RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: EYKE GRÜNING

Wenig rechtlicher Spielraum für geordneten Austritt Griechenlands

Firmen müssen Verträge durchforsten - Rechtswahlklauseln werden wichtiger

Wenig rechtlicher Spielraum für geordneten Austritt Griechenlands

– Herr Grüning, wie wäre ein geordneter Austritt Griechenlands aus dem Euro möglich?Es gibt kein formales Austrittsrecht zum Ausscheiden eines Mitgliedsstaates aus der europäischen Währungsunion. Dies wurde bei der Gründung der Währungsunion schlicht nicht gewünscht, im Gegenteil: Es bezeichnet die Vergemeinschaftung der Währungspolitik als unumkehrbaren Vorgang. Ein Austritt wäre nur aus der Europäischen Union nach Artikel 50 des Lissaboner Vertrags möglich. Dies erwägt aber niemand. Nach allgemeinem Völkerrecht und nach Unionsrecht muss ein Austritt jedenfalls im Konsens aller beteiligter Staaten möglich sein.- Gibt es andere Wege?Auch könnte sich Griechenland wegen seiner drastisch verschlechterten Wirtschaftslage möglicherweise auf einen im Völkerrecht unter engsten Voraussetzungen anerkannten “Wegfall der Geschäftsgrundlage” berufen. Auch das Bundesverfassungsgericht ging in seinem Maastricht-Urteil davon aus, dass der Austritt eines Mitgliedsstaates als Ultima Ratio möglich sein muss – allerdings nur dann wenn alle nach Unionsrecht vorgesehenen Maßnahmen zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin erfolglos ausgeschöpft wurden. Kurz: Es gibt für einen geordneten Austritt Griechenlands nur wenig rechtlichen Spielraum.- In welcher Währung wären danach Verträge zu erfüllen?Soweit in Verträgen ein klarer territorialer Nexus zu Griechenland besteht, könnte eine Währungsumrechnung erfolgen, etwa wenn die Rechtswahl griechisches Recht bestimmt, der Schuldner in Griechenland domiziliert ist oder Griechenland als Erfüllungsort bestimmt wurde. Kein Problem stellen grundsätzlich auf Euro lautende Verträge von Vertragspartnern aus dem aus der Währungsunion ausscheidenden Land dar.- Das heißt?In diesem Fall ist wahrscheinlich, dass der Vertrag durch das nationale Währungsgesetz zu dem vom jeweiligen Gesetzgeber festgesetzten Umrechnungskurs in die neue Währung umgerechnet wird und die übrigen Vertragspflichten ansonsten nicht tangiert werden. Der Vertrag folgt dem “Gesetz des Geldes” (das “lex monetae”). Die Frage ist aber kritisch für multijuristiktionale oder grenzüberschreitende Transaktionen, die entweder auf Euro lauten oder Euro-Zahlungsforderungen beinhalten. Zwar können die Vertragsparteien immer eine Lösung auf dem Verhandlungsweg anstreben. Das funktioniert jedoch in der Regel nur bei wenigen beteiligten Vertragsparteien. Bei Verträgen mit vielen Parteien wird eine Neuverhandlung mühsam bis unmöglich. Das wichtigste bei einem Vertrag ist üblicherweise aber weniger die Währung, in der geleistet wird, sondern ob überhaupt gezahlt werden kann und ob in einer Währung gezahlt wird, die auf dem Markt konvertierbar und dazu werthaltig genug ist, die Zahlungsverpflichtung zu erfüllen. Im Streitfall wird das zuständige Gericht durch Vertragsauslegung entscheiden müssen. Dies macht die Klausel zur Rechtwahl und die Gerichtsstandsvereinbarung zukünftig umso wichtiger.- Zu welchem Wechselkurs wäre der Abschied zu realisieren?Die Entstehung einer neuen Währung würde durch ein nationales Währungsgesetz begründet. Soweit Griechenland rechtmäßig die Währungsunion verlassen würde, läge die Gesetzgebungskompetenz für die “neue Drachme” als neuer griechischer Währung also bei Griechenland. In diesem Gesetz würde auch der anfängliche Wechselkurs festgelegt, der ähnlich dem Umtauschkurs der “alten Drachme” bei rund 340 Drachmen = 1 Euro liegen könnte. Klar ist aber, dass die neue Drachme gegenüber dem Euro auf dem Markt stark abgewertet werden würde. Experten gehen von rund 50 % aus. Vermutlich würde die Währungsumstellung daher von einem Moratorium flankiert werden müssen, um einen ungeordneten Sturm auf die Euro-Einlagen bei griechischen Banken zu verhindern.- Wie könnten die EU-Länder reagieren, wenn Griechenland am Euro festhält, aber einen Zahlungsstopp gegenüber den Gläubigern verhängen würde?Diese Thematik wird wahrscheinlich weniger rechtlich als vielmehr politisch gelöst werden müssen.—-Eyke Grüning ist Partner in der Praxisgruppe Finance & Projects der Kanzlei DLA Piper. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.