Recht und Kapitalmarkt

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Aktionär

Konkurrierende Übernahmeangebote an die Anteilseigner von Techem - Ein gutes Zeichen für den deutschen Kapitalmarkt

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Aktionär

Von Christian Zschocke *) Unfreundliche Übernahmen waren bislang selten, und konkurrierende Angebote eher die Ausnahme. Dies hat sich geändert. Konkurrierende – oder manchmal auch feindliche – Angebote zum Erwerb von Aktien scheinen sich zu häufen. Die Übernahme von Schering durch Bayer im Bieterwettstreit mit der Merck KGaA wurde erst vor kurzem abgeschlossen. Die Übernahmeverfahren MAN/Scania/VW sind anhängig, ebenso wie der Kampf der Eon AG um die spanische Endesa. Durch die Presse geht der Erwerb der – privaten – Germanischer Lloyd AG in Hamburg, für die inzwischen drei Angebote vorliegen. Die Stahlindustrie scheint ebenfalls von derzeit besonderem Interesse zu sein. Die Übernahme der Arcelor durch die Mittal ist in guter Erinnerung. Nunmehr gibt es einen Bieterwettstreit um die britische Corus-Gruppe. Und Thyssen rüstet sich offenbar gegen unwillkommene Avancen.Ein weiterer Fall betrifft die Aktien der – börsennotierten – Techem AG aus Eschborn. Die australische Macquarie Bankengruppe hatte ursprünglich ein Angebot von 44 Euro vorgelegt und dieses inzwischen auf 55 Euro je Aktie erhöht, nachdem über BC Partners ein konkurrierendes Angebot in Höhe von 52 Euro angekündigt worden war. Wann “feindlich”?Die Bezeichnung “feindlich” für ein Angebot stellt häufig auf die Interessen des Managements der Zielgesellschaft ab. Dabei sind konkurrierende Angebote zum Erwerb einer Zielgesellschaft im Interesse des Kapitalmarktes und der Aktionäre. Da die Bieter bei dem Angebotspreis (und anderen Angebotsfaktoren) miteinander konkurrieren, ergibt sich für die Aktionäre der Zielgesellschaft über das Bietverfahren die Gelegenheit, einen Angebotspreis zu erzielen, der sich an den aktuellen Marktbedingungen orientiert.Der Vorstand der Techem AG riet den Aktionären von der Annahme des ursprünglichen Angebots der Macquarie-Gruppe ab, weil dieses Angebot keine konkreten strategischen Ziele der Bietergesellschaft erkennen lasse. Zudem erfolgten sämtliche im Angebot dargestellten Absichten unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit weiterer Informationen und seien daher kaum verlässlich. Der Techem-Aufsichtsrat schloss sich dieser Einschätzung an. Zum “Weißen Ritter” Bereits vor Abgabe dieser Stellungnahme hatte der Vorstand der Techem AG das angekündigte konkurrierende Angebot begrüßt, das er, vorbehaltlich einer Prüfung der Angebotsunterlage und unbeschadet seiner übernahme- und aktienrechtlichen Pflichten, unterstützen wolle. Die von BC Partners beratene Bietergesellschaft habe bereits in einem Rahmenvertrag der Techem AG weit reichende vertragliche Zusagen erteilt, einschließlich der Unterstützung der gegenwärtigen Strategie der Techem AG, des Erhalts des Standorts und der Arbeitsplätze.Die Hinwendung der Techem AG zum von BC Partners beratenen Investor wird nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass von BC Partners beratene Fonds von 1996 bis zum Börsengang 2000 maßgeblich an der Techem AG beteiligt waren und auch danach ein Vertreter der BC Partners bis Ende August 2006 im Techem-Aufsichtsrat saß. Die Suche nach solchen Drittangeboten eines “Weißen Ritters” bleibt im Rahmen der bei Übernahmen grundsätzlich geltenden Neutralitätspflicht durch den Vorstand und den Aufsichtsrat einer Zielgesellschaft. Der Vorstand darf ab der Veröffentlichung der Bieterentscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Angebotsergebnisses außer durch von Vorratsbeschlüssen abgedeckte Maßnahmen im Grundsatz keine Handlungen vornehmen, die den Erfolg des Angebots verhindern könnten. Von den gesetzlich zugelassenen Ausnahmen hiervon wandte die Praxis bisher vor allem, so wie jetzt die Techem AG, die Suche nach einem konkurrierenden Angebot eines “Weißen