RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: FELIX SKALA

Wahlmöglichkeit bei fusionsrechtlicher Prüfung gibt es für Unternehmen nicht

Der Fall Kabel BW - Kartellämter in Brüssel und Bonn haben strenge Maßstäbe

Wahlmöglichkeit bei fusionsrechtlicher Prüfung gibt es für Unternehmen nicht

– Herr Skala, seit einigen Monaten wird um die Übernahme von Kabel BW durch Liberty gerungen. Die EU-Kommission hat bekannt gegeben, sie werde die Prüfung der Übernahme dem Bundeskartellamt überlassen. Drückt sich Brüssel um die Entscheidung?Keineswegs. Die EU-Kommission hat hier einem Verweisungsantrag des Bundeskartellamts entsprochen. Eine solche Verweisung ist in der EG-Fusionskontrollverordnung gesetzlich vorgesehen. Danach kann, vereinfacht gesprochen, ein Mitgliedstaat der Kommission mitteilen, dass ein bei ihr angemeldeter Zusammenschluss den Wettbewerb auf einem Markt in diesem Staat beeinträchtigen könnte, und Verweisung beantragen. Die Kommission prüft dann das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen und trifft die Entscheidung, ob sie den Fall ganz oder teilweise an den Mitgliedstaat verweist oder eben selbst das Fusionskontrollverfahren durchführt.- Und im Fall Kabel BW waren diese Kriterien gegeben?Die Kommission ist nach Prüfung des Antrags des Kartellamts zu dem Schluss gekommen, dass die geplante Übernahme von Kabel BW zu erheblichen Beeinträchtigungen auf dem deutschen Markt für Free-TV-Endkundendienste für Wohnungsbaugesellschaften führen und daneben negative Auswirkungen auf dem Einspeisemarkt für die Übertragung von TV-Signalen haben könnte. Betroffen ist also vor allem der deutsche Markt. Damit lagen die Voraussetzungen für eine Verweisung vor.- Wonach richtet sich generell die Zuständigkeit für die kartellrechtliche Prüfung? Was sind die wesentlichen Kriterien?Die Zuständigkeiten sind klar geregelt. Grundsätzlich gilt, dass ein Zusammenschlussvorhaben in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fällt, wenn es gemeinschaftsweite Bedeutung hat. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach gesetzlich festgeschriebenen Umsatzschwellenwerten. Überschreiten die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen diese, ist das Vorhaben bei der Kommission anzumelden.- Und wenn sie darunter liegen?Dann ist zu prüfen, ob und in welchen Ländern eine Anmeldepflicht besteht. Ein Zusammenschluss kann nämlich durchaus – und das wird häufig übersehen – in die Zuständigkeit mehrere nationaler Kartellbehörden fallen und muss dann auch in all diesen Ländern freigegeben werden. Allerdings gibt es bei Vorhaben, bei denen eigentlich nationale Zuständigkeiten gegeben sind, auch die quasi spiegelbildliche Möglichkeit der Verweisung an die Kommission, wenn diese besser geeignet ist, den Fall zu entscheiden.- Wie verhalten sich die Prüfungsmaßstäbe zueinander?Sowohl die Kommission als auch das Bundeskartellamt haben strenge Prüfungsmaßstäbe, die sich letztlich nicht wesentlich unterscheiden. Es gibt nicht wenige Stimmen, die der Ansicht sind, dass es für Liberty nun schwieriger wird, eine Freigabe zu erreichen, da das Kartellamt in der Vergangenheit Zusammenschlüsse auf den Kabelmärkten regelmäßig sehr kritisch betrachtet hat. Auch die Kommission hat ja darauf hingewiesen, dass das Bundeskartellamt in diesem Wirtschaftszweig über langjährige Erfahrung verfügt. Durch die Verweisung ist aber noch keine Vorentscheidung gefallen.- Welchen Spielraum haben Unternehmen generell bei der Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens?Grundsätzlich gibt es hier kein “Forum Shopping”. Eine Wahlmöglichkeit nach vermeintlich besseren Erfolgsaussichten besteht nicht. Nur in bestimmten Ausnahmefällen können sie selbst eine Verweisung von der Kommission an eine nationale Kartellbehörde beantragen.- Was ist Unternehmen in ähnlichen Situationen zu raten?Sie sollten sich im Zusammenhang mit Transaktionsvorhaben sehr frühzeitig mit den fusionskontrollrechtlichen Fragestellungen beschäftigen. In zahlreichen Fällen wird eine bestehende Anmeldpflicht – etwa in weiteren Ländern – nicht oder erst spät im Transaktionsprozess erkannt. Dies kann zu ganz erheblichen Zeitverzögerungen führen und auch andere empfindliche Folgen haben. So drohen neben zivilrechtlicher Unwirksamkeit der Verträge drastische Geldbußen, wenn ein Zusammenschluss trotz bestehender Anmeldepflicht ohne Freigabe der zuständigen Kartellbehörden vollzogen wird. Das Kartellamt hat durch entsprechende Bußgeldentscheidungen in der jüngsten Vergangenheit gezeigt, dass es es mit der Durchsetzung des Vollzugsverbots ernst meint.—-Felix Skala ist Partner der Kanzlei Raupauch & Wollert-Elmendorff in Hamburg. Die Fragen stellte Walther Becker.