Recht und Kapitalmarkt

Wenn eine Übernahme nicht mehr vollzogen werden soll

Kreditkrise verändert Transaktionssicherheit - MAC-Klauseln sollen Schutz vor unvorhergesehenen Entwicklungen bieten

Wenn eine Übernahme nicht mehr vollzogen werden soll

Von Patrick Oliver Nordhues *) Bei Unternehmenskäufen fallen die Unterzeichnung des Kaufvertrags (Signing) und der tatsächliche Vollzug des Vertrags (Closing) zeitlich auseinander. So ist oftmals erforderlich, dass die Kartellbehörden die Transaktion freigeben. Für diesen Fall vereinbaren die Parteien die Freigabe als Bedingung für den Vollzug. Sie sind aber frei, auch andere Bedingungen (z. B. Sicherstellung der Fremdfinanzierung, Amtsniederlegung durch die Mitglieder des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft) für den Vollzug vorzusehen. Je länger jedoch dadurch die Zeitspanne zwischen Unterzeichnung und Vollzug ausfällt (etwa durch eine vertiefte Prüfung seitens der Kartellbehörden), desto größer ist für den Käufer die Gefahr einer möglichen nachteiligen Veränderung der Zielgesellschaft. Es kommt hinzu, dass der Käufer in der Zeit zwischen Unterzeichnung und Vollzug in der Regel allenfalls beschränkten Einfluss auf die Geschäftsentwicklung der Zielgesellschaft hat. Rücktrittsrecht für KäuferUm sich vor wesentlichen nachteiligen Veränderungen des Zielunternehmens in dieser Zeit zu schützen, verlangt der Käufer üblicherweise die Einbeziehung einer sogenannten “MAC”-Klausel – die Abkürzung von Material Adverse Change – in den Kaufvertrag. Diese hat ihren Ursprung im angloamerikanischen Rechtssystem und gewährt dem Käufer das Recht, von einem abgeschlossenen Unternehmenskaufvertrag zurückzutreten oder Bedingungen des Unternehmenskaufvertrages neu zu verhandeln, wenn bestimmte vertraglich definierte nachteilige Veränderungen bei der Zielgesellschaft eintreten. Auch in deutschen Unternehmenskaufverträgen finden MAC-Klauseln vermehrt Verwendung, was vor allem auf die immer stärkere Internationalisierung des M & A-Geschäfts zurückzuführen ist. Darüber hinaus spiegelt dies auch den steigenden Einfluss institutioneller Finanzinvestoren wider, die vielfach auf die Aufnahme solcher MAC-Klauseln in die Unternehmenskaufverträge dringen, da auch die entsprechenden Finanzierungsverträge regelmäßig MAC-Klauseln enthalten. So kann der Finanzinvestor sicherstellen, dass eine Verpflichtung zum Erwerb des Unternehmens nur dann besteht, wenn auch die Finanzierung zustande kommt. Gerichtliche SchritteBesondere Aktualität haben die MAC-Klauseln durch die Ereignisse des 11. September 2001 erlangt. Zahlreiche Unternehmenskäufer sahen in den negativen Auswirkungen der Terroranschläge auf die allgemeine Wirtschaftslage einen Umstand, der einen gravierenden Einfluss auf die Vertragsbalance hatte, so dass sie mithilfe der MAC-Klauseln versuchten, sich von geschlossenen Unternehmenskauf- bzw. Fusionsverträgen zu lösen oder die Verträge zumindest an die neue Situation anzupassen. Eine ähnlich wichtige Rolle spielen die Klauseln vor dem Hintergrund der Kreditkrise.So sind z. B. amerikanische Gerichte zurzeit mit der Frage befasst, ob die im vorigen Jahr für 10,6 Mrd. Dollar vereinbarte Übernahme des viertgrößten US-Chemiekonzerns Huntsman durch Hexion, eine Portfoliogesellschaft des Private-Equity-Investors Apollo, vollzogen werden muss. Nach einem Gewinnrückgang bei Huntsman von 70 % im ersten Quartal 2008 hatte Hexion den Rücktritt von der Übernahme erklärt und sich dabei auf eine MAC-Klausel berufen, die bei einer schweren Verschlechterung der Finanzlage von Huntsman einen solchen Rücktritt ermöglicht. Beide Parteien haben nun gerichtliche Schritte eingeleitet. Ein weiteres Verfahren ist zwischen dem US-Konzern Solutia Inc. und einem Bankenkonsortium um Citigroup und Goldman Sachs anhängig. Letztere hatten sich unter Berufung auf eine MAC-Klausel aufgrund der Verschlechterung des Gesamtmarktes von einer vereinbarten Finanzierung über 2 Mrd. Dollar