ASSET MANAGEMENT

Wenn Erspartes zum Vermögensverwalter geht

Imageschaden der Großbanken begünstigt Wachstum bankunabhängiger Häuser in Deutschland - Aber Konsolidierungsdruck steigt

Wenn Erspartes zum Vermögensverwalter geht

In Deutschland hat der überwiegende Teil der Bevölkerung sein Geld bei Banken angelegt, obwohl das Image der Kreditinstitute als Folge der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise deutlich eingebüßt hat. Die Bedeutung unabhängiger Vermögensverwalter wächst hingegen. Sie profitieren vom Vertrauensschwund der Privatanleger, insbesonderegegenüber Großbanken.Von Stefan Kroneck, MünchenIn der deutschen Finanzdienstleistungsbranche hat sich ein Wandel vollzogen, der von der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbemerkt geblieben ist: der Bedeutungszuwachs bankunabhängiger, inhabergeführter Vermögensverwalter. In Deutschland gibt es mittlerweile etwa 450 selbständige Anbieter, die nach Expertenschätzungen auf ein verwaltetes Vermögen von insgesamt rund 100 Mrd. Euro (Assets under Management) kommen, das sich je zur Hälfte aus liquiden Anlageformen und Immobilien zusammensetzt. Binnen fünf Jahren erhöhte sich ihr Marktanteil bundesweit von 3 % auf nunmehr gut 5 %. Die auf unabhängige Vermögensverwalter spezialisierte V-Bank schätzt, dass sich dieser Anteil bis 2015 auf rund 10 % verdoppeln wird, was dann einem verwalteten Vermögen von 200 Mrd. Euro entspräche. EntwicklungslandFür das Segment wäre das zwar ein großer Schritt, im Vergleich zu anderen Staaten wäre Deutschland in diesem Bereich aber immer noch auf dem Niveau eines Entwicklungslandes. In weiter entwickelten Märkten wie den USA und der Schweiz bringen unabhängige Vermögensverwalter es auf Marktanteile zwischen 20 und 30 %. Ob in Deutschland dieses Niveau jemals erreicht wird, bleibt offen. Für die Branche stehen die Chancen aber gut, auch in Zukunft überdurchschnittlich zuzulegen, wenn man u. a. den wachsenden Wohlstand in der Bevölkerung und den steigenden Altersvorsorgebedarf in Betracht zieht.Wachstumstreiber ist aber auch die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise, die die Volatilität an den Märkten erhöht und damit die Anleger verunsichert. Insbesondere der durch die Krise bedingte Imageschaden für Großbanken führte zu einem Vertrauensverlust bei privaten Investoren, die sich nach Alternativen für die Verwaltung ihres Geld- und Wertpapiervermögens umsehen.Beispiel UBS: Die von der Krise durchgerüttelte Schweizer Großbank befindet sich in einem tiefen Umbauprozess, worunter auch ihr Privatkundengeschäft in Deutschland leidet. In die Hände gespielt”Das ramponierte Ansehen der Großbanken spielt den unabhängigen Vermögensverwaltern zusätzlich in die Hände. Diese Umstände können die Nachfrage nach Vermögensverwaltung durch bankunabhängige Adressen beflügeln”, frohlockte Günter Schlösser, Vorstandsvorsitzender des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter (VuV), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Mit derzeit 215 Mitgliedern, die es zusammen auf rund 60 Mrd. Euro Assets under Management bringen, repräsentiert der VuV über die Hälfte der Branche.Hinzu kommt, dass im klassischen Privatkundengeschäft der Banken aufgrund eines zunehmenden Wettbewerbsdrucks automatisch der Druck auf den Vertrieb innerhalb der Kreditinstitute steigt. Der Bankberater befindet sich dadurch in einem Interessenkonflikt: Einerseits soll er die Kunden umfänglich auf Basis individueller Anlageschwerpunkte beraten, andererseits unterliegt er den Verkaufsvorgaben seines Arbeitgebers. Das führt zu einer provisionsgetriebenen Beratung, die mit dem Interesse des Kunden oftmals kollidiert. Das Ergebnis: Die Frustration bei Bankberatern im herkömmlichen Privatkundengeschäft nimmt zu. Neugründungen nehmen zuAuf diese Situation reagieren die Mitarbeiter, indem sie entweder nur noch Dienst nach Vorschrift leisten, um auf diese Weise die Problematik auszublenden, oder zu einem Vermögensverwalter wechseln. In einigen Fällen wagen sie sogar den Schritt in die Selbständigkeit, indem sie sich als unabhängiger Vermögensverwalter versuchen. Aus der Masse der Bankberater geht jedoch nur eine Minderheit diesen Weg.Nach Schätzung von V-Bank-Chef Jens Hagemann wechselten 2011 in Deutschland rund 200 Bankberater zu einem bestehenden Vermögensverwalter. Über 150 kehrten ihrer Bank den Rücken im Rahmen von Vermögensverwalter-Neugründungen. 