Vorreiterrolle in der Bankenregulierung
Von Andreas Steck und Frederik Winter *)Mit dem Entwurf eines “Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen” wurde vom Bundeskabinett am Mittwoch dieser Woche das jüngste Bankenregulierungsvorhaben der Bundesregierung auf den Weg gebracht. Und wie bei den vorangegangenen Gesetzesvorhaben nimmt der Gesetzgeber auch diesmal wieder europäische Entwicklungen vorweg und übernimmt – bewusst und explizit – eine Vorreiterrolle. Drei ThemenDer Gesetzesentwurf behandelt drei unterschiedliche Themenfelder, die alle dem Ziel dienen sollen, Bankenschieflagen zu verhindern bzw. Restrukturierungsmaßnahmen zu erleichtern.In die letzte Kategorie fällt das nunmehr im Kreditwesengesetz verankerte Erfordernis, seitens der Bank Sanierungs- und seitens der Aufsicht Abwicklungspläne für jedes Institut auf jährlicher Basis zu erstellen. Die Vorschläge weisen keine Überraschungen auf, sie sind grundsätzlich konsistent mit den bereits in den “Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänenö der BaFin aufgestellten Anforderungen. Ferner gleichen sie den international erarbeiteten Standards des Financial Stability Board aus dem Jahr 2011 und dem Entwurf der “Krisenmanagement-Richtlinie”, die derzeit auf europäischer Ebene finalisiert wird.Derartige Maßnahmen sind in jedem Fall eine notwendige Voraussetzung, um die jederzeitige Abwicklungsfähigkeit der Institute herstellen zu können, ohne dass staatliche Unterstützungsmaßnahmen notwendig werden. Nur detaillierte Kenntnisse über die konkreten Risikoprofile der einzelnen Geschäftsbereiche und über die Zusammenhänge, Abhängigkeiten und Schnittstellen innerhalb der Bankorganisation versetzen die Aufsicht in die Lage, im Krisenfall geeignete Abwicklungsmaßnahmen zu ergreifen bzw. im Vorhinein beurteilen zu können, ob das jeweilige Institut in seiner jetzigen Aufstellung überhaupt abwicklungsfähig ist. KontroversDeutlich kontroverser dürfte die Diskussion über die Einführung eines Trennbankensystems geführt werden, wie diese derzeit vom Kabinett vorgeschlagen wird. In Anlehnung an die Vorschläge der Liikanen-Kommission, einer EU-Expertengruppe zur Regulierung großer Kreditinstitute, sieht der Gesetzentwurf vor, dass die als “spekulative” Geschäfte bezeichneten nicht kundenmotivierten Eigengeschäfte der Banken nunmehr ausschließlich von rechtlich und wirtschaftlich getrennten Handelseinheiten (Tochtergesellschaften) durchgeführt werden müssen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Dies soll auch für Kreditgeschäfte mit Hedgefonds oder Parteien mit vergleichbarem Risikoprofil gelten. Aufgrund der hohen Schwellenwerte werden bewusst nur wenige Banken hiervon betroffen sein: Die Handelsaktivitäten müssen mindestens 100 Mrd. Euro oder 20 % der Bilanzsumme ausmachen, wobei in letzterem Fall zusätzlich eine Bilanzsumme von mindestens 90 Mrd. Euro erforderlich ist.Für die wenigen betroffenen Banken wird sich allerdings zunächst die Frage stellen, welche Geschäfte nun nach dem Willen des Gesetzgebers an die Tochtergesellschaft übertragen werden sollen. Was genau ist ein Eigengeschäft? Der Gesetzgeber knüpft hierbei nur an das Bankgeschäft im Außenverhältnis an und trifft damit eine mehr oder weniger formalrechtliche Einschätzung.Die interne Verarbeitung der Risiken sowie die Frage, in welchem Umfang und mit welcher Methode die Positionen abgesichert wurden, sind zwar für die Risikostruktur des Instituts von entscheidender Bedeutung, werden im Gesetzesentwurf bislang aber nur untergeordnet und unvollständig angesprochen. Und ist erst einmal klar, welche Positionen genau übertragen werden sollen, wird deren Übertragung und Heraustrennung sicherlich eine operative Herausforderung sein.Im Zweifelsfall von größter praktischer Brisanz ist der dritte in dem Kabinettsentwurf abgehandelte Themenbereich. Dieser sieht vor, dass Bankvorstände mit Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt