RECHT UND KAPITALMARKT

Vorbereitungen für den Banken-Ernstfall

Viele technische Details zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten noch ungeklärt

Vorbereitungen für den Banken-Ernstfall

Von Sven Schelo und Andreas Steck *)Ende Juni hat die Europäische Kommission den lange erwarteten Entwurf der Richtlinie zur “Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen” vorgelegt. Ziel ist es, die Richtlinie bis Ende des Jahres im Europäischen Rat abgestimmt zu haben. Als umfassendes Regelungswerk, welches nicht nur für systemrelevante Banken gilt, führt die Richtlinie weitere Restrukturierungsinstrumente für Banken in finanziellen Schieflagen ein. Ihr Ziel ist es, das Problem des “too big to fail” zu lösen. Die Kosten für eine Abwicklung soll, so der Entwurf, von Gesellschaftern und Gläubigern, nicht aber vom Staat getragen werden. Neues InstrumentIm Fokus der Diskussion steht dabei das neue Bail-in-Instrument, welches mit ein Grund dafür war, dass der Entwurf erst mit einiger Verzögerung veröffentlicht worden ist. Mit diesem Instrument soll es der Abwicklungsbehörde ermöglicht werden, durch hoheitliche Anordnung, also qua Verwaltungsakt, bestehendes Eigenkapital zum Erlöschen zu bringen. Auch Fremdkapitalforderungen können hoheitlich runtergeschrieben bzw. in Eigenkapital umgewandelt werden, sofern sie nicht bevorrechtigt sind. Vor dem Hintergrund dieses neuen Instruments besteht bei vielen die Sorge, dass sich Banken künftig schwerer refinanzieren können, da Investoren dieses Risiko “einpreisen”.Systematisch ist das Bail-in-Instrument eine Alternative zu der Aufspaltung der Bank per Übertragungsanordnung auf eine Brückenbank. Denn auch durch die Übertragungsanordnung können Verbindlichkeiten in der alten Bank zurückbleiben, um dann in einem Insolvenzverfahren nur bedingt befriedigt zu werden. Ein derartiges “Brückenbankinstrument” gibt es bereits im deutschen Recht.International ist es auch bereits in vielen Ländern eingeführt. Dagegen stellt das Bail-in-Instrument nicht nur für das deutsche Recht, sondern auch für viele andere Ländern eine Neuerung dar. Von der Stoßrichtung allerdings führt es zu ähnlichen Ergebnissen: Nur wird bei der Brückenbank die Bank in eine gute (und systemrelevante) Brückenbank und in eine insolvente Bank aufgeteilt und auf diese Weise die Bilanz der Brückenbank gestärkt. Demgegenüber geschieht dies beim Bail-in-Instrument ohne Aufspaltung, durch “Bilanzreparatur” am bestehenden Rechtsträger. Hohe IntensitätAufgrund der hohen Eingriffsintensivität des Bail-in-Instruments kann es erst dann angewendet werden, wenn sich die Bank bereits im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder drohenden Überschuldung befindet, also de facto insolvenzreif ist. Gleiches gilt für das bereits bekannte Brückenbankinstrument. Es ist also nicht so, wie teilweise von Marktteilnehmern befürchtet, dass dies ein Instrument ist, welches im Ermessen der Abwicklungsbehörde jederzeit, auch bei leichteren Krisen, eingesetzt werden kann. Vielmehr ist es ein Instrument zur Abwendung der Insolvenz, welches durch die Einsetzung eines Sonderverwalters begleitet werden kann.Zahlreiche technische Details der Umsetzung des Bail-in-Instruments liegen noch im Dunkeln. So sieht der Richtlinienentwurf vor, dass durch das Bail-in-Instrument Aktien “gelöscht” (im Englischen Entwurf “canceled”) und Verbindlichkeiten in Eigenkapital umgewandelt werden sollen und zwar so, dass unterschiedliche Eigenkapitalanteile je nach Rang der betreffenden Forderung zugeteilt werden.Im deutschen Recht würde es sich anbieten, dieses Instrument im Wege eines hoheitlichen Kapitalschnitts umzusetzen, bei dem in einem ersten Schritt das bestehende Eigenkapital durch hoheitliche Anordnung ganz oder teilweise herabgesetzt und sodann bestehende Verbindlichkeiten je nach Rang in Eigenkapital umgewandelt werden. Es versteht sich von selbst, dass hier im Aktienrecht entsprechend Änderungen für solch einen Verwaltungsakt vorgesehen werden