Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Georg Maier-Reimer

"Wandelanleihen auch weiter mit voller Flexibilität zulässig"

Landgerichtsentscheidungen erregen Besorgnis im Markt

"Wandelanleihen auch weiter mit voller Flexibilität zulässig"

Die Entscheidungen einiger Landgerichte zu Hauptversammlungsbeschlüssen über die Ausgabe von Wandelanleihen haben im Markt einige Besorgnis erregt. Die Börsen-Zeitung befragte Georg Maier-Reimer von Linklaters dazu. – Herr Dr. Georg Maier-Reimer, was genau besagen diese Entscheidungen?Die Richter erklären die gängige Praxis für nicht gesetzeskonform und die entsprechenden Beschlüsse für nichtig. Wären diese Entscheidungen richtig, wäre das Instrument der Wandelschuldverschreibung aufgrund einer Ermächtigung der Hauptversammlung tot. Sie sind aber nicht richtig. – Was genau muss die Hauptversammlung denn für die Ausgabe einer Wandelanleihe beschließen?Die Begebung oder Ermächtigung zur Begebung – der Schuldverschreibungen und die Schaffung eines bedingten Kapitals. Üblicherweise beschließt die Hauptversammlung die Begebung der Schuldverschreibungen nicht unmittelbar, sondern ermächtigt den Vorstand für fünf Jahre, eine solche Anleihe zu begeben. Dadurch hat die Gesellschaft die Möglichkeit, bei einer passenden Marktlage schnell zu reagieren und Schuldverschreibungen zu optimalen Bedingungen zu begeben. Die Hauptversammlung, die den Vorstand ermächtigt, muss in dem gleichzeitig zu fassenden Beschluss über das bedingte Kapital den Ausgabebetrag für die bei Wandlung zu begebenden Aktien oder die Grundlage, nach denen er berechnet wird, festsetzen. – Wie wird die erforderliche Flexibilität gewährleistet?Dafür kann der Ausgabebetrag im Voraus weder absolut noch durch einen Bezug zum jeweiligen Börsenkurs (als Berechnungsgrundlage) festgelegt werden. Denn je nach Marktlage kann es sich empfehlen, den Ausgabebetrag der Aktien (also den Wandlungskurs) im Verhältnis zum Börsenkurs bei Begebung der Anleihe etwas höher oder etwas niedriger festzusetzen. Die Praxis behilft sich damit, dass ein Mindestausgabebetrag in Höhe von 80 % des Börsenkurses bei Begebung der Anleihe festgelegt wird. Ebensolche Beschlüsse sind in jüngster Zeit von mehreren Landgerichten für nichtig erklärt worden, mit der Begründung, dass die Festsetzung nur eines Mindestausgabebetrages für die neuen Aktien nicht genüge. – Warum sind diese Entscheidungen falsch?Bei der Frage, ob die Festlegung eines Mindestbetrages genügt, muss man nach dem Einsatzzweck des Kapitals differenzieren. Bei bedingten Kapitalien zur Vorbereitung von Unternehmenszusammenschlüssen oder zur Gewährung von Aktienoptionen an Arbeitnehmer oder Führungspersonal ist eine exakte Festlegung des Ausgabebetrages zum Schutz der Aktionäre unerlässlich, weil diesen kein Bezugsrecht zustehen kann. Auf die Wandelschuldverschreibungen haben die Aktionäre aber regelmäßig ein Bezugsrecht – und bedürfen dann keines weiteren Schutzes. Wenn Aktien unmittelbar mit Bezugsrecht der Aktionäre ausgegeben werden, genügt ebenfalls die Festsetzung eines Mindestbetrages. Es gibt keinen Grund, weshalb bei der Ausgabe über ein bedingtes Kapital strengere Anforderungen gelten sollten. – Die volle Flexibilität hat die Gesellschaft allerdings nur, wenn der Vorstand auch ermächtigt ist, das Bezugsrecht der Aktionäre auf die Wandelschuldverschreibungen auszuschließen . . . Auch ein solcher Ausschluss und die Ermächtigung dazu sind zulässig, wenn bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. Die Praxis orientiert sich dabei am vereinfachten Bezugsrechtsausschluss bei der Ausgabe von Aktien. Der Vorstand darf danach das Bezugsrecht ausschließen, wenn der finanzmathematisch ermittelte Wert der Wandelschuldverschreibungen im Zeitpunkt ihrer Ausgabe ihrem Ausgabebetrag etwa entspricht. – Dieser Wert ergibt sich aus verschiedenen Faktoren . . .. . . darunter dem Wandlungskurs im Verhältnis zum aktuellen Börsenkurs, der Volatilität des Aktienkurses, der Laufzeit der Schuldverschreibungen, der Nominalverzinsung im Vergleich zum Marktzins und auch dem Ausgabebetrag der Wandelschuldverschreibungen selbst. Wenn der Vorstand (mit der Emissionsbank) den Zinssatz, die Laufzeit und die sonstigen von ihm bestimmbaren Daten festlegt, dann gibt es unter Berücksichtigung der vom Vorstand nicht beeinflussbaren Faktoren (allgemeine Marktbedingungen, aktueller Aktienkurs und dessen Volatilität) nur einen einzigen Wandlungskurs, mit dem die Vorgabe erfüllbar ist, dass der Ausgabebetrag der Wandelschuldverschreibungen ihrem finanzmathematischen Wert entsprechen muss. Die üblichen Formeln bestimmen deshalb mittelbar einen eindeutig berechenbaren Ausgabebetrag; daher genügen sie den gesetzlichen Anforderungen. Dr. Dr. h. c. Georg Maier-Reimer ist Rechtsanwalt und Partner im Kölner Büro von Linklaters.Die Fragen stellte Walther Becker.