RECHT UND KAPITALMARKT

Wer für Schäden durch Stromausfälle haftet

Versorgungsunternehmen schwer in Anspruch zu nehmen - Schwieriger Nachweis der Ursächlichkeit

Wer für Schäden durch Stromausfälle haftet

Von Silvanne Helle und Marc Häger *)Am 15. November 2012 legte ein Stromausfall große Teile Münchens für bis zu eine ganze Stunde lahm. Bayerns Wirtschaftsminister Zeil sagte daraufhin, dass bereits ein einstündiger deutschlandweiter Stromausfall an einem Werktag im Winter einen wirtschaftlichen Schaden von 1 Mrd. Euro verursachen könne. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Schätzung sich schon bald an der Realität messen lassen muss. Energieexperten und Netzbetreiber warnen vor Stromengpässen und -ausfällen in den Wintermonaten. Während kurze Stromausfälle bei privaten Verbrauchern dabei zu-meist keine oder nur kleinere Schäden verursachen, kann für Unternehmen bereits eine kurze Stromunterbrechung zu ganz erheblichen Schäden führen, zum Beispiel durch Produktionsausfälle.Die Frage ist: Wer haftet dafür? Die Antwort hängt sehr stark vom Einzelfall ab. Nach der derzeitigen gesetzlichen Lage dürfte es Industrieunternehmen aber schwerfallen, die für die Energiezuführung zuständigen Unternehmen in Anspruch zu nehmen. Unklare BeweislageDurch die grundsätzliche Teilung zwischen Energieerzeugung und Energieverteilung stehen sowohl die Energielieferanten bzw. -versorger als auch die Netzbetreiber im Fokus möglicher Haftungsansprüche. Ausgangspunkt jeder Haftung ist die Frage, wer für den konkreten Stromausfall bzw. Störfall verantwortlich ist. Die Energielieferanten sind nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) grundsätzlich nur für die Bereitstellung einer ausreichenden Energiemenge in die Netze verantwortlich. Für den Transport des Stroms zum Endkunden ist dagegen der Netzbetreiber verantwortlich.Ansprüche gegen den (örtlichen) Energielieferanten kommen in erster Linie in Betracht, wenn der Versorger schuldhaft zu wenig Energie in den Netzen bereitstellt und der Gesamtbedarf damit nicht zu decken ist. Kommt es hierdurch zu einem Stromausfall, richten sich Ansprüche gegen den Energielieferanten zunächst nach den Regelungen des bestehenden Energieversorgungsvertrags. Voraussetzung ist, dass der Energielieferant den Stromausfall schuldhaft, d. h. mindestens fahrlässig, herbeigeführt hat. Eine Haftung der Versorger ist daher nur möglich, wenn der Stromausfall auf einen Fehler bei der Einspeisung oder der Bereitstellung der Energie zurückzuführen ist.Neben einer unberechtigten oder irrtümlichen Abschaltung eines Kunden – zum Beispiel infolge eines irrtümlich angenommenen Zahlungsverzugs – ist insbesondere an Fälle fehlender oder zu geringer Kapazitäten zu denken, zum Beispiel infolge von Kraftwerksabschaltungen. Da allerdings das Abschalten von Kraftwerken oft auf hoheitlicher Anordnung beruht, ist der Nachweis eines eigenen Verschuldens der Energieversorgungsunternehmen zumeist schwierig. Der Kunde müsste nachweisen, dass der Versorger es schuldhaft unterlassen hat, rechtzeitig Vorkehrungen gegen mögliche Engpässe zu treffen.Ein Verschulden des Versorgers wird zwar nach den gesetzlichen Regelungen zunächst vermutet, kann aber widerlegt werden. Es dürfte für Energieversorger daher grundsätzlich ausreichen, darzulegen, dass der Stromausfall bzw. Störfall infolge einer Stromknappheit nicht vermeidbar war – trotz rechtzeitig unternommener Anstrengungen, etwa des Zukaufs von Strom im Ausland oder eines Umstellens auf andere Energiequellen.Regelmäßig enthalten die allgemeinen Versorgungsbedingungen der Versorger zudem Haftungsbeschränkungen. Eine Haftung kommt dann sogar nur bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln des Versorgers in Betracht. Der Nachweis eines konkreten Verschuldens der Versorger, zum Beispiel durch schuldhaft unterlassenen Zukauf von Energie, dürfte daher kaum zu führen sein.Netzbetreiber haften grundsätzlich bei jeder Störung des Netzbetriebs. Grundlage ist regelmäßig der zwischen Netzbetreiber und Kunde geschlossene Netznutzungsvertrag. Insbesondere bei Verbraucherverträgen ist der Netznutzungsvertrag allerdings zumeist in den