Finanzen persönlich

Wein-Investments sind nicht nur für Genießer interessant

Die Zeiten zweistelliger Renditen sind jedoch vorerst vorbei - Mittelfristiger Anlagehorizont - Spannende Möglichkeiten für Neueinsteiger

Wein-Investments sind nicht nur für Genießer interessant

Von Frank Bremser, Frankfurt Wer allein in Wein investiert hat, um hohe Renditen zu erwirtschaften, der wird sich ärgern. Wer aber auch an den Genussaspekt seiner Kapitalanlage gedacht hat, der wird den jüngsten Preisverfall am Markt für teuere Weine zumindest teilweise ertragen können. Er weiß, dass er zumindest einen sehr guten Tropfen im Keller hat – wenn auch eingekauft zu einem Preis, den er beim Verkauf auf absehbare Zeit nicht mehr wird erzielen können. So kostete im vergangenen Sommer eine Flasche 1986er Lafite-Rothschild noch gut 850 Euro, heute gerade noch die Hälfte. Weininvestments waren lange Zeit als Diversifikationsmittel für das Depot en vogue. Schließlich lockten zweistellige Renditen, und nicht zuletzt ließ sich auch mit der schöngeistigen Anlage trefflich angeben. Doch im Zuge der Finanzkrise platzte auch die Blase am Weinmarkt. Eine Blase, vor der Experten gewarnt hatten. Schließlich hatte die Investmentbegeisterung in dieser alternativen Anlageklasse dazu geführt, dass für junge französische Weine aus den Spitzenweingütern (Investmentweine) absurde Preise gezahlt wurden. So kostete eine Flasche Burgunder aus dem Jahr 2004 zeitweise deutlich mehr als eine bereits trinkreife Flasche aus dem guten Jahrgang 1982. “Der Markt ist tot”, konstatiert auch Jan-Erik Paulson, Weinexperte und selbst Manager zweier geschlossener Weinfonds. Doch er schränkt diese Aussage ein und zeigt sich indirekt sogar erfreut über das Ende der Hausse beim französischen Rotwein: “Der Markt für einige Weine war vollkommen heißgelaufen.” Nun sind diejenigen, die diesen Markt nach oben getrieben haben, als Käuferschicht verschwunden. Neben reinen Renditejägern fehlen die Geschäftsleute aus aufstrebenden Staaten wie China oder Russland, für die es chic war, am Abend ein paar 3 000-Euro-Flaschen Wein zu trinken. Hinzu kamen Investmentbanker oder Hedgefonds-Manager, die nahezu jeden Preis zahlten. Von einem Londoner Weinhändler wird der Satz kolportiert: “Wir müssen jetzt dreimal so viel arbeiten, um ein Drittel des damaligen Umsatzes zu erzielen.” Mittel der Wahl für die meisten Weinspekulationsinteressierten sind geschlossene Fonds. Vor allem auch weil die Voraussetzungen für die eigene Lagerung die Möglichkeiten vieler (Privat-)Anleger übersteigen. Nur die wenigsten können mit solch einem gut ausgerüsteten Keller aufwarten, dass der Wein definitiv keinen Schaden nimmt. Bei geschlossenen Fonds beteiligt sich der Anleger über eine Einlage an einer GbR oder GmbH & Co. KG., die Haftung beschränkt sich auf das eingesetzte Eigenkapital, zudem gibt es häufig steuerliche Vorteile. Meist hat der Anleger am Ende der Laufzeit die Wahl, sich den Erlös auszahlen zu lassen oder den Wein physisch ausgeben zu lassen. Doch wie sehr diese Branche unter der Krise leidet, zeigen derzeit viele Beispiele. Der Weinhändler Paulson räumte zuletzt ein, dass er die Auflösung eines seiner Fonds aufgrund der schlechten Marktsituation verschoben hat. Es gilt derzeit die Devise: Wer jetzt verkauft, der muss verkaufen. Angesichts dieser Marktsituation gibt es allenfalls Gerüchte über neue geschlossene Weinfonds. Preisfindung erschwert Der eigentliche Investmentmarkt schafft aber auch Probleme. So konstatiert Paulson. “Wein ist in erster Linie zum Trinken da.” Aber gerade in der jüngeren Vergangenheit wurde vor allem bei hochwertigen Weinen mehr gesammelt als getrunken, so dass eine vernünftige Preisfindung über ein sinkendes Angebot immer schwerer wurde.Nun, nachdem die Blase am Weininvestmentmarkt geplatzt ist, müssen sich also Wein und Weininvestment-Interessierte fragen, wie es weitergeht. Wer sich zu Hochzeiten eingedeckt hat, dem bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, auf die Trinkreife des Weins zu warten und ihn selbst zu trinken. Denn dass die Preise aus dem Jahr 2007 oder auch noch teilweise 2008 wieder erreicht werden, ist mehr als fraglich. Wer nun aber neu einsteigen möchte, für den gibt es derzeit spannende Möglichkeiten. Interessant sind zum einen älterer Weine. Denn deren Entwicklung – ob es ein großer oder nur ein mittelmäßiger Wein wird – ist bereits klar. Weine aus berühmten Jahrgängen wie 1947 werden ihre Preise halten oder teurer werden – weil sich das Angebot verknappt. Und diese Weine haben die Preisexplosion der vergangenen