werden können, wenn sie nicht sicherstellen, dass bestimmte, nunmehr im Kreditwesengesetz explizit aufgeführte Risikomanagementstandards eingehalten werden und dadurch eine Bestandsgefährdung, d. h. die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs der Bank, verursacht wird. Nicht nur vorsätzliches, sondern auch fahrlässiges Verhalten soll dabei strafrechtlich erfasst werden.Auf den ersten Blick erscheint dies gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen innerhalb der Finanzkrise als sachgerecht. Liest man aber den entsprechenden Anforderungskatalog an die erforderlichen Risikomanagementstandards, so wie er nun im Kreditwesengesetz etabliert werden soll und wie er in weiten Teilen bereits seit Jahren in den “Mindestanforderungen an das Risikomanagement” existiert, ergeben sich allerdings erhebliche Zweifel, ob die vorgeschlagenen Regelungen mit dem im Grundgesetz normierten Bestimmtheitsgebot in Einklang stehen. Danach müssen strafrechtliche Normen so konkret sein, dass der Einzelne von vornherein wissen kann, was strafrechtlich verboten ist, um in der Lage zu sein, sein Verhalten danach auszurichten.Bei dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf werden hingegen eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe verwendet, wie zum Beispiel die Pflicht, eine “im Hinblick auf die Risikosituation des Instituts “angemessene” personelle und technisch-organisatorische Ausstattung sicherzustellen”. Allein das Wort “angemessen” wird 34-mal im Gesetzentwurf verwendet. Und genau hier liegt das Problem: Zwar ist die Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in Straftatbeständen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von vornherein mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot unvereinbar. Jedoch muss sichergestellt sein, dass sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden und aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der fraglichen Norm gewinnen lässt.Daran fehlt es jedoch hinsichtlich der in dem Gesetzentwurf aufgeführten Pflichten – und hierbei handelt es sich um einen systemimmanenten Mangel, der auch nicht durch andere Formulierungen lösbar erscheint. Denn die Anforderungen sind in weiten Bereichen bewusst abstrakt gefasst, um neuen Produkten, Entwicklungen im Risikomanagement sowie institutsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Das ist durchaus sinnvoll und fordert die Institute, ihre Kontroll- und Risikomanagementsysteme jederzeit weiterzuentwickeln und an die spezifischen Gegebenheiten anzupassen. In der Praxis bedeutet dies aber auch, dass die Aufsichtsbehörden in einer nachträglichen Betrachtung regelmäßig bei Schadensfällen vom Versagen der Risikomanagementsysteme und einem Verstoß gegen die entsprechenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen ausgehen. Das mag man schon in Verwaltungsverfahren kritisch sehen, für den Fall der nunmehr vorgeschlagenen Strafbewährung erscheint es hingegen schwer vorstellbar, dass der Eintritt eines Schadensereignisses automatisch Strafbarkeitsfolgen auslöst. Unrealistisches SzenarioEs macht hier keinen Unterschied, dass die Bestandsgefährdung der Bank weitere tatbestandliche Voraussetzung für eine Strafbarkeit sein soll. Das Strafbarkeitsrisiko ließe sich für die Vorstände wohl nur dann auf ein akzeptables Maß reduzieren, wenn die jeweils vorhandenen Risikosysteme von den Aufsichtsbehörden explizit als für die derzeitigen Institutsanforderungen ausreichend anerkannt würden – ein kaum realistisches Szenario. Sollte der Kabinettsentwurf in dieser Form Gesetz werden, bleibt nur zu hoffen, dass die Strafgerichte bei der Prüfung des Fahrlässigkeitsvorwurfs der Frage der Vorhersehbarkeit von Defiziten im Risikomanagement ausreichend Raum geben. Dabei müssen insbesondere auch die bestehenden Marktusancen berücksichtigt werden.—-*) Andreas Steck und Dr. Frederik Winter sind Partner im Frankfurter Büro von Linklaters.