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Wenn Unternehmer, Freiberufler und Vereine für Fledermäuse haften

Neues Umweltschadensgesetz birgt bisher nicht gekannte Haftungsrisiken - Auch Führungskräfte betroffen - Anpassung des Versicherungsschutzes notwendig

Wenn Unternehmer, Freiberufler und Vereine für Fledermäuse haften

Von Stefan Terliesner Wer kennt den Zarten Gauchheil oder die Ried-Grasnelke? Wer weiß, wie die Große Mausohr aussieht? Diese und weitere etwa 130 Tier- und Pflanzenarten stehen auf der Liste der geschützten Arten des Bundesamtes für Naturschutz. Für viele Manager könnte es in Zukunft wichtig sein, von diesen bedrohten Arten schon einmal gehört zu haben. Verschulden spielt keine RolleDenn das neue Umweltschadensgesetz fordert bei Schädigung dieser Tier- und Pflanzenarten vom Unternehmen deren Wiederansiedlung. Zudem müssen geschädigte Böden oder Gewässer saniert werden. Nach dem Gesetz haften Unternehmen auch schuldlos für Umweltschäden und sogar schon für Umweltgefährdungen.”Das erhöht das Risiko einer Inanspruchnahme deutlich im Vergleich zur bisherigen, zum überwiegenden Teil verschuldungsabhängigen Haftung für bereits eingetretene Schäden”, erklärt Thomas Orthey, Geschäftsführender Gesellschafter des Versicherungsmaklers Orthey Westerwald-Consult. Zudem sieht das Gesetz keine Haftungshöchstgrenzen vor. KlagerechtAuch aus einem anderen Grund sollte das Risiko nicht unterschätzt werden: Anerkannte Umweltverbände erhalten ein Klagerecht. Demnächst können sie die zuständige Behörde verpflichten, sowohl Unternehmen als auch deren Vorstände oder Geschäftsführer persönlich für Umweltschäden in Anspruch zu nehmen.Das Umweltschadensgesetz tritt am 14. November 2007 tritt in Kraft, gilt aber rückwirkend für Schäden, die nach dem 30. April 2007 verursacht wurden. Der Grund: Ende April hätte eine entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden müssen. “Betriebe sollten sich daher rasch um Versicherungsschutz bemühen”, betont Jörg Sons, der bei Axa Experte für Umweltschadensversicherung ist. Einige Versicherer bieten bereits Policen an, die auch rückwirkend für Schäden aufkommen. Neben Axa ist dies zum Beispiel die R+V. “Dies gilt natürlich nur für Schäden, die bei Vertragsabschluss nicht bekannt waren”, ergänzt Sons.Das neue öffentlich-rechtliche Umwelthaftungskonzept sieht eine Haftung für den Umweltschaden an sich vor. Der Begriff Schaden an den Umweltmedien Boden und Gewässer sowie den Biodiversitäten (Arten, natürliche Lebensräume) wird losgelöst vom Eigentum definiert. Dass heißt, die Haftung tritt auch dann ein, wenn die geschädigte Umwelt keinem gehört. “Bislang konnten Unternehmen nur für den durch die Umwelteinwirkung entstandenen weiteren Schaden zivilrechtlich in Anspruch genommen werden”, sagt Stefan Scholz vom Versicherungsmakler Aon Jauch & Hübener. Der Schaden stellte sich bisher – je nach Anspruchsform – als Personen-, Sach- oder Vermögensschaden dar.In Zukunft haben Verursacher von Umweltschäden die Pflicht, bei Gefahr oder Eintritt des Schadens die zuständige Behörde zu informieren. Mit ihr müssen die zu ergreifenden Schadensvermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen abgestimmt werden. Die Kosten trägt der “Verursacher”, entweder indem er die Maßnahmen selbst ausführt oder von der Behörde in Anspruch genommen wird. Privatmann außen vorNur berufliche Tätigkeiten verursachen eine Haftung. Im Fokus stehen Tätigkeiten der “Anlage 1” (siehe Kasten links). Für alle anderen Tätigkeiten gilt das Gesetz nur für Schädigungen an Biodiversitäten, sofern der Verantwortliche vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Gerade Gewerbebetriebe sollten ihre Risikosituation kennen. “Aber nicht nur Unternehmen sind betroffen. Das Gesetz gilt auch für Vereine und Freiberufler”, sagt Dietrich Winter, Allianz-Experte für Umweltrisiken. Das Problem: Vielen Unternehmen dürfte nicht bewusst sein, dass sich ihr Standort in direkter Nähe eines Vogelschutz-, Naturschutz- oder Flora-Fauna-Habitate-Gebietes befindet. Dazu Winter: “In Deutschland gibt es fast 5 000 besonders geschützte Gebiete. Etwa 13 % der deutschen Landfläche sind Schutzgebiet.” Die Vielzahl der oft kleinen Areale führe dazu, dass fast jedes Unternehmen in der Nähe eines Schutzgebietes liege.”Für Industriebetriebe gleich welcher Branche ist eine Risikoanalyse unerlässlich”, betont auch Richard Pott, Geschäftsführender Leiter des Instituts für Geobotanik der Universität Hannover und Berater der HDI-Versicherungsgruppe. Risiken erwachsen aber auch aus den vielen Tier- und Pflanzenarten, die überall in Deutschland geschützt sind. “Die derzeit im Markt erhältlichen Haftpflicht- und Sachversicherungen können die Schäden nach dem Umweltschadensgesetz nicht vollständig absichern”, so Scholz. Auch die Anfang Mai vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) veröffentlichten Empfehlungen böten keine umfassende Absicherung der neuen Risiken.Aon Jauch & Hübener moniert zum Beispiel den fehlenden Schutz für alle Schäden, die nicht durch eine Betriebsstörung eintreten sowie den fehlenden Schutz für Schäden im Ausland. Die Makler ergänzen aber auch, dass man die Entwicklung der Versicherungsmärkte beobachten müsse. Auf jeden Fall ist die Branche aufgefordert, Lösungen anzubieten, die die neue Haftung so weit wie möglich abdeckt. Die Industrieunternehmen wiederum sollten ihr Risikomanagement im Hinblick auf die neue Rechtsnorm prüfen und anpassen. Dazu zählen spezielle Umweltschadenspolicen. “Darüber hinaus müssen die Unternehmen bestehende Vermögensschadenshaftpflichtversicherungen für ihre Führungskräfte prüfen”, so Orthey. Der Makler spricht hier die D & O-Versicherungen (Directors-and-Officers-Versicherungen) an.Der gleichen Ansicht ist Günter Schlicht, Geschäftsführender Vorstand beim Deutschen Versicherungsschutzverband: “Die Unternehmen sollten ihre Organhaftpflichtversicherungen nicht in die Schublade legen, sondern unter Beobachtung halten und an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen.” Vielleicht fragen Manager diesbezüglich aber auch selber bei ihrem Unternehmen nach. Schließlich haften künftig auch Führungskräfte mit ihrem Vermögen für Myotis – die Große Mausohr-Fledermaus.