Recht und Kapitalmarkt

Wenn nach dem Abschluss ein anderer Bieter gesucht wird

Go-Shop-Vereinbarungen neu auf dem deutschen Übernahmemarkt - Höhere Bewertung der Zielgesellschaft - Erfahrungen in den USA

Wenn nach dem Abschluss ein anderer Bieter gesucht wird

Von Eberhardt Kühne und Moritz Dietel *) Go-Shop ist ein Klauseltyp in Unternehmensübernahmeverträgen, der sich in den vergangenen Jahren in den USA entwickelt hat. Diese Klauseln räumen dem Board einer Zielgesellschaft nach Abschluss eines Übernahmevertrags das Recht ein, einen anderen Bieter zu suchen – eben “to go shop”. Eines der jüngeren Beispiele ist die Übernahme von Greenfield Online/Ciao durch Microsoft. Nach einer empirischen Auswertung der Harvard Law School führen Go-Shop-Klauseln zu höheren Angeboten der Bieter. Die Verfahren in den USADas Board einer Corporation hat in der US-Unternehmensübernahmepraxis großen Einfluss. Die Zielgesellschaft ist meist Partei des Übernahmevertrags. Eine US-Aktiengesellschaft kann unbeschränkt Aktien an sich selber erwerben und so dem Board eine Mehrheit der Stimmrechte sichern. Der Übernehmer wird also versuchen, sich mit dem Board des Ziels zu einigen.Ausgangspunkt für die Entwicklung von Go-Shop ist die Revlon-Entscheidung. Diese verpflichtet das Board des Ziels, selbst bei feindlichen Übernahmeangeboten den besten Preis sicherzustellen. Traditionell wird dieser Verpflichtung nachgekommen, indem Investmentbanken für das Ziel den Markt nach Bietern sondieren und das Board mit mehreren Bietern verhandelt, nachdem ein Erstbieter sein Übernahmeinteresse bekundet hat. Der anschließend mit einem Bieter geschlossene Übernahmevertrag enthält eine No-Shop-Klausel. Diese untersagt weitere Verhandlungen mit anderen Bietern. Break-up-Gebühren machen es für das Ziel im Übrigen uninteressant, nach Abschluss des Übernahmevertrags mit anderen Bietern zu verhandeln. So besteht für den Erstbieter keinerlei Exklusivität. Go-Shop dreht diese Reihenfolge um. Ein Investor tritt an die Zielgesellschaft heran, die zunächst auf die Suche nach anderen Bietern verzichtet und dem Erstbieter Exklusivität gegen Vertraulichkeitszusage und Stillhalteabkommen gewährt. Bei einer Einigung wird der Übernahmevertrag geschlossen und publik gemacht. Er enthält eine Go-Shop-Klausel, die dem Ziel das Recht einräumt, jetzt nach weiteren Bietern zu suchen. Bei einer besseren Offerte kann die Klausel vorsehen, dass der Übernahmevertrag mit dem ersten Bieter aufgelöst wird und dieser eine gegebenenfalls vereinbarte Break-up Fee erhält. Daneben kann die Klausel vorsehen, dass mit dem Erstbieter die Verbesserung seiner Offerte verhandelt wird. Wurde ein Ausgleichsrecht (Match Right) eingeräumt, darf die Zielgesellschaft nur mit dem neuen Bieter abschließen, sofern der ursprüngliche Interessent dessen Offerte nicht ausgleicht. Und in DeutschlandHierzulande hat der Vorstand einer deutschen Zielgesellschaft bei öffentlichen Übernahmen nicht die gestaltende Rolle des Boards einer US-Corporation. § 71 AktG erlaubt einer deutschen AG unter engen Voraussetzungen, maximal 10 % eigene Aktien zu erwerben. Stimmrechte aus ihnen hat der Vorstand nicht. Besitzt die Gesellschaft zulässigerweise eigene Aktien, kann der Vorstand unter Wahrung der Interessen aller Beteiligten für diese einen “echten” Erwerber als Weißer Ritter und gleichzeitig potenzielle Interessenten für nicht eigene Aktien suchen.Eine in § 93 AktG hineingelesene Neutralitätspflicht des Vorstands, die ihm eine Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur der Gesellschaft und in Übernahmesituationen das Verhandeln mit Bietern untersagt, ist abzulehnen. Der Gesetzgeber hat Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft Einfluss auf das Übernahmeverfahren eingeräumt. Der Vorstand muss Verteidigungsmaßnahmen sogar vor nicht konkretisierten Übernahmeversuchen treffen können, die möglichen Verteidigungsmaßnahmen gegen ein konkretes Übernahmeangebot gleichstehen. Er hat allerdings die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen: einerseits das der Aktionäre an hoher Rentabilität