Recht und Kapitalmarkt

Vorstände sind mit hohen Haftungsrisiken konfrontiert

Abwehr durch Organisation und Dokumentation - Freistellungszusagen rechtlich bedenklich - Versicherungsschutz angeraten

Vorstände sind mit hohen Haftungsrisiken konfrontiert

Von Stefan Rützel *) Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften werden immer häufiger persönlich auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Niemand ist davor gefeit, auch einmal einen Fehler zu machen. Umso wichtiger ist es, sich optimal auf einen möglichen Haftungsfall vorzubereiten. In den letzten Jahren sind die Haftungsrisiken für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft deutlich gestiegen. Als Ursache lassen sich zwei Entwicklungen ausmachen.Durch eine Reihe neuerer Gesetze und gerichtlicher Leitentscheidungen sind die Verhaltensanforderungen an Organmitglieder präzisiert und verschärft worden. Gleichzeitig wurde die Durchsetzung von Haftungsansprüchen erleichtert. Diese Entwicklung gilt in gleichem Maße für die Verantwortlichkeit gegenüber unternehmensexternen Dritten und gegenüber der eigenen Gesellschaft. Während nach außen regelmäßig nur bei einer vom Anspruchsteller zu beweisenden vorsätzlichen Pflichtverletzung gehaftet wird, muss das Vorstandsmitglied der eigenen Gesellschaft schon bei einfacher Fahrlässigkeit einstehen und sich zudem vom Vorwurf der Pflichtwidrigkeit entlasten. Das eigentliche Haftungsrisiko besteht deshalb im Innenverhältnis zur eigenen Gesellschaft. Hemmschwellen Solche Innenhaftungsansprüche werden zunehmend auch geltend gemacht. Dies beruht zum einen darauf, dass mittlerweile nahezu jedes größere Unternehmen über eine Directors + Officers-Versicherung verfügt. Die dadurch bestehende Haftungsmasse schafft einen Anreiz zur Durchsetzung von Haftungsansprüchen. Zum anderen sinken die Hemmschwellen. Insbesondere Insolvenzverwalter prüfen mittlerweile intensiv das Bestehen von Organhaftungsansprüchen. Auch Übernahmen und der damit häufig verbundene Austausch von Vorstand und Aufsichtsrat führen dazu, dass die bisherige Tätigkeit des Vorstands unter Haftungsgesichtspunkten untersucht wird. Gerade für ausländische Investoren ist ein solches Vorgehen selbstverständlich. Auch ist es ein bekanntes Phänomen, dass ein neuer Vorstand die Leistungen seiner Vorgänger kritisiert, um eine gelungene Sanierung präsentieren zu können. Die konsequente Fortsetzung dieses Verhaltens ist der Versuch, außerordentliche Erträge in Form von Schadenersatzzahlungen zu generieren. Und nicht zuletzt ist der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft zur Abwendung einer möglichen eigenen Haftung seinerseits verpflichtet, möglichem Fehlverhalten von Vorstandsmitgliedern nachzugehen und etwaige Schadenersatzansprüche auch geltend zu machen. Entlastungsbeweis Das wesentliche Mittel zur Risikoreduzierung ist eine angemessene Unternehmensorganisation. Der Vorstand muss sicherstellen, dass sämtliche sich aus den gesetzlichen Vorschriften und aus Satzung und Geschäftsordnung ergebenden Pflichten erkannt und beachtet werden. Außerdem muss die Organisation in der Lage sein, die für die Gesellschaft typischen Risiken zu erkennen und möglichst zu vermindern. Soweit Risikogeschäfte abgeschlossen werden, müssen diese angemessen vorbereitet sein. Auch wenn es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt: entscheidend ist, dass all dies schriftlich dokumentiert wird, damit ein Vorstandsmitglied im Bedarfsfall den ihm obliegenden Entlastungsbeweis führen kann. Ein Mittel zur Risikoreduzierung ist dabei eine klare Ressortverteilung im Vorstand. Diese ist entweder in der Satzung oder in einer Geschäftsordnung für den Vorstand schriftlich niederzulegen. Für sein eigenes Ressort trägt das Vorstandsmitglied dann zwar weiter die volle Verantwortung. Dagegen trifft ihn hinsichtlich der anderen Ressorts grundsätzlich nur noch eine Überwachungs- und Kontrollpflicht. Das nicht ressortzuständige Vorstandsmitglied hat sich zwar etwa in den Vorstandssitzungen über die Entwicklungen in den anderen Ressorts zu informieren und muss bei Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen eingreifen. Ansonsten