"Wenn das alle machen, können wir die Gerichte abschaffen"
Herr Augenstein, die Handelsauseinandersetzungen zwischen dem Westen und China spitzen sich weiter zu. Nun sorgt ein Patentstreit zwischen Huawei und dem amerikanischen Digital-Media-Unternehmen Conversant für Diskussionen. Worum geht es?Huawei verkaufte Smartphones und Tablets mit UMTS-Standard, für die Conversant die entsprechenden Patente hält. Grundsätzlich sind Inhaber von solchen standardessenziellen Patenten verpflichtet, jedem eine Lizenz zu angemessenen Bedingungen anzubieten. Huawei erklärte aber offenbar nicht ausreichend seine Bereitschaft, solche Bedingungen anzunehmen. Das Landgericht Düsseldorf hat daher Huawei den Verkauf untersagt. Huawei hat daraufhin durch den chinesischen Supreme Court die Vollstreckung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf aussetzen lassen. Das heißt, wenn Conversant sein rechtmäßig in Deutschland erstrittenes Urteil vollstrecken lassen wollte, müsste man gleichzeitig in China eine Strafe in Millionenhöhe bezahlen. Damit will China offenkundig verhindern, dass Conversant das Urteil durchsetzt. Ein klarer Angriff auf die Unabhängigkeit deutscher Gerichte und die deutsche Souveränität. Warum ist der Sachverhalt überhaupt vor einem deutschen Gericht gelandet?Die deutschen Gerichte genießen bei solchen Patentverletzungsklagen international ein sehr hohes Ansehen. Allein im Jahr 2018 sind in Deutschland fast 750 Klagen wegen Patentverletzungen erhoben worden. Das Landgericht Düsseldorf war europaweit mit 425 neuen Fällen das am häufigsten angerufene Gericht. Die Verfahren sind in Deutschland beispielsweise wesentlich schneller, weil über die Gültigkeit der Patente getrennt verhandelt wird und die deutsche Zivilprozessordnung ein sehr zügiges und effizientes Verfahren erlaubt. So gibt es keine aufwendigen Zeugenvernehmungen oder Sicherung von Dokumenten, wie beispielsweise bei einer Discovery in den USA. Warum hat Huawei nicht den Rechtsweg in Deutschland beschritten?Weil man in Deutschland Gerichtsentscheidungen respektiert. Huawei könnte eine Vollstreckung und damit Unterlassung nur verhindern, wenn das Berufungsgericht der Überzeugung wäre, dass die Entscheidung des Landgerichts offensichtlich falsch war. Eine sehr hohe Hürde, die man nur selten nimmt. Wahrscheinlich werden sie es noch versuchen, aber der Weg über China scheint offenbar der effizientere gewesen zu sein. Ist das chinesische Urteil bindend für das Verfahren in Deutschland?Nein, genauso wenig wie deutsche Gerichte etwas in China vorschreiben können, kann ein chinesisches Gericht irgendetwas in Deutschland bewirken. Deswegen bleibt für das chinesische Gericht ja nur die Möglichkeit, Conversant zu Strafzahlungen in China zu zwingen, weil nur dort ein chinesisches Gericht Gewalt ausüben kann. Faktisch kann das aber dafür sorgen, dass Conversant das Urteil nicht vollstrecken kann, weil man sich die Strafzahlungen in China nicht leisten kann. Was bedeutet der Vorgang für die deutsche Justiz?Wenn das alle machen, können wir die Gerichte abschaffen. Die Bundesregierung muss intervenieren und China klarmachen, dass es einen solchen Angriff auf die deutsche Souveränität nicht akzeptiert. Es ist ja bekannt, dass die EU unter der deutschen Ratspräsidentschaft aktuell versucht, den Schutz geistigen Eigentums in China voranzubringen. Aber wie sollen wir denn China glauben, dass es geistiges Eigentum respektiert, wenn es verurteilte Patentverletzer nicht nur gewähren lässt, sondern aktiv Schützenhilfe leistet? Die politischen Gespräche der EU mit China zum Schutz geistigen Eigentums sind angesichts dieser Entwicklung eine Farce. Was können westliche Unternehmen tun?Westliche Unternehmen stehen schutzlos da. In China werden sie verurteilt. Die deutsche Justiz lehnt aus gutem Grund solche Eingriffe in die Souveränität anderer Staaten ab. Unternehmen können nur den politischen Druck erhöhen, damit China sich nicht über Grundprinzipien des Rechts hinwegsetzt und sich an internationale Spielregeln hält. Dr. Christof Augenstein ist Namenspartner der Düsseldorfer Kanzlei Kather Augenstein.Die Fragen stellte Helmut Kipp.