"Weitere Unternehmen werden eigene Banken gründen"
– Herr Dr. Honrath, kürzlich wurde berichtet, dass die seit 2010 zu Siemens gehörende Bank aus Sorge über die Solvenz der Geschäftsbanken den sicheren Hafen Europäische Zentralbank anläuft. Dürfen die zu Industrie- oder Handelskonzernen zählenden Banken alles das, was die Geschäftsbanken dürfen?Im Prinzip ja. Sofern sie eine Erlaubnis für das Betreiben von Bankgeschäften uneingeschränkt beantragt haben und keine Versagungsgründe vorliegen, gibt es hinsichtlich des Umfangs der von der Erlaubnis umfassten Geschäfte keine Unterschiede zwischen den Industrie-Banken und den Geschäftsbanken.- Unterliegen sie dann auch den gleichen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen oder gibt es hier Unterschiede?Die Gründung konzerneigener Banken (so genannte Captives) dient typischerweise strategischen konzerninternen Zielen wie dem Ausbau der Absatz- und Vertriebsfinanzierung oder der Flexibilisierung des Liquiditätsmanagements. Insofern ist ihre Ausrichtung meist eine andere. Auch für diese Banken gelten aber die gleichen umfangreichen regulatorischen Anforderungen wie für andere Kreditinstitute im Sinn des Kreditwesengesetzes.- Welche Kriterien muss ein Konzern erfüllen, um eine Banklizenz zu bekommen?Für das Betreiben von Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäften ist zunächst eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nötig. Zu den Voraussetzungen für den Erhalt einer solchen Erlaubnis zählt unter anderem der Nachweis eines Mindestanfangskapitals. Dieses beträgt für so genannte Einlagenkreditinstitute 5 Mill. Euro. Einlagenkreditinstitute sind Unternehmen, die Einlagen des Publikums entgegennehmen und das Kreditgeschäft betreiben. Darüber hinaus müssen solche Kreditinstitute mindestens zwei Geschäftsleiter haben, die fachlich geeignet und zuverlässig sein müssen.- Worauf kommt es dabei an?Bei der fachlichen Eignung kommt es darauf an, dass die betreffende Person in ihrem bisherigen beruflichen Werdegang ausreichende theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen für die neue Tätigkeit gesammelt hat. Zudem muss der Erlaubnisantrag einen tragfähigen Geschäftsplan enthalten, aus dem die Art des geplanten Geschäfts, der organisatorische Aufbau und die geplanten internen Kontrollverfahren hervorgehen. Die BaFin prüft dabei, ob der Antragsteller bereit und in der Lage ist, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, um seine Geschäfte ordnungsgemäß betreiben zu können.- Rechnen Sie damit, dass mehr Unternehmen mit einer eigenen Bank an den Start gehen?Schon heute besitzen vor allem namhafte Automobilhersteller wie Volkswagen, Daimler, oder Ford Tochtergesellschaften mit einer Banklizenz. Diese Gesellschaften sollen vor allem den Verkauf von Fahrzeugen fördern, indem sie Kunden mit Krediten oder Leasingverträgen versorgen. Als von der BaFin zugelassene Institute stehen die Autobanken auf der von der Europäischen Zentralbank geführten Liste der so genannten Monetary Financial Institutions und können daher wie normale Geschäftsbanken alle Geldgeschäfte mit der Notenbank durchführen. Für die Zukunft kann man davon ausgehen, dass weitere Unternehmen eigene Banken gründen werden, um sich gegen Krisen im Finanzsystem immuner zu machen.- Gibt es weitere Gründe?Ja, es lässt sich so ein gewisses internes Know-how aufbauen und – wie beispielsweise bei den Autobanken – die Wertschöpfungskette erweitern. Aufgrund des nicht unerheblichen Verwaltungsaufwandes dürfte dies aber in der Regel nur große Konzerne interessieren.- Wie viele Zulassungsanträge werden pro Jahr gestellt?Die Zahl neuer Erlaubnisanträge zum Betreiben von Bankgeschäften ist sehr gering. 2010 etwa war die Siemens Bank die einzige, an die eine Erlaubnis erteilt wurde. Es sieht hier also ganz anders aus als bei den Erlaubnisanträgen zur Erbringung von Finanzdienstleistungen, wo im Durchschnitt circa 50 neue Anträge pro Jahr bei der BaFin gestellt werden. Insgesamt werden immer noch mehr Banken pro Jahr geschlossen als eröffnet.—-Dr. Alexander Honrath ist Partner von Heisse Kursawe Eversheds. Die Fragen stellte Walther Becker.