Ritters” an. Abwehrmaßnahmen in einer Übernahmesituation scheitern häufig aus Zeitmangel oder am Einfluss des Angebots auf den Börsenkurs. Offenes Verfahren gestütztDas Übernahmerecht will ein offenes Bietverfahren bis zum Ablauf der Angebotsfristen sicherstellen und damit den Aktionären die Möglichkeit eröffnen, jederzeit auf das jeweils beste Angebot umzusteigen.Im deutschen Übernahmerecht finden sich daher Regelungen zu konkurrierenden Angeboten, die einen geordneten Ablauf sicherstellen. So verlängert sich etwa der Ablauf der Annahmefrist des ursprünglichen Angebots, falls sie sonst vor der des konkurrierenden Angebots ablaufen würde. Aktionäre der Zielgesellschaft, die das ursprüngliche Angebot bereits angenommen haben, haben bei einem konkurrierenden Angebot das Recht, bis zum Ablauf der Annahmefrist von der Annahme zurückzutreten, sofern die Angebotsannahme vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage des konkurrierenden Angebots erfolgte.Bestimmte Fragen sind nicht gesetzlich geregelt, so etwa, ob jeder Bieter seine Offerte mehrfach erhöhen darf. Dieser Frage wird bei Bieterwettbewerben eine erhebliche Bedeutung zukommen. Da hierzu bisher weder eine gesetzliche Regelung noch eine Entscheidungspraxis der BaFin vorliegt, kann man derzeit lediglich sicher davon ausgehen, dass jeder Bieter sein Angebot nur einmal nachbessern kann. Knifflige Gleichbehandlung Ungeklärt ist auch, wie weit das Gebot der Gleichbehandlung konkurrierender Bieter durch die Zielgesellschaft reicht, etwa im Hinblick auf die Gewährung von Informationen an die Bieter. Da die Überarbeitung des deutschen Übernahmerechts mit der Umsetzung der Europäischen Übernahmerichtlinie in diesem Sommer gerade erst erfolgte, kann man Klarstellung hier nicht vom Gesetzgeber erwarten. Die weitere Rechtsfortbildung bleibt insoweit abzuwarten.Im aktuellen Angebotsverfahren machte die Macquarie mit der Erhöhung ihres Angebotspreises vorläufig den letzten Zug. Nun stellt sich die Frage ob das angekündigte konkurrierende Angebot auch vorgelegt wird, und zu welchem Preis. Allerdings verfügen Gesellschaften der Macquarie-Gruppe bereits über 27,21 % des Techem-Grundkapitals und damit über eine Sperrminorität, mit welcher etwa Strukturmaßnahmen abgeblockt werden könnten.Der von BC Partners beratene konkurrierende Bieter wird daher sein weiteres Vorgehen sorgfältig planen. Insbesondere wird er entscheiden müssen, ob und wie er künftig mit der Macquarie-Gruppe zusammenarbeiten kann. Das Beispiel der Übernahme der Schering AG zeigt, dass auch ein “Weißer Ritter” sich als Bieter für den Erfolg seines Angebots jeweils eine Strategie für den Fall der Einmischung eines hartnäckigen Konkurrenten oder eines interessierten Dritten zurechtlegen muss. So erwarb die Merck KGaA während des Bayer-Angebots einen beachtlichen Anteil an Schering-Aktien. Dies veranlasste den “Weißen Ritter” Bayer AG, sowohl selber Schering-Aktien zu einem höheren als dem Angebotspreis zu erwerben als auch der Merck KGaA deren Schering-Anteile abzukaufen. Dadurch erhöhte sich zugleich auch die den übrigen Aktionären zu zahlende Gegenleistung. Im Falle der Schering AG verließ der abgewiesene Bewerber das Feld zumindest mit einem finanziellen Vorteil, während der “Weiße Ritter” tiefer als geplant in die Tasche greifen musste. Unter einem solchen Vorzeichen könnte auch die BC Partners bei der Techem zum Zuge kommen. Altaktionäre verkaufsbereitUnabhängig vom Ausgang des Techem-Falles ist festzustellen, dass der deutsche Kapitalmarkt langsam erwachsen wird. Konkurrierende Angebote und Bieterwettstreite werden als willkommenes Mittel zur Findung eines angemessenen Marktpreises angesehen. Dabei spielen nicht nur finanzielle Aspekte eine Rolle. Fragen der Standortsicherung und des Arbeitsplatzerhaltes spielen zunehmend eine wichtige Rolle und werden bei der Entscheidungsfindung mit einbezogen.*) Dr. Christian Zschocke ist Rechtsanwalt und Partner des Frankfurter Büros der Morgan, Lewis & Bockius LLP.