zurückgezogen. Deutsche Gerichte haben sich dagegen, soweit ersichtlich, bislang noch nicht mit der Thematik der MAC-Klauseln befasst. Streitigkeiten aus Unternehmenskaufverträgen und damit über das Vorliegen und die Rechtsfolgen eines MAC werden vor Schiedsgerichten ausgetragen. Zudem werden die meisten Fälle, in denen eine MAC-Klausel greift, zunächst zwischen den Parteien verhandelt und dann über eine Verminderung des Kaufpreises gelöst. Der Forderung des Käufers nach der Vereinbarung einer MAC-Klausel wird der Verkäufer mit dem Argument der Transaktionssicherheit entgegentreten. Für den Eintritt einer bestimmten Geschäftsentwicklung kann der Verkäufer keine Gewähr übernehmen. Immerhin erwirbt der Käufer einen operativen Geschäftsbetrieb mit entsprechenden Risiken, aber auch Gewinnchancen. Um vor diesem Hintergrund eine akzeptable Risikoverteilung zu erreichen ist die Ausgestaltung der Klausel relevant. Drei Arten In der Praxis haben sich drei Arten von MAC-Klauseln herausgebildet, die sich je nach Anknüpfungspunkt unterscheiden lassen. Als “Business MAC” oder “Company MAC” werden Klauseln bezeichnet, die sich auf Veränderungen bei der Zielgesellschaft beziehen (Verschlechterung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage, Rechtsstreitigkeiten etc.). “Market-MAC”-Klauseln berücksichtigen nachteilige Entwicklungen an den Märkten, in denen Zielgesellschaft oder Käufer tätig ist. Schließlich werden mit “Finanzierungs-MAC” Sachverhalte erfasst, in denen nachteilige Entwicklungen auf den für die Fremdfinanzierung erforderlichen Märkten, z. B. Aktien- oder Kreditmärkten, eintreten. Da Markt-MAC und Finanzierungs-MAC nur schwer einschätzbare Marktrisiken betreffen, sind sie bei Verhandlungen besonders umstritten. Um im Streitfall entscheiden zu können, ob Veränderungen bei der Zielgesellschaft oder auf den relevanten Märkten eingetreten sind, die von der MAC-Klausel erfasst sind, ist die vertragliche Ausgestaltung und Formulierung der jeweiligen Klausel entscheidend. Dabei sollte es im Interesse beider Vertragsparteien liegen, den Tatbestand des MAC genau zu definieren. Der Verkäufer erzielt damit eine möglichst hohe Transaktionssicherheit, wohingegen der Käufer eine klar definierte Rücktrittsmöglichkeit erhält und keine Schadenersatzforderungen nach einem unberechtigten Rücktritt befürchten muss. Es empfiehlt sich insbesondere, bestimmte Schwellenwerte zu definieren, um den Tatbestand des MAC einzugrenzen. Solche Schwellenwerte sollten den Geschäftsbereich und das Marktumfeld der Zielgesellschaft berücksichtigen. Des Weiteren sollte ein Verfahren zur schnellen und verbindlichen Feststellung eines MAC vereinbart werden, z. B. durch Entscheidung eines Schiedsgutachters, um eine jahrelange gerichtliche Auseinandersetzung über das Vorliegen des MAC und den Vollzug der Transaktion zu vermeiden.Als Ergänzung könnte dem Verkäufer auch das Recht zur Reduzierung des ursprünglich vereinbarten Kaufpreises eingeräumt werden. Auch können bestimmte Ereignisse von vornherein aus dem Anwendungsbereich einer MAC-Klausel ausgeschlossen werden. Dies gilt insbesondere für Entwicklungen, auf die der Verkäufer keinen oder nur begrenzten Einfluss hat, so z. B. Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch kriegerische Auseinandersetzungen, Terroranschläge oder Veränderungen auf den Kreditmärkten wie die derzeitige Kreditkrise.Vor dem Hintergrund der aktuellen Kreditkrise erleben die MAC-Klauseln derzeit eine Renaissance. Mit der erstarkenden Marktmacht der Käuferseite im M & A-Geschäft stehen auch die Aussichten der Käufer für eine Einbeziehung solcher MAC-Klauseln wieder günstiger. Die Verhandlungsparteien sollten jedoch im beiderseitigen Interesse stets darauf achten, den Tatbestand der MAC-Klausel genau zu definieren, um einen späteren Streit über den Vollzug der beabsichtigten Transaktion zu vermeiden. *) Dr. Patrick Oliver Nordhues ist Rechtsanwalt bei McDermott Will & Emery in Düsseldorf.