Finanzen persönlich

Vorhersagen aus der Chefetage

Vorstände und Aufsichtsräte müssen offenlegen, wenn sie mit Aktien des eigenen Unternehmens handeln - Viele Privatanleger machen es ihnen nach

Vorhersagen aus der Chefetage

Von Sandra Middendorf Selten haben so viele Führungskräfte in das eigene Unternehmen investiert wie in den vergangenen Monaten. Siemens-Chef Peter Löscher hat seit Januar 100 000 Aktien seines Unternehmens gekauft und dafür 7,4 Mill. Euro ausgegeben. Erwin Eichler von Thyssen Krupp bezahlte Anfang März mehr als 700 000 Euro für Anteile an seinem Unternehmen. Und RWE-Chef Jürgen Großmann erwarb seit Anfang des Jahres Aktien im Gegenwert von 3,7 Mill. Euro. Sie alle nutzen die Auswirkungen der Finanzkrise an den Börsen und decken sich zu vermeintlich günstigen Kursen mit Aktien ein. Glaube an langfristigen ErfolgDie Vorstände glauben an ihr Unternehmen, zumindest mittel- und langfristig. Und weil sie am besten wissen sollten, wie es sich entwickelt, lohne es sich für Privatanleger, es den Insidern gleichzutun, sagt Christian Rouette vom Forschungsinstitut für Asset Management (Fifam) an der RWTH Aachen. Zwar sei das nur ein Indikator von vielen, die Privatanleger beachten sollten, aber Manager steckten seiner Meinung nach nur dann persönliches Kapital in ihr Unternehmen, wenn sie davon überzeugt seien, dass es langfristig an Wert gewinnt. Outsider können die Transaktionen auf der Seite www.insiderdaten.de nachlesen. “In den letzten Jahren sind die Zugriffszahlen konstant gestiegen”, sagt Thomas Winkler, der das Portal seit 2001 betreibt.In den USA sind Insidergeschäfte, die sogenannten Director’s Dealings, bereits seit 1934 meldepflichtig. In Deutschland müssen Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen erst seit Juni 2002 ihre Käufe und Verkäufe von Anteilsscheinen des eigenen Unternehmens bekannt geben. Ausgenommen wurden 2004 Geschäfte, deren Summe bis zum Ende des Kalenderjahres 5 000 Euro nicht überschreitet. Auch nahe Verwandte müssen ihre Transaktionen innerhalb von fünf Tagen melden. Im Gegensatz zu gesetzeswidrigen Insidergeschäften, die auf Informationen beruhen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, sind die Director’s Dealings legal, sofern die Insider belegen, dass keine geheimen Informationen Auslöser für ihre Entscheidung waren. “Das ist eine sehr positive Entwicklung, denn das schafft Transparenz und Vertrauen in die Unternehmen”, sagt Lothar Gries von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Dass es einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der getätigten Director’s Dealings und dem Aktienmarkt gibt, belegt das Insider-Barometer, das die Fifam wöchentlich berechnet (siehe Chart). Dort fließen sowohl Käufe als auch Verkäufe ein, die Insider der Dax- und MDax-Unternehmen in den vergangenen drei Monaten getätigt haben. Ein Wert über 100 bedeutet, dass überproportional viele Insider gekauft, ein Wert unter 100, dass überproportional viele verkauft haben.”In der Vergangenheit hat das Barometer die Entwicklung des Dax in den darauf folgenden Monaten gut prognostiziert”, sagt Rouette. Dabei bezieht es sowohl die Anzahl der Insidertransaktionen als auch das gehandelte Volumen ein. “Im Moment wird extrem viel gekauft”, sagt Rouette, “der Wert des Barometers liegt mit 200 nahe dem Allzeithoch”. Die meisten Chefs rechnen also damit, dass die Krise bald vorbei ist und ihr Unternehmen wieder an Wert gewinnt. Nicht ganz so einfach Für Nachmacher hieße das, es Löscher gleichzutun und möglichst viele Siemens-Aktien zu kaufen. Ganz so einfach sei das aber nicht, warnt Gries von der SdK. “Nicht jeder Kauf eines Insiders bedeutet, dass danach die Aktie steigt.” Das Paradebeispiel sei die Aktie der Hypo Real Estate. Da haben Insider gleich zweimal falsch gelegen. Kurz vor den Abschreibungen im September hatten die Vorstände 35 000 Aktien der Bank gekauft, sich nach dem folgenden Kurseinbruch dann zunächst zurückgehalten und jetzt im Januar noch einmal Anteile im Wert von insgesamt mehr als 2 Mill. Euro erworben. Kurz nach den Käufen sank die Aktie erneut um knapp 9 Euro.Man könne sich schon nach den Käufen und Verkäufen richten, sagt Gries, aber eine Garantie sei das auf keinen Fall. Vor allem nicht, wenn man kurzfristig plant, denn Manager würden vor allem langfristig investieren. Zudem könne es sein, dass Vorstände mit dem Kauf nur signalisieren wollen, dass man ihnen, dem Unternehmen und der Aktie vertrauen könne. “Ein PR-Instrument”, sagt Gries. “Ob das hinter einem Kauf steht, kann ein Anleger nicht wissen”. “Natürlich muss man aufpassen, dass es sich nicht um strategische Käufe handelt”, sagt Thomas Heidorn, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management, “wenn gleich mehrere Führungskräfte eines Unternehmens Aktien kaufen, ist das meist nicht der Fall”. Grundsätzlich aber hält Heidorn Insidergeschäfte für gute Indikatoren. Das belegt auch die Studie “Performance-Effekte nach Directors’ Dealings in Deutschland, Italien und Niederlanden”, die die Hochschule für Bankwirtschaft im August 2004 herausgegeben hat. “An den Ergebnissen hat sich seitdem grundsätzlich nichts geändert”, sagt er.Outsider, die Insider nachahmen, erzielten der Studie zufolge “abnormale Renditen”, die nach drei Monaten nach Bekanntgabe der Deals bis zu 2,57 % höher liegen als ohne den vorangegangenen Deal. Für Verkäufe konnte dieser Effekt allerdings nicht nachgewiesen werden. Häufig handelt es sich dabei nur um kurzfristige Liquiditätsengpässe, die den Insider zum Verkauf zwingen, nicht aber um die Gewissheit, dass die Aktie alsbald fallen wird. Wer nicht selbst die Datenbank www.insiderdaten.de nach Insidergeschäften durchforsten will, kann sein Geld auch in verschiedene Zertifikate investieren, die auf Director’s Deals basieren. Das S-Box Insider Index Zertifikat der Deutschen Bank basiert auf dem S-Box Insider Performance Index, der von der Börse Stuttgart berechnet wird. Er bildet die Kursentwicklung von 15 Aktien aus SDax-, MDax- und TecDax-Unternehmen ab, die im vorausgegangenen Quartal am meisten Insider-Käufe vorweisen konnten. Die Commerzbank bietet insgesamt drei Zertifikate an, die auf den Transaktionen von Insidern basieren; eines investiert in Dax-Werte, eines in MDax-Aktien und das dritte in Insiderpapiere beider Indices. In allen drei Zertifikaten wird ein Performance-Index aus einer bestimmten Anzahl von Unternehmen errechnet, die die meisten Director’s Deals aufweisen. Ausgewählt werden die in den Index einfließenden Aktien von der Fifam. Einen Fonds bietet die VCH an. Er investiert in US-Aktien, die aufgrund von Director’s Dealings ausgewählt werden.