2011 waren es der Finanzaufsicht BaFin zufolge 46 Neugründungen. Das heißt, im Schnitt taten sich drei Bankberater zu einem Team zusammen, um als Vermögensverwalter zu starten.In solchen Fällen nehmen die betroffenen Bankberater einen Kundenstamm mit, weil das Vertrauen der Kunden eng an die Person des Beraters geknüpft ist. Nur auf diese Weise ist es überhaupt möglich, sich bei entsprechender Qualifikation (die BaFin vergibt eine Lizenz zum Finanzportfolioverwalter u. a. bei Nachweis einer Berufsausbildung und -erfahrung) eine eigene Existenz in der Vermögensverwaltung erfolgreich aufzubauen.Dazu zwei Beispiele: Anfang vergangenen Jahres gründete Herbert F. Keilhammer von der Commerzbank kommend mit vier Kollegen in München die Vermögenskultur AG, die sich auf Familienvermögen und Stiftungen spezialisiert hat. Aus dem Stand heraus brachten sie es auf 100 Mill. Euro Assets under Management. Binnen eines Jahres schafften sie es, diese Summe auf 200 Mill. Euro zu verdoppeln.Im Frühjahr 2007, ein Jahr vor Ausbruch der Finanzmarktkrise, gingen die Bankkaufleute Alexander Pruschke und Andreas Kalm mit ihrer neu gegründeten Gesellschaft Pruschke & Kalm GmbH in Berlin an den Start. Zu Beginn hatten sie Assets under Management von 15 Mill. Euro. Die Firma ist auf das Mandatsgeschäft spezialisiert. Die Aktivitäten sollen auf Stiftungsvermögen ausgeweitet werden. Heute umfasst Pruschke & Kalm sechs Personen, die ein Kundenvermögen von über 50 Mill. Euro von insgesamt rund 200 Mandanten verwalten, was einem durchschnittlichen Depotvolumen von 250 000 Euro entspricht.Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung kündigte Geschäftsführer Alexander Pruschke an, bis 2015 die Assets under Management mit der derzeitigen Mannschaft auf 100 Mill. Euro verdoppeln zu wollen. Das Wachstum erfolgt über die Weiterempfehlung durch Bestandskunden und Geschäftspartner wie Fonds und Steuerberater. Auf Basis der operativ regelmäßigen Erträge (Vergütung aus Verwaltung und der Anlageleistung) peilt Pruschke & Kalm 2012 die Gewinnschwelle an. Der Break-even sei operativ bei Assets under Management von gut 60 Mill. Euro erreichbar, so Pruschke. Seine Gesellschaft arbeitet mit der Comdirect Bank, UBS und der V-Bank als Abwicklungsbanken für die Wertpapiertransaktionen zusammen. Spitzengruppe überschaubarDie Vermögenskultur AG und Pruschke & Kalm sind typische mittelgroße Anbieter, die die Mehrheit der bankunabhängigen Vermögensverwalter abbilden. Von den rund 450 Adressen in Deutschland befinden sich nach Expertenschätzungen etwa 300 in einer Position, bei der man ein tragfähiges Geschäftsmodell unterstellen kann.Bundesweit gibt es mittlerweile rund zehn unabhängige Vermögensverwalter, die Assets under Management von jeweils mehr als 1 Mrd. Euro steuern; etwa 30 betreuen ein verwaltetes Vermögen in einer Bandbreite von jeweils 0,5 bis 1 Mrd. Euro. Das heißt, dass knapp 10 % der Häuser die Spitzengruppe bilden. Branchenprimus ist die Kölner Gesellschaft Flossbach von Storch mit über 5 Mrd. Euro Assets under Management. Als (grobe) Faustregel in der Branche gilt, dass Vermögensverwalter mindestens aus fünf Personen bestehen sollten und Assets under Management von rund 100 Mill. Euro haben müssen, um auf Dauer wirtschaftlich wirklich tragfähig zu sein. Probleme für kleine AnbieterErreichen sie diese Schwellen auf absehbare Zeit nicht, wird es für sie eng. Dabei handelt es sich zumeist um Ein-Mann-Betriebe, die nur wenige Kunden vorweisen können. Diese sind kaum mehr in der Lage, der zunehmenden Bürokratisierung der Arbeitsabläufe aufgrund wachsender regulatorischer und gesetzlicher Anforderungen (u. a. EU-Richtlinie über Finanzmärkte, Mifid) nachzukommen. “Kleine Häuser werden sich künftig noch schwerer tun, diese Auflagen zu erfüllen”, räumte Verbandschef Günter Schlösser gegenüber der Börsen-Zeitung ein.Vor diesem Hintergrund rechnet Geschäftsführer Alexander Pruschke damit, dass die Wachstumsdynamik in Bezug auf die Zahl der Neugründungen nachlässt: “Ich glaube, dass der Peak in Deutschland fast erreicht ist, was die Zahl der Vermögensverwalter betrifft. Es können noch 2012 einige Neugründungen hinzukommen. Im nächsten Jahr nimmt es aber deutlich ab”, lautet seine Prognose.Eine Alternative für die kleinen Häuser wäre deshalb, sie schlössen sich mit anderen zusammen oder rutschten unter das Haftungsdach einer anderen, größeren Adresse. Laut V-Bank-Chef Jens Hagemann wächst der Konsolidierungsdruck. Er befürchtet, dass rund 50 Vermögensverwalter über kurz oder lang vom Markt verschwinden werden. VuV-Chef Schlösser ist hingegen zurückhaltend: “Wir erkennen derzeit keinen Konsolidierungstrend in der Branche unabhängiger Vermögensverwalter. Kooperationen unter Vermögensverwaltern nehmen in Deutschland derzeit nicht zu.”In naher Zukunft wird sich also zeigen, wer mit seiner Prognose recht behält.