Jahre nicht mitgemacht: Erwiesen grandiose Weine sind häufig günstiger als solche, deren Potenzial noch gar nicht abschätzbar ist. So sagte etwa der Weinexperte Mario Scheuermann kürzlich in einem Interview: “Wer heute Geld genug hat, um sich z. B. mit 1982 Lafite oder 1961 in Großflaschen bzw. original Holzkisten eindecken zu können, was sollte der falsch machen?” Komplette Einheiten Dementsprechend gibt es auch weiterhin viele Möglichkeiten, in edle Tropfen zu investieren. Für den Weinexperten Valentin Brodbecker, der auch das Buch “Wein als Investment” verfasst hat, gibt es einige “goldene Regeln”, an die man sich als Direktinvestor halten sollte. Dazu gehört unter anderem, dass man eher gereifte Weine als Weine auf Subskription kaufen sollte oder dass man möglichst komplette Einheiten (z. B. Zwölferkisten) erwerben sollte. Zudem sollten “Blue-Chip-Weine” bevorzugt werden, also Weine aus bekannten Lagen/Häusern/Jahrgängen mit einer guten Bewertung, wie etwa Château Lafite oder Château Pétrus. Grundsätzlich gilt, dass der Investmenthorizont fünf bis sieben Jahre betragen sollte. Vor allem Letzteres hat bei Weinen eine entscheidende Bedeutung. Wer über Hop oder Top entscheiden kann, ist der oft als Weinpapst bezeichnete Amerikaner Robert Parker. Dessen Weinbewertungsskala, die vor allem auf französische Rotweine ausgerichtet ist, geht bis 100 Punkte. Ein Wein mit mindestens 95 Parker-Punkten (PP) gilt als Spitzenwein. Zwar wird die Parker-Skala aus vielen Gründen kritisiert, eine Alternative zu seiner Bewertung hat sich aber noch nicht durchsetzen können. Ein Beispiel für die Bedeutung Parkers ist der Bordeaux-Jahrgang 1982, den Parker als grandios ausrief, während viele andere Kritiker vollkommen anderer Meinung waren – Parker setzte sich mit seiner Meinung durch. Eine Messlatte, nach der sich Investoren, was die Preisentwicklung angeht, richten können, ist der Index der Weinbörse Liv-Ex, der die Preisentwicklung von 100 verschiedenen Weinen verschiedener Jahrgänge bei Londoner Weinhändlern abbildet. Eine Möglichkeit, sich die Auswahl zu vereinfachen oder einfach die Arbeit eines bekannten Weininvestors nachzuvollziehen, bietet derzeit der Blog weinvestment.de des Frankfurter Wertpapierhändlers und anerkannten Weinkenners Thorsten Jodaitis. Jodaitis geht davon aus, dass sich aufgrund der aktuellen Marktschwäche gute Möglichkeiten für den Kauf von Spitzenweinen ergeben. Er hat erst kürzlich ein virtuelles Weindepot aufgelegt mit dem Startkapital von 100 000 Euro, Anlagehorizont sind fünf Jahre, investiert wird nur in 12er-Kisten, Jahrgang 2000 oder älter. Im Depot liegen derzeit Kisten Château Lafite 1996 (100 PP), gekauft für 6 222 Britische Pfund, und Château Latour 1996 (99PP) für 4 947 Pfund. Maßgeblich für die Preise sind die Notierung an der Liv-Ex. Jodaitis definierte Weininvestment kürzlich in seinem Blog folgendermaßen: “Weininvestment bedeutet, sich aufgrund seiner Leidenschaft für Wein eine hochwertige Sammlung aufzubauen, die auf mittelfristige Sicht zudem die realistische Chance aufweist, eine Wertsteigerung zwischen 7 bis 15 % pro Jahr zu erzielen.” Wer vor allem an das Renditepotenzial von Wein glaubt, aber meint, das Risiko mit einzelnen Flaschen sei zu groß, kann auch auf anderem Wege in den Markt gehen. So gibt es zum einen die Möglichkeit, Aktien von Weinunternehmen zu kaufen, wie etwa des Händlers Hawesko, der größten börsennotierten Kellerei der Welt Concha y Toro oder der Luxusmarke Pernod Ricard. Dabei muss einem Anleger aber bewusst sein, dass er sich damit auch das generelle Aktienmarktrisiko und die Diversifikation in Bier und Schnaps mit ins Depot holt. Eine weitere Möglichkeit sind offene Weinfonds wie der Vintage Wine Fund oder der Wine Investment Fund. Sie haben ein höheres Volumen als geschlossene Fonds und funktionieren ähnlich wie ein Aktienfonds, werden also aktiv gemanagt. Sie versprechen hohe Rendite, sind aber auch sehr teuer, und die Mindestsummen sind sehr hoch. Letztere Investments haben auch einen kleinen, aber nicht zu vernachlässigenden Nachteil: die Genusskomponente. Denn die Möglichkeit, das Gekaufte selbst zu konsumieren, geht ihnen weitestgehend verloren. Schließlich gilt bei vielen Weininvestoren die Devise: Kaufe zwei Kisten. Wenn der Preis sich verdoppelt hat, verkaufe eine und trinke die andere – die ist dann kostenlos.Wessen Portemonnaie aber noch etwas dicker ist, der kauft sich direkt ein ganzes Weingut – wie der Ex-Vossloh-Vorstandschef Burkhard Schuchmann, der in dem uralten Weinland Georgien einen arbeitsreichen Ruhestand genießt.