müssten.Darüber hinaus wird das Thema Bewertung eine wichtige Rolle spielen. Es muss zum einen festgestellt werden, in welcher Höhe neues Eigenkapital erforderlich ist. Zum anderen ist die Bewertung für die Frage entscheidend, bis in welche Klasse hinein Verbindlichkeiten in Eigenkapital umgewandelt werden und wie viel des bestehenden Grundkapitals herabgesetzt werden muss.Schließlich muss auch bewertet werden, welchen Wert die so umgewandelten Forderungen haben, sprich wie viele neue Aktien und Grundkapital für diese hoheitliche Maßnahme geschaffen werden können. Entsprechend widmet die Richtlinie dem Bewertungsthema einen gesamten Abschnitt, in dem grundsätzliche Methoden der Bewertung teilweise festgelegt werden.Da die Zeit bei Erlass der Maß-nahme oft aber sehr knapp sein dürfte, wird die Abwicklungsbehörde berechtigt sein, zunächst auf Grundlage einer vorläufigen Bewertung zu agieren.Doch wo sind die Grenzen dieses erheblichen Eingriffsinstruments? Hier gilt der Grundsatz, dass kein Gläubiger schlechter stehen soll als er stünde, falls die entsprechende Maßnahme unterblieben und ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre. Der hypothetischen Insolvenzquote kommt daher bei der Bewertung ebenfalls eine zentrale Rolle zu. Dies ist aber nicht neu: Denn auch bei dem bereits in Deutschland eingeführten Brückenbankinstrument laufen Gläubiger Gefahr, in einer Krisensituation der Bank zurückzubleiben und auszufallen. Auch hier existieren vergleichbare Ausgleichsmechanismen. ParallelinstrumentEtwas anders sieht es allerdings bei dem Parallelinstrument, der Debt-Write-Down-Maßnahme aus. Sie zählt in der Richtlinie nicht zu den Abwicklungsinstrumenten. Sie soll daher auch schon zu einem früheren Zeitpunkt eingreifen, nämlich bereits dann, wenn die Bank sich in einem Stadium der “Non-Viability” befindet und auch nur Verbindlichkeiten umfassen, die zum Kern- oder Ergänzungskapital gehören bzw. regulatorisches Eigenkapital darstellen. Auch hier ist die Idee, dass Eigenkapital zunächst durch hoheitliche Anordnung abgeschrieben und dann – auch wenn der Entwurf es nicht so ausdrücklich sagt – Verbindlichkeiten in Eigenkapital umgewandelt werden.Das Debt-Write-Down-Instrument greift nicht so tief in die Bilanzstruktur ein, weil “Senior Verbindlichkeiten” nicht erfasst werden. Als “Kompensation” dafür soll es aber in einem früheren Stadium greifen, eben dem Stadium der Non-Viability, was die deutsche Version der Richtlinie mit “nicht existenzfähig” bezeichnet.Allerdings stellt sich hier die Frage, welche Trennschärfe der Begriff “Non-Viability” hat. Ist hiermit der insolvenzrechtliche Begriff der negativen Fortführungsprognosen gemeint? Dies wäre wiederum gleichbedeutend mit dem Begriff einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, womit aber auch die Abgrenzung zum Bail-in-Instrument verloren ginge. Daher muss von der Systematik her Non-Viability ein Zustand sein, der vor dem Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit greift und auch nicht gleichbedeutend ist mit dem Begriff der negativen Fortführungsprognose.Im Endergebnis ist daher festzuhalten, dass das Debt-Write-Down-Instrument noch an Trennschärfe hinzugewinnen muss, soll es nicht die Refinanzierungsfähigkeit der Bank verschlechtern und gegenüber dem Bail-in-Instrument eine eigene Funktion entwickeln. Das Bail-in-Instrument stellt dagegen eine Abwicklungsmaßnahme dar, die erst bei Insolvenzreife der Bank greift.Bei beiden Instrumenten stellen sich komplexe Bewertungsthemen – sprich: ohne Vorbereitung und gute Kenntnisse der Bank, ihrer Gläubiger und der Bilanzstruktur, werden sich beide Instrumente nur sehr schwer anwenden lassen (das gilt im Übrigen ebenso für das bereits bestehende Brückenbankinstrument). Hier schließt sich dann wieder der Kreis zu einem weiteren Schwerpunkt des Richtlinienentwurfs, nämlich der Abwicklungsplanung und der Vorbereitung auf den Ernstfall.—-*) Dr. Sven Schelo und Andreas Steck sind Partner im Frankfurter Büro von Linklaters.