Weiter Unsicherheit bei Meldepflichten
– Herr Dr. Kirschner, am 1. Februar sind die neuen Regelungen zur Beteiligungstransparenz in Kraft getreten. Was steckt dahinter?Durch die Neuregelungen in § 25a Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) soll ein “Anschleichen” von Aktionären, also ein unbemerkter Beteiligungsaufbau mit dem Ziel der Übernahme der Gesellschaft, in Zukunft unterbunden werden. Bekannte Beispiele eines solchen “Anschleichens” sind Schaeffler/Conti oder Porsche/Volkswagen.- Hat das Gesetz seinen Zweck erfüllt?Ja und nein. Zunächst trifft es zu, dass ein “Anschleichen” und damit die Vorbereitung einer verdeckten Übernahme schwieriger geworden ist. Auch lässt sich nicht leugnen, dass die Beteiligungstransparenz gestiegen ist. Insoweit hat die Gesetzesänderung ihr Ziel erfüllt. Leider schießen das Gesetz und seine derzeitige Anwendung zum Teil über das Ziel hinaus. Auch verursachen die Änderungen in der Praxis noch erhebliche Unsicherheiten.- Was meinen Sie damit?Der Wortlaut des Gesetzes ist sehr weit gefasst und schließt nach Auffassung der BaFin beispielsweise auch Vorkaufsrechte und Andienungspflichten, die im Rahmen einer Gesellschaftervereinbarung oder in einem Gesellschaftsvertrag vereinbart wurden, ein. Haben sich z. B. Familienmitglieder zu einem Stimmrechtspool zusammengeschlossen und dabei hinsichtlich der gepoolten Aktien ein Vorkaufsrecht vereinbart, so ist diese Vereinbarung als “sonstiges Finanzinstrument” meldepflichtig. Dies geht über den Gesetzeszweck hinaus. Denn regelmäßig wollen die Parteien derartiger Vereinbarungen nicht die Übernahme der Gesellschaft vorbereiten, sondern lediglich den Stimmrechtspool und seine Zusammensetzung absichern. Auch sind bei Stimmrechtspools die Stimmrechtsbeteiligungen bereits nach §§ 21, 22 WpHG zu melden. Aus diesen Gründen wurde bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eine entsprechende Ausnahme gefordert. Leider ohne Folgen.- Welche weiteren Unsicherheiten gibt es?Die BaFin hat am 9. Januar eine Liste von Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Umfang der Meldepflichten veröffentlicht. Tatsächlich ergaben sich in der Praxis eine ganz Reihe von Einzelfragen, deren Beantwortung sich erst langsam herauskristallisiert: Beispielsweise, ob auch dann von einer Mitteilungspflicht ausgegangen werden muss, wenn sich das Vorkaufsrecht nicht direkt auf die Aktien einer börsennotierten Gesellschaft bezieht – sondern auf eine Gesellschaft, die Aktien an einer börsennotierten Gesellschaft hält. Auch war fraglich, ob und unter welchen Voraussetzungen ein “right of first offer”, also das Recht, ein erstes Angebot abzugeben, unter die Meldepflichten nach § 25a WpHG fällt. Bei solchen eher speziellen Aspekten bleibt derzeit nichts anderes übrig, als sich intensiv mit der BaFin abzustimmen.- Gibt es denn erste Trends bei der Verwaltungspraxis der BaFin?Wir beobachten, dass die BaFin § 25a WpHG eher weit auslegt, im Zweifel also eher von einer solchen Mitteilungspflicht ausgeht.- Was sollte aus Ihrer Sicht geschehen, um die jetzige Situation zu verbessern?Zunächst, damit wir uns nicht missverstehen: Die Zusammenarbeit mit der BaFin läuft aus unserer Sicht sehr gut, wir ringen gemeinsam um eine sachgerechte Handhabung dieses neuen Gesetzes. Da gibt es aus unserer Sicht keinen Grund zur Kritik. Wünschenswert wäre aber, dass wir nicht nur zu einer konkreteren Erläuterung der Mitteilungspflichten durch Ergänzung des Emittentenleitfadens kommen. Das wird früher oder später sicher passieren. Begrüßenswert wäre es darüber hinaus, wenn weitere Ausnahmen von der derzeit bestehenden Meldepflicht mit dem Ziel gemacht würden, eine auf den eigentlichen Gesetzeszweck beschränkte Meldepflicht zu erreichen. Dies würde aber voraussetzen, politisch den Mut zu haben, nicht jeden erdenklichen Fall regeln zu wollen. In der jetzigen Situation sehen wir aber nicht, woher dieser Mut kommen sollte.—-Dr. Oliver Kirschner ist Partner im Hamburger Büro vonTaylor Wessing. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.