Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Anne Gross

Wenn Finanzinvestoren Manager- und Gesellschafterstellung kündigen

Bundesgerichtshof entscheidet über Klauseln - Es gibt einige Alternativen

Wenn Finanzinvestoren Manager- und Gesellschafterstellung kündigen

– Frau Dr. Gross, der Bundesgerichtshof (BGH) muss demnächst entscheiden, ob Private-Equity-Investoren den Managern ihrer Gesellschaften bei einer Kündigung auch die Gesellschafterstellung entziehen können. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sagte als Vorinstanz nein, das OLG Düsseldorf ja. Was verbirgt sich hinter dem Dissens? Es geht um Hinauskündigungsklauseln. Private-Equity-Gesellschaften (PEG) beteiligen Manager gern als Gesellschafter an dem Unternehmen, für das sie arbeiten. Die Manager haben so direkt an der Geschäftsentwicklung teil. Scheiden sie aus, kommt die Hinauskündigungsklausel ins Spiel. Danach müssen sie entweder der Gesellschaft, für die sie arbeiten, oder der PEG ihre Beteiligung zum Kauf anbieten. Denn die PEG hat kein Interesse, einen Ex-Manager als Gesellschafter zu behalten. – Warum streiten die Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Klauseln? Nach der Rechtsprechung des BGH sind Hinauskündigungsklauseln bei Personengesellschaften und GmbHs grundsätzlich sittenwidrig und unwirksam. Die Richter begründen das so: Ist ein Gesellschafter von der Ausschließung bedroht, macht er von seinen Rechten nicht mehr frei Gebrauch. Er beugt sich dem mächtigeren Gesellschafter, der das Ausschließungsrecht hat, und wird praktisch zum Gesellschafter zweiter Klasse. Eine Ausnahme lässt der BGH zu, wenn es einen sachlichen Grund für den Ausschluss gibt. – Was war jetzt zu entscheiden?Das OLG Düsseldorf und das OLG Frankfurt hatten in parallelen Fällen darüber zu entscheiden, ob das Hinauskündigungsrecht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt war. Vereinfacht ging es in beiden Fällen um folgenden Sachverhalt: Eine Ladenkette beteiligte die Geschäftsführer ihrer Läden an der jeweiligen Laden-GmbH mit 10 %. Mit Erwerb gaben die Geschäftsführer ein bindendes Angebot ab, die Beteiligung im Fall ihres Ausscheidens an den Mehrheitsgesellschafter zu verkaufen. Das OLG Frankfurt verneinte am 23. Juni 2004 einen sachlichen Grund. Das OLG Düsseldorf sah am 16. Januar 2004 dagegen die Hinauskündigung durch das Unternehmenskonzept gerechtfertigt. Das OLG Düsseldorf konnte kein legitimes Interesse des Geschäftsführers erkennen, das einer Hinauskündigung entgegengestanden hätte. Laut Gericht war die Leistung des Geschäftsführers durch dessen Gehalt abgegolten. Beim Ausscheiden hatte der Manager eine übliche Vergütung für seinen Anteil erhalten. Der BGH muss entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen Manager dazu verpflichtet werden können, ihre Anteile zu veräußern. – Was bedeuten die Entscheidungen für die Praxis? Zum einen enthalten viele Beteiligungsverträge mit Managern solche Hinauskündigungsklauseln. PEGs sollten deshalb überlegen, in welchen Fällen sie ihre Beteiligungen umstrukturieren. Bei künftigen Beteiligungen sollten alternative Beteiligungsmodelle in Betracht gezogen werden. Zum anderen sind Konstellationen denkbar, auf die die Rechtsprechung analog angewendet werden kann – zum Beispiel die Verwässerung des Anteils des Managers gegen seinen Willen. In der AG ist das Risiko dagegen geringer, mit der Rechtsprechung in Konflikt zu geraten, weil der BGH auf die personalistische Struktur der GmbH abstellt. – Welche anderen Formen der Beteiligung sind möglich?Um den gleichen Motivationseffekt wie bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung zu erreichen, kann der Manager mit fiktiven Anteilen schuldrechtlich am Erlös beim Exit beteiligt werden. Dies kann aber steuerliche Effekte haben. Weiterhin kann vereinbart werden, dass der Manager bei Ausscheiden aus der Geschäftsführung Gesellschafter bleibt, aber sein Anteil am Erlös beim Exit der PEG rückbezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens berechnet wird. Der Gewinn, der nach Ausscheiden des Managers erzielt wird, steht dann den anderen Gesellschaftern zu. Ferner können die Anteile der Manager auch von einer Managementbeteiligungsgesellschaft gehalten werden, die Treuhandverträge mit ihnen abschließt. Möglich sind auch Unterbeteiligungen, stille Gesellschaften und Genussscheine. – Welche Entscheidung erwarten Sie mit welchen Konsequenzen?Nach meiner Einschätzung wird der BGH Hinauskündigungsklauseln grundsätzlich als rechtmäßig anerkennen. Die Argumentation des OLG Düsseldorf zum Unternehmenskonzept als sachlichem Grund überzeugt. Die Gerichte können dann im Einzelfall überprüfen, ob ein entsprechendes Konzept vorliegt und die Interessen der Manager bei der Abfindungshöhe gewahrt sind. Eine gegenteilige Entscheidung wäre misslich. Viele Managementbeteiligungen wären unwirksam und müssten neu strukturiert werden. Dr. Anne Gross LL.M. (RSA) ist Rechtsanwältin im Berliner Büro der internationalen Sozietät Lovells. Die Fragen stellte Walther Becker.