Energieliefervertrag integriert. Bei diesen “All inclusive”-Verträgen übernimmt der Versorger für den Kunden den Abschluss eines Netznutzungsvertrags mit dem Netzbetreiber und bietet Stromlieferung und Netznutzung als Gesamtpaket dem Endkunden an. Der Netzbetreiber ist dann sog. Erfüllungsgehilfe des Energieversorgers. Entsprechend haftet der Energieversorger in diesen Fällen ausnahmsweise auch für Störungen des Netzbetriebs gegenüber dem Endkunden. Der Energieversorger wird sich in der Regel aber eine Rückgriffsmöglichkeit vom Netzbetreiber einräumen lassen, für den Fall, dass der Schaden nachweislich auf dessen Verschulden zurückzuführen ist.Daneben sind Rechte und Pflichten der Netzbetreiber insbesondere im EnWG näher ausgestaltet. Die Netzbetreiber sind danach neben dem Betrieb der Energieversorgungsnetze insbesondere zur regelmäßigen Wartung und Instandhaltung der Netze verpflichtet. Bei Schäden im Netz, zum Beispiel durch Ausfall einer Freilandleitung, ist entscheidend, ob der Netzbetreiber den konkreten Schaden durch ordnungsgemäße Wartung und Instandhaltung des Netzes hätte vermeiden können.Auch ein Verschulden des Netzbetreibers wird zunächst vermutet. Kann dieser widerlegen, dass er grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt hat, muss der Anschlussnutzer nachweisen, dass der Netzbetreiber zumindest fahrlässig den Schaden verursacht hat. Dies gilt allerdings nur für Sachschäden, zum Beispiel den Wert des Fleisches, das nach dem Ausfall der Kühlung verdorben ist. Bei Vermögensschäden, also zum Beispiel entgangenem Gewinn nach Produktionsausfall, haftet der Netzbetreiber von vornherein nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung des Schadens.Eine Haftung des Netzbetreibers dürfte darum vor allem dann in Betracht kommen, wenn der drohende Netzausfall für den Netzbetreiber erkennbar war und er die gebotenen und möglichen Vorkehrungen dennoch unterlassen hat. Die Netzbetreiber dürften sich allerdings regelmäßig schon damit entschuldigen können, dass trotz regelmäßiger Wartungen der Schaden bzw. Netzausfall nicht vorherzusehen oder nicht abzuwenden war. Hinzu kommt, dass Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen nach dem EnWG in einem wirtschaftlichen Rahmen bleiben müssen. Es dürfte daher nicht möglich sein, Netzbetreiber ohne weiteres für Schäden verantwortlich zu machen, die aus der generellen Überalterung der Netze resultieren.Bei Sachschäden sieht das Gesetz bei lediglich fahrlässigem Handeln zudem eine betragsmäßige Begrenzung der Haftung zugunsten der Netzbetreiber vor. Ihre Haftung ist in diesen Fällen auf 5 000 Euro pro Schadensereignis und Abnehmer begrenzt und damit praktisch bedeutungslos. Betroffene Unternehmen können sich nur durch entsprechenden Versicherungsschutz gegen derartige Risiken absichern.Ist dem Versorger oder Netzbetreiber im Einzelfall ein Verschulden nachzuweisen, müssen Kunden weiter darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass Schäden ursächlich auf den Stromausfall zurückzuführen sind. Bei einem Stillstand der Produktionsanlagen und daraus resultierenden Schäden ist der Nachweis einer Kausalität grundsätzlich relativ leicht zu führen. In besonders sensiblen Industrien muss sich der Kunde aber möglicherweise ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen gegen kurze Stromunterbrechungen getroffen wurden, etwa durch Notstromsysteme. SpannungsschwankungenNoch schwieriger ist der Nachweis der Ursächlichkeit bei Schäden an technischen Einrichtungen. Kommt es zum Beispiel durch einen Stromausfall oder eine damit einhergehende Spannungsschwankung zu einem technischen Defekt an Computern oder Steuerungsanlagen, wird meist nur ein Sachverständiger beurteilen können, ob der Schaden auf den “Störfall” zurückzuführen ist oder andere Ursachen hat. Auch in diesem Fall wird bei besonders sensiblen technischen Einrichtungen allerdings wieder ein etwaiges Mitverschulden zu prüfen sein, wenn das Unternehmen keine ausreichenden Vorkehrungen gegen kurzzeitige Stromausfälle und Spannungsschwankungen getroffen hatte.—-*) Silvanne Helle ist Rechtsanwältin und Partnerin, Marc Häger Rechtsanwalt bei Oppenhoff & Partner.