RECHT UND KAPITALMARKT

Was kostet Akzeptanz?

Netzausbau wird teurer durch Grundstücksentschädigungen - Keine rechtliche Grundlage für wiederkehrende Zahlungen

Was kostet Akzeptanz?

Von Mathias Elspaß und Philipp Büsch *)Mit dem im Mai in Kraft getretenen “Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus” ermöglicht der Gesetzgeber beim Stromleitungsbau höhere Entschädigungszahlungen an Grundstückseigentümer. Deren Akzeptanz ermögliche einen zügigeren Netzausbau, so die Hoffnung. Doch die Betroffenen, in erster Linie Landwirte, sehen ihre Forderungen als nicht erfüllt an. Insbesondere die geplante Realisierung großer “Stromautobahnen” als Erdkabel stärkt den Wunsch “wiederkehrend” zu partizipieren. Nur: Wer soll das bezahlen und ist dies rechtlich überhaupt möglich?Das Gelingen des Megaprojekts Energiewende – und hier sind sich ausnahmsweise alle Beteiligten einig – steht und fällt mit der Frage, ob der (rechtzeitige) Ausbau der Netze, vor allem im Höchstspannungsbereich, gelingt. Betroffen von den Netzausbaumaßnahmen sind insbesondere Landwirte, die ihre Flächen für die Leitungen zur Verfügung stellen müssen. Doch während Netzbetreiber und Landwirtschaft bei naturschutzrechtlichen Fragestellungen oft gemeinsame Interessen verfolgen, will die Forderung nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung betroffener Grundstückseigentümer nicht verhallen.Dabei geht es in erster Linie um den Wunsch, die Eigentümer mittels “wiederkehrender Zahlungen” an den Umsätzen der Energiebranche zu beteiligen. Die Kosten einer solchen – mitunter flapsig als “Bauernmaut” bezeichneten – Regelung wären allerdings hoch und die volkswirtschaftliche Belastung immens.Dabei ist die (geltende) Rechtslage im Prinzip eindeutig: Für wiederkehrende Zahlungen gibt es keine Grundlage. Grundstückseigentümer müssen für die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke angemessen entschädigt werden. Das geschieht meist einigermaßen geräuschlos im Wege einer Einigung zwischen Netzbetreiber und Eigentümer, in deren Folge dem Netzbetreiber eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit für die beanspruchte Fläche eingetragen wird. So können die Netzbetreiber sicherstellen, auch künftig – zum Beispiel für Wartungsarbeiten – auf die Leitung zugreifen zu können. Selten kommt es tatsächlich zu Enteignungsverfahren, mittels derer die Eintragung einer Dienstbarkeit erzwungen werden soll. Da die beanspruchten Grundstücke nach Abschluss der Bauphase fast ohne Einschränkungen weiter bewirtschaftet werden können, muss auch nicht der volle Verkehrswert entschädigt werden. “Beschleunigungszuschlag”In der Praxis hat sich bei der Belastung landwirtschaftlicher Flächen für Dienstbarkeiten zum Bau und Betrieb unterirdischer Versorgungsleitungen eine Entschädigung von 15 bis 20 % des Verkehrswertes der betroffenen Flächen etabliert, bei Erdkabeln eher noch darüber. Um langwierigen Enteignungsverfahren zu entgehen, bieten die Netzbetreiber bei einer Einigung mitunter einen höheren Prozentsatz oder einen “Beschleunigungszuschlag” an. Daneben werden die Grundstückseigentümer beziehungsweise Pächter regelmäßig auch für sonstige Verluste entschädigt, sei es für den Verdienstausfall in der Bauphase oder für “Aufwuchsschäden” in der Betriebsphase. Rahmenvereinbarungen mit örtlichen Landwirtschaftsverbänden, in denen beispielsweise eine Gleichbehandlung von Eigentümern oder die Verpflichtung zum Rückbau bei Außerbetriebnahme der Leitung geregelt ist, haben sich als wirksame Instrumente zur Verfahrensvereinfachung etabliert.Die Regelungen der Länder sehen dabei regelmäßig eine Einmalzahlung als Entschädigung vor, nur in Ausnahmefällen kann die Entschädigung auch in Raten gezahlt werden. Aber gerade die fixe Entschädigungssumme ist den Landwirten ein Dorn im Auge. Vielmehr möchte man hin zu einer dauerhaften Beteiligung. Ein solches System aber widerspricht den hergebrachten enteignungsrechtlichen Grundsätzen. Entschädigt werden