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Wandelanleihen bieten weiteres Kurspotenzial

Börsen-Zeitung, 17.6.2011 Auf der Suche nach positiven realen Renditen bei gleichzeitiger Risikominimierung nehmen Anleger zunehmend wieder Anlageformen jenseits von Aktien oder Anleihen ins Visier. Zwar sind die Erinnerungen an die Finanzkrise noch...

Wandelanleihen bieten weiteres Kurspotenzial

Auf der Suche nach positiven realen Renditen bei gleichzeitiger Risikominimierung nehmen Anleger zunehmend wieder Anlageformen jenseits von Aktien oder Anleihen ins Visier. Zwar sind die Erinnerungen an die Finanzkrise noch allzu präsent, in der jüngsten Zeit sind aber risikobehaftete Anlagen im Durchschnitt besser gelaufen als von den meisten Marktteilnehmern erwartet. Vielen Anlegern stellt sich deswegen die Frage, wie sich eine Rendite oberhalb der Inflationsrate erzielen lässt, ohne übermäßige Verlustrisiken in Kauf zu nehmen. Ins Spiel kommen hier immer häufiger Wandelanleihen, vor allem dank der sehr positiven Wertentwicklung in den vergangenen beiden Jahren und des reizvollen Risiko-Rendite-Profils.Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Anlageklasse Wandelanleihen profitiert im Allgemeinen von steigenden Aktienkursen, bietet aber zugleich eine gewisse Sicherheit, wenn Aktien fallen, da der Kurs dann gegen den Anleihenwert sinkt und das Papier in diesem Fall den Charakter einer herkömmlichen Anleihe annimmt. Renditetechnisch kommen Wandelanleihen demnach Aktien sehr nahe, langfristig sind Verlustrisiko und Volatilität jedoch deutlich geringer. Günstiges ZeitfensterIn der Praxis sprechen derzeit mehrere strukturelle Trends für ein Engagement bei Wandelanleihen; einerseits sind typische Konkurrenzprodukte wie Private Equity und Hedgefonds in der Anlegergunst gesunken, andererseits nehmen Marktkapitalisierung und Liquidität bei Wandelanleihen zu. Zudem spiegelt sich das weit offene Kapitalmarktfenster zur Refinanzierung der Unternehmen in der wachsenden Emissionstätigkeit bei Wandelanleihen wider, die zudem recht gleichförmig über alle Sektoren und Regionen verteilt ist. In den vergangenen Jahren lag der Fokus überwiegend auf einzelnen Sektoren wie Technologie und Telekommunikation (2002/03) oder Finanztitel (2009).Im Vergleich zu den sehr aktiven Regionen USA und Asien hat momentan lediglich Europa gewissen Aufholbedarf. Regionen, welche historisch wenige oder keine Wandelanleihen begeben haben, sind Lateinamerika, Osteuropa inklusive Russland, der Mittlere Osten und Afrika. Einziger Wermutstropfen ist die derzeitige Konkurrenz aus dem Bereich der herkömmlichen Unternehmensanleihen, bedingt durch das niedrige Zinsumfeld. Mittelfristig ist hier jedoch mit einer Verschiebung zugunsten von Wandelanleihen zu rechnen, sollten die Zinsen, wie von vielen Anlegern erwartet, strukturell nach oben tendieren. Niedriges ZinsrisikoDie typische Wandelanleihe trägt derzeit je nach Krediteinstufung einen positiven Kupon, ist mit den herkömmlichen Call/Put-Kündigungsklauseln ausgestattet und hat typischerweise eine Laufzeit von fünf Jahren. Das Zinsrisiko bei Wandelanleihen ist aufgrund einer durchschnittlichen Duration von weniger als drei Jahren nicht ausgeprägt hoch. Zudem waren Wandelanleihen weltweit das zweite Jahr in Folge eine der besten Anlageklassen: Der UBS Global Convertible Bond Index in Dollar stieg 2009 um 41 % und 2010 um 12 %. Doch selbst nach dieser starken Entwicklung ist immer noch Kurspotenzial vorhanden, denn bewertungstechnisch sind Wandelanleihen immer noch