kann es aber für die Vorgänge in einem anderen Ressort nicht haftbar gemacht werden. Die Zustimmung anderer Gesellschaftsorgane führt dagegen nur in Ausnahmefällen zu einer Risikoreduzierung. Die Zustimmung des Aufsichtsrats oder die nachträgliche Billigung der Hauptversammlung entlastet nicht. Dagegen entfällt die Haftung des Vorstandes, wenn eine Geschäftsführungsmaßnahme vor ihrer Durchführung der Hauptversammlung vorgelegt und von dieser gebilligt wird. Dies dürfte aber nur selten praktikabel sein. Die Abmilderung des gesetzlichen Haftungsmaßstabes von einfacher Fahrlässigkeit auf grobe Fahrlässigkeit oder gar auf Vorsatz durch entsprechende Bestimmungen in der Satzung, der Geschäftsordnung oder im Anstellungsvertrag ist nicht möglich. Risikoverlagerung Angesichts der nur beschränkten Möglichkeiten zur Haftungsreduzierung sollte ein Vorstandsmitglied versuchen, die ihm aus einer etwaigen Pflichtverletzung entstehenden Nachteile auf die Gesellschaft oder einen Versicherer zu verlagern. Typischerweise sind dies die entstehenden Rechtsanwaltskosten und ein etwa zu leistender Schadenersatz. Ein Vorstandsmitglied hat auch ohne ausdrückliche Regelung im Anstellungsvertrag einen Anspruch darauf, dass ihm die Gesellschaft die Rechtsanwaltskosten vorschießt. Dieser Anspruch besteht allerdings nicht, wenn sich das Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft schuldhaft pflichtwidrig verhalten hat. Nimmt die Gesellschaft das Vorstandsmitglied auf Schadenersatz in Anspruch, ist der Konflikt vorprogrammiert. Vorschusspflicht? Um Auseinandersetzungen über die Vorschusspflicht zu vermeiden, sollte im Anstellungsvertrag ausdrücklich geregelt werden, dass die Gesellschaft dem Vorstandsmitglied bis zur rechtskräftigen Feststellung des Bestehens einer schuldhaften Pflichtverletzung die Rechtsanwaltskosten vorschießt und ein Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrecht der Gesellschaft ausgeschlossen ist. Um eine optimale Rechtsverteidigung sicherzustellen, sollte die Vorschusspflicht der Höhe nach nicht auf die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren beschränkt werden, sondern auf die voraussichtlich anfallenden Kosten auf Basis eines marktüblichen Stundensatzes.Rechtlich bedenklich sind demgegenüber weitergehende Freistellungszusagen der Gesellschaft. Liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung auch gegenüber der Gesellschaft vor, dürfte eine Freistellung von entstandenen Rechtsanwaltskosten oder von Schadenersatzzahlungen unwirksam sein, wobei möglicherweise eine Ausnahme für nur einfach fahrlässige Pflichtverletzungen gilt. Trotzdem ist es zur optimalen Rechtsgestaltung empfehlenswert, eine solche Freistellungszusage zusammen mit einer Regelung in den Anstellungsvertrag aufzunehmen, wonach eine etwaige Unwirksamkeit dieser Klausel keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der sonstigen Bestimmungen hat. Die geschilderten Bedenken bestehen nicht, wenn eine solche weitergehende Freistellungszusage durch einen Dritten wie etwa die entsendende Muttergesellschaft oder den Mehrheitsaktionär abgegeben wird. D + O-Policen Ein in der Praxis weit verbreitetes Mittel zur Risikoverlagerung ist der Abschluss einer D+O-Versicherung durch die Gesellschaft. Da ein Vorstandsmitglied nach allgemeinen Grundsätzen keinen gesicherten Rechtsanspruch auf Abschluss einer solchen Versicherung hat, sollte eine entsprechende Pflicht im Anstellungsvertrag begründet werden. Dort sollte auch geregelt werden, ob und in welcher Höhe ein Selbstbehalt für das Vorstandsmitglied zulässig ist. Angesichts des sehr unterschiedlichen Inhalts der im Markt angebotenen D+O-Policen sollte der Vorstand sich bei Abschluss des Versicherungsvertrages fachkundig beraten lassen. Im Streitfall verweigern Gesellschaften häufig die Herausgabe der Versicherungsunterlagen und erschweren dem Vorstandsmitglied damit die Beurteilung seiner Versicherungsdeckung. Deshalb sollte im Anstellungsvertrag auch das Recht auf Überlassung einer Kopie des Versicherungsvertrages festgeschrieben werden. *) Dr. Stefan Rützel ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro der Kanzlei Gleiss Lutz.