Recht und Kapitalmarkt

Weitere Gesetzesinitiative gegen "räuberische Aktionäre"

Vorschlag aus Baden-Württemberg und Sachsen zur Verfahrensverkürzung - Qualitätseinbuße?

Weitere Gesetzesinitiative gegen "räuberische Aktionäre"

Von Anke Sessler und Peter Burckhardt *) Die Bundesländer Baden-Württemberg und Sachsen haben einen Gesetzesantrag “zur Einführung erstinstanzlicher Zuständigkeiten des Oberlandesgerichts in aktienrechtlichen Streitigkeiten” (BR-Drucks. 901/07) vorgelegt. Sie wollen damit den Missbrauch des aktienrechtlichen Anfechtungsrechts eindämmen. Nach diesem Vorschlag soll der Rechtsweg für Beschlussmängelklagen und damit zusammenhängende Verfahren verkürzt werden, indem die Eingangszuständigkeit auf das Oberlandesgericht verlagert wird. Die Neuregelung soll gelten, soweit eine Aktiengesellschaft, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, eine Europäische Gesellschaft (Societas Europaea, SE) oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) verfahrensbeteiligt sind. Nach der erstinstanzlichen Entscheidung des Oberlandesgerichts bestünde also nur noch die Möglichkeit einer Revision zum Bundesgerichtshof; die Berufungsinstanz entfiele. Die kürzere Verfahrensdauer soll es den beklagten Gesellschaften ermöglichen, das Ende der Verfahren abzuwarten, ohne Vergleichsforderungen eines Klägers aus rein zeitlichen Gründen nachzugeben. Kontrollfunktion Der Vorschlag ist nicht neu: Bereits 2005 brachte das Justizministerium Baden-Württemberg eine ähnliche Lösung – erfolglos – in die Diskussion. Er reagiert auf einen seit Jahren zu beobachtenden Missbrauch des aktienrechtlichen Anfechtungsrechts. Nach gegenwärtigem Recht ist jeder Aktionär – und zwar unabhängig von der Anzahl seiner Aktien – zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen berechtigt (Individualklagerecht). In diesem Individualklagerecht sieht der Gesetzgeber auch eine Kontrollfunktion: Der einzelne Aktionär tritt (auch) als Anwalt der durch den Hauptversammlungsbeschluss gefährdeten Interessen aller Aktionäre auf. Aus diesem Klagerecht hat eine immer größer werdende Gruppe von sogenannten Berufsklägern ein Geschäftsmodell entwickelt, das die betroffenen Unternehmen erheblich schädigt. Diese Berufskläger greifen eintragungspflichtige Hauptversammlungsbeschlüsse – etwa Umstrukturierungsmaßnahmen oder Kapitalerhöhungen – per Anfechtungsklage an; deren Eintragung und Wirksamkeit ist damit für die Dauer des Verfahrens blockiert. Die Unternehmen können es sich aber meist nicht leisten, ein klageabweisendes, rechtskräftiges Urteil über mehrere Instanzen abzuwarten, und willigen in teure Vergleiche – oft in Millionenhöhe – ein. Das kommt allemal billiger als beispielsweise die Wirksamkeit wesentlicher Umstrukturierungsbeschlüsse monate- oder gar jahrelang zu verzögern. Viele Unternehmen schrecken sogar davor zurück, Kapitalmaßnahmen – etwa eine ordentliche Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage – zu beschließen, weil eine Anfechtungsklage die Maßnahme langwierig blockieren könnte. Das Geschäft der “räuberischen Aktionäre” ist gewinnbringend; auch für deren Anwälte.Eine Studie von Professor Theodor Baums vom Institute for Law and Finance (ILF) von August 2007 belegt den achtfachen Anstieg von Beschlussmängelklagen seit 1980. Auf Klägerseite verzeichnet die Studie immer wieder dieselben Namen. Durchschnittlich halten diese Kläger nur 0,01 % des Aktienbestands. Bei 72 % der Verfahren – 450 von insgesamt 619 – stammten die Kläger aus einer Gruppe von 40 Personen. Nicht erst der aktuelle Gesetzentwurf will die funktionswidrige Verwendung der Anfechtungsklage zurückdrängen und die Entwicklung des Berufsklägertums eindämmen. Bereits das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), das seit September 2005 in Kraft ist, sah zur Bekämpfung missbräuchlicher Anfechtungsklagen wesentliche Änderungen des Anfechtungsrechts vor: Hier ist insbesondere das Freigabeverfahren gemäß § 246 a AktG für bestimmte Hauptversammlungsbeschlüsse zu nennen. Danach kann der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei Gericht die Feststellung beantragen, dass eine gegen einen solchen Beschluss erhobene Anfechtungsklage die Eintragung des Beschlusses und damit