nicht überteuert, sondern höchstens fair bewertet.Allerdings sind Wandelanleihen als Anlageklasse selbst bei einer fairen Bewertung aufgrund der fehlenden Standardisierung der einzelnen Instrumente im Prinzip als ineffizient einzustufen. Immer wieder lassen sich insbesondere außerhalb des herkömmlichen Benchmark-Universums unterbewertete Wandelanleihen finden, deren Rendite sich über die Laufzeit bis zur Rückzahlung in Alpha (Überschussrendite) niederschlägt. Neuartige CoCo-BondsEin relativ neues Phänomen bilden die Contingent Convertible Bonds (CoCo-Anleihen), die spätestens seit der 2-Mrd.-Dollar-CoCo-Anleihe von Credit Suisse im Februar große Aufmerksamkeit genießen. CoCo-Bonds sind jedoch keine Wandelanleihen im klassischen Sinn, haben sie doch ein spiegelbildliches Risiko-Rendite-Profil und sind Reverse Convertible viel näher. Anstatt Konvexität zu besitzen, sieht sich ein Anleger mit einer Aktienlieferung in einem fallenden Markt konfrontiert. Optisch sehen diese Papiere wegen der hohen Prämie interessant aus, allerdings steht zu bedenken, ob die erhaltene Prämie das Kursverlustrisiko aufwiegt. Noch ist fraglich, ob weitere Finanzinstitute diesen Weg der Geldbeschaffung mit CoCos gehen werden und sich hier ein neuer Trend herauskristallisiert. Investment Grade ist seltenWas die durchschnittliche Kreditqualität des Wandelanleihenuniversums angeht, müssen Anleger tendenziell mit einer weiteren Verschlechterung rechnen. Derzeit ist lediglich jede fünfte europäische Wandelanleihe dem Investment-Grade-Segment zuzurechnen, in den USA sogar nur jede zehnte, denn historisch sind Wandelanleihen eher in Richtung High Yield ausgerichtet. Die Wandelanleihenindizes von Merrill Lynch zeigen ebenfalls ein deutliches Bild: In den vergangenen fünf Jahren ist die Anzahl der Investment-Grade-Anleihen des Merrill Lynch Global Corporate Bond IG Index um mehr als 40 % gesunken. Insbesondere in Europa hat das Anlageuniversum von Investment-Grade-Titeln sehr stark abgenommen. Im Merrill Lynch Europe Corporate Bond IG befinden sich derzeit lediglich 30 Namen. Diese Klumpenrisiken erklären folglich zumindest teilweise das Versagen von Investment-Grade-Wandelanleihen in der Finanzkrise. Geminderte StreuungEntsprechend sollten sich Anleger bewusst sein, dass bei einer Fokussierung auf Investment-Grade-Wandelanleihen nicht die Unterbewertung des Investments im Vordergrund steht. Überdies handelt es sich hierbei oft um das gleiche Anlageuniversum, welches sich in einem typischen Blue-Chip-Portfolio auf der Aktienseite finden lässt, was den Diversifikationseffekt in Abschwungphasen zusätzlich mindert.Die These des stabilen Bond-Floors bei Investment-Grade-Anleihen ist in der Praxis deswegen zu einem reinen Theorem verkommen, denn in Krisensituationen war der Floor genau dann nicht da, als man ihn am dringendsten benötigte. In Stresssituationen werden meist die größten und liquidesten Positionen zuerst veräußert, um Liquidität zu schaffen, wenn die Anleger ihr Geld abziehen.Barclays Capital hat im Zuge der Aufsetzung einer neuen Indexfamilie für Wandelanleihen kürzlich berechnet, dass das Segment für High-Yield-Wandelanleihen im Vergleich zu Investment-Grade-Wandelanleihen nicht nur absolut, sondern auch risikoadjustiert höhere Renditen liefert – und das sowohl in aufwärts als auch in abwärts strebenden Märkten. Kann man ohne die Terminologie des vermeintlichen Bond-Floors leben, sind Wandelanleihen, wenn man über den Tellerrand von Investment Grade schaut, weiter eine der attraktivsten Anlageklassen.