der Zielgesellschaft und an einem hohen Verkaufspreis für ihre Aktien, andererseits das der Mitarbeiter und anderen Stakeholder.Stehen keine gewichtigen anderen Interessen entgegen, entspricht es sorgfältigem Handeln des Vorstands, für die Aktionäre unter mehreren Bietern einen optimalen Kaufpreis auszuhandeln. Mittels einer Investoren- oder Übernahmevereinbarung kann er wie im Fall Continental/Schäffler versuchen, Einfluss auf die Folgen einer Übernahme zu nehmen. In dieser kann ein Go-Shop geregelt werden.Das Übernahmerecht steht dem nicht entgegen. Die Verhaltenspflichten von Vorstand und Aufsichtsrat beginnen zwar mit Bekanntgabe der Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots und enden erst mit Veröffentlichung des Ergebnisses, also lange nach Abschluss der Investorenvereinbarung. Auch bedürfen Verteidigungsmaßnahmen unter Beachtung der Einschränkungen des § 33 WpÜG der Zustimmung der Hauptversammlung. In einer Stellungnahme zu einem Übernahmeangebot dürfen Vorstand und Aufsichtsrat auch nur auf u. a. Art, Höhe und Angemessenheit der Gegenleistung eingehen.Das WpÜG lässt jedoch ausdrücklich die Suche nach konkurrierenden Angeboten zu, um den Aktionären so Entscheidungsalternativen zu eröffnen. Folglich darf der Vorstand mit konkurrierenden Bietern auch verhandeln. Die übernahmerechtliche Beschränkung von Verteidigungsmaßnahmen läuft dem nicht zuwider, da Verhandlungen mit mehreren Bietern eine Übernahme nicht verhindern. Die Auswirkungen Der Vorstand kann sich also mittels Übernahme- oder Investorenvereinbarung, die nach bekannt gegebener Entscheidung des ersten Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots abgeschlossen wird, das Recht sichern, im Rahmen einer Go-Shop-Klausel einen konkurrierenden Bieter zu suchen. Sofern in ihr sichergestellt ist, dass ein neuer Bieter eine realistische Chance auf den Erwerb der Zielgesellschaft hat und nicht durch den ersten Bieter abgeschreckt wird, dürfte eine Go-ShopKlausel zur Erfüllung einer Pflicht des Vorstands, nach mehreren Bietern zu suchen, ausreichen.In traditionellen Bieterverfahren mit No-Shop stehen alle potenziellen Bieter auf derselben Stufe. Bei Go-Shop ist der ursprüngliche Bieter zunächst allein. Die Zielgesellschaft muss in der Regel eine Break-up Fee zahlen. In Verbindung mit dem Match Right steht der erste Bieter besser als die anderen. Bei No-Shop haben alle Bieter einen ähnlichen Zeitrahmen für ihr Angebot. Bei Go-Shop hingegen hat der neue Bieter weniger Zeit zur Entscheidung, was ihn von der Abgabe eines Angebots abhalten kann. Erschwerend kommt hinzu, dass der ursprüngliche Bieter bereits einen besonderen Status hat. Ist vereinbart, dass der Vorstand auch nach der Übernahme im Amt bleibt, kann der Eindruck entstehen, dass sich das Management bereits festgelegt hat und zu neutralen Verhandlungen mit einem neuen Bieter kaum bereit ist. Weitere OptionenIm Falle eines zusätzlichen Go-Shop nach einem Bieterverfahren vor Abschluss des Übernahmevertrags wird die Verhandlungsposition der Zielgesellschaft gestärkt, weil weitere Optionen eröffnet werden. Der erste Bieter gibt bei Go-Shop von vornherein ein höheres Angebot ab, um spätere potenzielle Bieter abzuschrecken. Diese müssen das bereits bestehende Angebot überbieten und steigen dementsprechend mit einer hohen Offerte ein. Andererseits kann die Verhandlungsposition des ersten Bieters durchaus gestärkt werden, da der Vorstand der Zielgesellschaft infolge der Go-Shop-Klausel kein traditionelles Bieterverfahren durchführen muss. Zudem können Break-up Fees, das geringe Zeitfenster für ein Konkurrenzangebot und ein mögliches Recht mit der Option, das eigene Angebot auszugleichen, weitere Bieter abschrecken.Auch bei der Veräußerung nicht börsennotierter Unternehmen oder Assets kann es aus Verkäufersicht interessant sein, anstatt mit mehreren Bietern zunächst exklusiv mit einem Investor zu verhandeln und einen Kaufvertrag mit Go-Shop zu schließen, um so die Marktgerechtigkeit des Deals auszuloten. *) Dr. Eberhardt Kühne ist Partner und Dr. Moritz Dietel Associate bei K & L Gates LLP.