu kommen oder sich mit Freunden zu treffen. Richtig ist: Neben dem Fahrzeugleasing werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Beschaffungsformen für Mobilität etablieren, die auf den jeweiligen Bedarf der Kunden zugeschnitten sind. Diese Entwicklung wird sich jedoch nicht in allen Regionen sowie Ländern in der gleichen Geschwindigkeit und in der gleichen Ausprägung vollziehen.Dennoch sollten sich Leasingunternehmen darauf einstellen und in der Lage sein, diese verschiedenen Bedarfe möglichst umfassend zu erfüllen. So bieten die Volkswagen Financial Services bereits seit einigen Jahren neben dem Leasing auch die Langzeit- und Kurzzeitmiete aus einer Hand an. Im Angesicht der WLTP-Auslieferungsschwierigkeiten ein echter Segen, denn Kunden konnten unkompliziert im Unternehmen gehalten werden, ohne Einschränkung von Mobilität. Für Fuhrparkmanager und Privatleute geht es immer mehr darum, ihren genauen Mobilitätsbedarf zu analysieren. Kein Allheilmittel mehrAuch für gewerbliche Kunden wird der Leasingvertrag beziehungsweise der Dienstwagen als Gehaltsbestandteil nicht mehr das Allheilmittel bleiben. Schon heute ist erkennbar, dass die jüngere Generation der Arbeitnehmer verstärkt Mobilitätsbudgets nachfragt. Das heißt: Der Arbeitgeber stellt seinem Mitarbeiter ein Budget als Gehaltsbestandteil zur Verfügung. Dieser entscheidet dann nach seinem individuellen Bedarf, welcher Verkehrsträger oder welche Kombination an Fortbewegungsmitteln für ihn am besten ist. Das kann nach wie vor ein Leasingvertrag für ein Geschäftsfahrzeug sein, aber eben auch das ÖPNV-Ticket und die Monatspauschale bei einem Carsharing-Anbieter. Für Unternehmen, die in urbanen Regionen mit guter Verkehrsanbindung ihren Firmensitz haben, können solche Modelle die Zukunft sein.Der Hintergrund: Die Bereiche Travel- und Fuhrparkmanagement werden mittlerweile als zwei Seiten der gleichen Medaille gesehen. Denn Dienstwagenfahrer sind auch Dienstreisende, so dass nicht mehr ausschließlich die Total Cost of Ownership (die Gesamtbetriebskosten) eines Fahrzeugs im Mittelpunkt stehen, sondern die Total Cost of Mobility – also die gesamten Mobilitätskosten, die ein Mitarbeiter verursacht. Das heißt aber nicht, dass der klassische Leasingvertrag ausgedient hat. Vor allen Dingen Außendienstler oder Mitarbeiter im Service werden auch in der Zukunft noch auf ihre Dienstwagen im klassischen Leasingmodell angewiesen sein – dann vermutlich in Verbindung mit einem E-Fahrzeug. Von Start-ups lernenOhne Frage: Die Leasingbranche muss digitaler werden. Denn aktuell ist der Zugang zu einem neuen oder gebrauchten Fahrzeug noch mit verhältnismäßig viel Aufwand verbunden. Hier können die etablierten Leasingfirmen viel von Start-ups und den neuen Auto-Abo-Angeboten lernen. Denn wer genau hinschaut, stellt fest, dass ein Auto-Abo nichts anderes als ein klassischer Mietvertrag im digitalen Gewand ist. Nur der Zugang ist schneller, direkter, transparenter und damit kundenfreundlicher. Der Vertrag und die dahinter liegenden Leistungsbausteine sind altbekannt: Versicherung, Wartung, Reifen – alles inklusive, außer den Spritkosten. Das Ganze klingt nur etwas moderner. Es bleibt abzuwartenAuch das Full-Service-Leasing ähnelt diesem Konstrukt – nur eben mit längeren Laufzeiten und individueller Konfiguration. Wichtig ist, dass sich auch die Captives auf den Weg machen und ihre automobilen Finanzdienstleistungen schnellstmöglich digitalisieren. Die Volkswagen Financial Services haben sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, bis 2020 alle wesentlichen Finanzdienstleistungen – inklusive des Leasings – online abschlussfähig zu machen. Nichtsdestotrotz gilt es hier zu differenzieren. Während bei Privatkunden oder kleinen selbständigen Betrieben mit sehr wenigen Fahrzeugen standardisierte Online-Prozesse gefragt sind, wird sich die Digitalisierung im Großkundenbereich eher auf der Prozessebene widerspiegeln. Denn für große Flotten werden auch in Zukunft individuell verhandelte Konditionen über “Deal” oder “No Deal” entscheiden.Inwiefern das Mietgeschäft dem klassischen Leasing perspektivisch relevante Marktanteile abgewinnt, bleibt noch abzuwarten. Denn Flexibilität geht im Regelfall mit höheren Kosten einher. Ob Kunden tatsächlich bereit sind, diese Mehrkosten für Mobilität auszugeben, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Damit steht eines fest: Das Fahrzeugleasing ist noch lange kein Auslaufmodell, sondern nach wie vor “state of the art”.—-Knut Krösche, Geschäftsführer der Volkswagen Leasing GmbH