soll der Rechtsverlust an dem betroffenen Grundstück. Dieser tritt aber nur einmal ein – auch wenn dies bei einer auf einen jahrzehntelangen Betrieb ausgelegten Leitung zunächst vielleicht stutzig macht.Es hilft hier der Vergleich mit der Vollenteignung. Niemand käme auf die Idee, einen Eigentümer, dessen Grundstück – zum Beispiel für den Bau einer Autobahn – in den 1950er Jahren enteignet wurde, in alle Ewigkeit für diesen Verlust “wiederkehrend” zu entschädigen. Warum auch, der Verlust des Eigentums ist nur einmal eingetreten. “Überkompensation” ist das Stichwort – würde man die Verlegung einer Versorgungsleitung dauerhaft “verrenten”, wäre die Kompensation für den betroffenen Eigentümer unter Umständen höher, als sie im Falle einer Vollenteignung gewesen wäre.Im Übrigen wäre der praktische Aufwand unabsehbar: Die Netzbetreiber sind gut und gerne aus mehreren tausend Dienstbarkeitsvereinbarungen begünstigt. Müssten alle diese Leitungsrechte im Wege wiederkehrender Leistungen entschädigt werden, würde dies mit Blick auf den anfallenden Verwaltungsaufwand erhebliche Kosten verursachen. Ruf nach BeteiligungsmodellDoch von solchen Bedenken lässt sich die – auch in der Bundesregierung – gut vernetzte Landwirtschaft nicht beirren und hat die Prüfung einer finanziellen Beteiligung betroffener Grundstückseigentümer an “der Wertschöpfung des Netzausbaus” in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Das Bundeswirtschaftsministerium lässt mögliche Beteiligungsmodelle untersuchen, Ergebnisse sollen im Oktober 2019 vorliegen. Geprüft werden soll unter anderem, ob nur die Grundstückeigentümer oder auch indirekt betroffene Anwohner von einer Beteiligung profitieren sollten, aber auch, ob es Unterschiede zwischen Freileitungen und Erdkabeln geben müsse. Einstweilen hat sich die Politik allerdings auf behutsamere Schritte verständigt. Mit dem “Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus” hat der Gesetzgeber die Sätze für eine Entschädigung nun erstmals vereinheitlicht, verrechtlicht und – gegenüber den bisher in der Praxis anerkannten Sätzen – nicht unerheblich erhöht.Obwohl Entschädigungsrecht Ländersache ist, konnte der Bund mittels Anpassung der Stromnetzentgeltverordnung entsprechend tätig werden. Übertragungsnetzbetreiber dürfen zukünftig bei Freileitungen bis zu 25 %, bei Erdkabeln bis zu 35 % des Verkehrswertes der in Anspruch genommenen Fläche als Kosten in der Netzentgeltregulierung ansetzen – und diese Kosten auf ihre Netzkunden umlegen. Auch ein höherer Beschleunigungszuschlag und weitere Aufwandsentschädigungen können in Zukunft anerkannt werden.Der Gesetzgeber stellt sich auf den Standpunkt, dass diese kurzfristig anfallenden Zusatzkosten – gerechnet wird mit 108 Mill. Euro – für die Entschädigungen langfristig gerechtfertigt seien. Höhere Entschädigungen steigerten die Akzeptanz bei den Grundstückseigentümern, was eine zügigere Bauausführung ermögliche – und dies diene insgesamt der Verringerung der Kosten.Hiermit scheint man sich auf Seiten der Landwirtschaft noch nicht zufriedenzugeben. Als Reaktion auf die Gesetzesänderung kündigte der Deutsche Bauernverband jedenfalls an, prüfen zu wollen, ob auf dieser “enttäuschenden Grundlage” in Zukunft überhaupt noch Rahmenregelungen mit den Netzbetreibern abgeschlossen werden können. Die Frage, wer eine (noch) stärkere finanzielle Beteiligung der Grundstückseigentümer bezahlen soll, bleibt damit aktuell. Auch wenn diese Frage Teil des Prüfauftrags des Bundeswirtschaftsministeriums ist, dürfte die Antwort schon feststehen: Am Ende müssten die Netznutzer – also Wirtschaft und Verbraucher – die Rechnung der Grundstückseigentümer begleichen. Der im europäischen Vergleich ohnehin schon teure Strom in Deutschland würde mit einem weiteren Kostenfaktor belegt. Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland erhöhte sich damit sicherlich nicht. *) Dr. Mathias Elspaß ist Partner und Dr. Philipp Büsch Senior Associate von Clifford Chance.