dessen Wirksamkeit nicht hindert. Ziel verfehltAuch wenn das UMAG erst vergleichsweise kurze Zeit in Kraft ist, zeichnet sich bereits ab, dass es sein Ziel hinsichtlich der Berufskläger nicht erreicht. Die Zahl der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen nimmt vielmehr weiter zu. Auch die Gerichte können – schon nach derzeitiger Gesetzeslage – dem Anfechtungsmissbrauch entgegenwirken. Zum einen kann eine Anfechtungsklage wegen Missbrauchs des Anfechtungsrechts abgewiesen werden. Das kommt aber – so der Bundesgerichtshof – nur dann in Betracht, “wenn der Kläger die Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann”. Vielfach scheuen Gerichte davor zurück, diese Voraussetzung zu bejahen. Zum anderen – ein scharfes Schwert – kann ein Berufskläger zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt werden. So verurteilte das Landgericht Frankfurt – ausschließlich erstinstanzlich zuständig für Anfechtungsklagen in Hessen – letztes Jahr in einer viel beachteten Entscheidung den bekannten Berufskläger Klaus Zapf zum Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Zapf muss dem betroffenen Unternehmen für alle Schäden haften, die daraus entstehen, dass durch seine Anfechtungsklage eine geplante Kapitalerhöhung blockiert wurde; gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt. In diesem Fall war allerdings ungewöhnlich offensichtlich, dass der Kläger grob eigennützig allein eigene Vorteile erzielen wollte und nicht auch im Interesse der anderen Aktionäre handelte. Damit ist diese richterliche Lösung nicht auf alle Fälle übertragbar. Die Gerichte können das Berufsklägertum auf der Grundlage der derzeitigen Gesetzeslage demnach nur im Einzelfall wirksam eindämmen. Damit ist festzustellen, dass bislang keine wirksamen Mittel gegen den Missbrauch des Anfechtungsrechts gefunden wurden. Ist nun der neue Gesetzesvorschlag der Länder Baden-Württemberg und Sachsen ein solches wirksames – und richtiges – Mittel?Angesichts der besonders hohen Zahl von Berufungen (OLG Stuttgart: 100 %) würde die Verkürzung des Instanzenzuges die Verfahren erheblich beschleunigen. Fraglich bliebe allerdings, ob die Verfahrensdauer genügend verkürzt würde. Das wird in vielen Fällen zweifelhaft sein; das neue Freigabeverfahren gemäß § 246 a AktG zeigt, dass selbst eine Verfahrensdauer von drei bis neun Monaten in der Praxis häufig zu lang ist, um dem Druck der Berufskläger zu begegnen. Andererseits wird auch das Freigabeverfahren auf das OLG als Eingangsinstanz übertragen und so – ein wesentlicher Vorteil des Vorschlags – beschleunigt.Damit wäre zumindest jenem Teil der missbräuchlichen Anfechtungsklagen, deren Lästigkeitswert sich erst ab längeren Verfahrensdauern einstellt, die Grundlage entzogen.Die Rechtsschutzbeschränkung, die mit jeder Verkürzung eines Instanzenzuges einhergeht und vor der der Deutsche Anwaltsverein DAV und der Richterbund warnen, muss dabei im Rahmen der Interessenabwägung hingenommen werden. Zwar wiegt der Verlust einer Tatsacheninstanz nicht leicht. Eine Qualitätseinbuße ist aber nicht zu befürchten, wenn aus drei Berufsrichtern bestehende Kollegialgerichte entscheiden, die zudem wegen der Konzentration der Anfechtungsklagen auf einige wenige Oberlandesgerichte hochspezialisiert sind. Zur Gewährleistung der Qualität muss allerdings die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit der Übertragung der Entscheidung auf den Einzelrichter die Ausnahme bleiben!Der auch im Detail durchdachte Gesetzgebungsvorschlag ist damit zu begrüßen. Auch er ist aber nur ein Schritt zur Bekämpfung der Berufskläger, dem weitere folgen müssen. Hier wäre insbesondere daran zu denken, die Anfechtungsbefugnis auf wirtschaftlich relevant beteiligte Aktionäre zu beschränken und einen Schadenersatzanspruch des betroffenen Unternehmens bei einer Missbrauchsklage gesetzlich zu normieren. Zu denken wäre auch – unter bestimmten Voraussetzungen – an eine Beseitigung der Registersperre: Eine Anfechtungsklage hinderte dann nicht mehr die Wirksamkeit eines Beschlusses. Den Berufsklägern wäre damit die Grundlage entzogen.*) Dr. Anke Sessler (Partnerin) und Dr. Peter Burckhardt (Counsel) sind Rechtsanwälte im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance.