INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: RALF SCHREYER, DWS

Weniger Verluste als 1994

Leitzinserhöhung für zweite Hälfte 2015 erwartet

Weniger Verluste als 1994

Nachdem der Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, Ende Mai erstmals den Willen zum Ausstieg aus dem Stimulationsprogramm bekundet hat, steht der US-Rentenmarkt unter Druck. Anleihenrenditen sind seitdem stark gestiegen. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Ralf Schreyer, Head of International Fixed Income der DWS, ob am Rentenmarkt ähnliche Verluste wie 1994 zu befürchten sind.- Herr Schreyer, was hat Sie am Donnerstag mehr überrascht, die Fed-Aussagen oder die Anlegerreaktion?Die Reaktion der Anleger. Die Entscheidung der US-Notenbank hatten wir auf dem Tableau. Unsere Ökonomen erwarteten, dass die Fed im vierten Quartal beginnt, ihr Stimulationsprogramm QE 3 zurückzufahren. Ab Sommer 2014 wird es dann keinen zusätzlichen Stimulus durch Anleihenkäufe mehr geben. Eine Zinserhöhung wird es aber unserer Ansicht nach noch lange Zeit nicht geben.- Wann erwarten Sie eine Leitzinserhöhung?Wir betrachten das zweite Halbjahr 2015 als möglichen Zeitraum für eine Leitzinserhöhung durch die US-Notenbank. Nach Beendigung der Anleihekäufe wird die Fed die Auswirkungen von Kuponzahlungen und Fälligkeiten in ihrem Anleihenportfolio auf die Märkte analysieren. Vermutlich wird sie vor einer eventuellen Zinserhöhung einen aktiven Verkauf der Anleihen aus ihren Beständen starten.- Die Zinsen sind in den USA stark gestiegen. Sehen Sie Parallelen zur Entwicklung im Jahr 1994, wo es zu dramatischen Verlusten an den Anleihemärkten kam?Wir erwarten geringere Verluste als 1994. Damals wurden die Marktteilnehmer durch die Zinserhöhungen überrascht, heute bemühen sich die Zentralbanken stärker, ihre Politik zu erklären. Zudem ist heute das globale Wachstum erheblich geringer als vor 19 Jahren. Zusammen mit moderaten Inflationserwartungen sind keine derartigen Zinserhöhungen notwendig.- Wo liegt der Fair Value der zehnjährigen US-Anleihen?Ökonomen berufen sich zur Analyse des Fair Value gerne auf Fundamentalmodelle, die durch Preisentwicklungen einerseits und wirtschaftliche Aktivitätsdaten andererseits gefüttert werden. Oft wird auch das nominale Sozialproduktwachstum mit den nominalen Renditen verglichen. Solche Modelle und Vorgehen liefern Werte für Renditen, die jenseits von 4 % oder gar drüber liegen. Ich halte solche Aussagen weiterhin nicht für vernünftig, da wir uns immer noch im Finanzkrisenmodus befinden.- Was bedeutet dieser Rendite-Anstieg für Europa?Die Renditen in Europa steigen, wenn auch abgeschwächt, mit den US-Renditen. Die Bund-Renditen und die US-Treasury-Renditen haben eine hohe positive Korrelation zueinander, beide Länder gelten als sichere Investments und sind wirtschaftlich eng verflochten. Dennoch befindet sich Europa im wirtschaftlichen Zyklus klar hinter den USA. Dieser Renditeanstieg kommt also wegen der rezessiven Entwicklung in Europa zum falschen Zeitpunkt. Die Renditen der Anleihen der Peripherieländer sind sogar stärker gestiegen als Bundesanleihenrenditen, obwohl die wirtschaftliche Lage in den Peripherieländern deutlich schwächer ist. Eine fundamentale Bewertung wird durch die Eventrisiken überlagert oder sogar konterkariert. Im Zuge einer globalen Erholung könnten sich die Eventrisiken für die Peripheriestaaten verringern und damit auch der Renditeanstieg geringer ausfallen.- Wie erklären sich die Verluste bei den Schwellenländeranleihen?Schwellenländer waren und sind aufgrund ihrer soliden wirtschaftlichen Kennziffern beliebte Investitionsziele. Positive Wachstumsraten, moderate Inflationszahlen und verhältnismäßig geringe Staatsverschuldungen machen die Schwellenländer für Renditejäger interessant. Die Kursverluste in diesem Jahr sind eher darauf zurückzuführen, dass Investoren nach der guten Entwicklung in der Vergangenheit Gewinne mitnehmen. Das Verkaufsangebot trifft wegen der geringen Markttiefe in den Schwellenländern auf eine zu kleine Nachfrage, sodass die Kurse fallen. Wir erwarten, dass sich die fundamentalen Kennzahlen der Schwellenländer nicht verschlechtern, sodass das Renditeniveau der Schwellenländeranleihen attraktiv bleibt.- Welche Entwicklung bei der Inflation erwarten Sie?Die verlässlichsten Inflationsprognosen für die USA gibt eigentlich die US-Notenbank ab. Sie erwartet für 2014 eine Rate der Kerninflation von 1,5 bis 1,7 % und für 2015 eine Rate zwischen 1,7 und 2,0 %. Nennenswerte Inflation erwartet die Fed in den nächsten zwei Jahren nicht. Wir stimmen den Inflationsprognosen zu und erwarten daher auch keine Fed-Funderhöhungen in den nächsten zwei Jahren. Insgesamt sehen wir eine Entwicklung weg von den Deflationsgefahren und Desinflation.—-Das Interview führte Armin Schmitz.