Immobilien - Gastbeitrag

Wertermittlung wird wettbewerbsfähiger

Börsen-Zeitung, 7.8.2008 Der deutsche Markt für Immobilienbewertungen hat in den vergangenen Jahren drastische Veränderungen erfahren. In Deutschland gab es große Immobilienportfoliotransaktionen, die beträchtlichen Bedarf für schnelle und...

Wertermittlung wird wettbewerbsfähiger

Der deutsche Markt für Immobilienbewertungen hat in den vergangenen Jahren drastische Veränderungen erfahren. In Deutschland gab es große Immobilienportfoliotransaktionen, die beträchtlichen Bedarf für schnelle und zuverlässige Portfoliobewertungen mit sich brachten. Auch die Möglichkeit der Zeitwertbilanzierung und die Pflicht zur Angabe von Zeitwerten im Bilanzanhang im Rahmen der International Financial Reporting Standards (IFRS) haben zu einem hohen Anstieg des Bewertungsbedarfs für Unternehmensimmobilien geführt.Deutsche Sachverständige versuchen, der Nachfrage durch Zusammenschlüsse und Netzwerke zu folgen. Der Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen (BIIS) treibt diese Entwicklung aktiv voran. Dennoch werden große Portfoliomandate – ganz im Trend der wachsenden Internationalisierung – oft an angelsächsisch geprägte große Immobiliendienstleister vergeben. Unter den Top 5 der Bewertungsunternehmen in Deutschland befinden sich zwar derzeit nur zwei Adressen britischer oder amerikanischer Herkunft, auf sie entfällt jedoch fast die Hälfte des Bewertungsvolumens. Mit Inkrafttreten der Investmentgesetznovelle dürfen seit Anfang des Jahres auch Sachverständige von Tochterunternehmen internationaler Makler als Gutachter für offene Immobilienfonds tätig werden. Den deutschen Sachverständigen droht dadurch ein weiterer Verlust wichtiger Marktanteile. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Wettbewerbsvorteile angelsächsisch geprägte Immobiliendienstleister aufweisen. Unterschiede in der MethodikUnterschiede finden sich vor allem in der methodischen Prägung. Die britische Immobilienwertermittlung lässt dem Sachverständigen deutlich größere Spielräume bei der Wahl und Durchführung des Bewertungsverfahrens. Auch wenn bei Wertermittlungen im deutschen Raum praktisch zwingend die Wertermittlungsverordnung (WertV) angewendet wird, unabhängig davon, ob es sich um einen deutschen oder britischen Sachverständigen handelt, könnte sich diese Prägung auf den Umgang mit Kunden und die Ausführung von Bewertungsmandaten auswirken.Hintergrund der unterschiedlichen Prägung ist die Art der Regulierung deutscher und britischer Immobilienbewertung. Die deutsche Wertermittlung hat mit der WertV und der Wertermittlungsrichtlinie (WertR) einen klaren, vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen, der durch umfangreiche Rechtsprechung untermauert ist. In Großbritannien hingegen liegt – wie in vielen Bereichen – lediglich eine Selbstregulierung durch Verbände vor. Die Sachverständigenorganisation RICS gibt die für ihre Mitglieder verbindlichen “Appraisal and Valuation Standards” (Red Book) heraus, die für die gesamte Branche als Standard dienen. Beachtenswert ist hierbei, dass die Standards keine detaillierten Vorgaben für Wahl und Verwendung von Bewertungsmethoden machen. Dies wird dem Ermessen des Sachverständigen zugerechnet. Weiterhin ist die britische Immobilienbewertung deutlich weniger sachwertorientiert; die bevorzugten Verfahren basieren auf Vergleichs- oder Ertragsansätzen. Bei Maklern eingebettetSachverständige sind in Großbritannien oft bei Immobilienmaklern eingebettet. Das Maklergeschäft bietet direkten Kontakt zum Marktgeschehen und generiert eine gute Vergleichsdatenbasis, die mangels Gutachterausschüssen auch notwendig ist. Diese Umstände belegen den Pragmatismus und Dienstleistungscharakter des britischen Immobilienbewertungswesens. Die einhergehende Kundenorientierung wirkt sich auch auf die Gewinnung von Bewertungsmandaten in Deutschland positiv aus.Gerade institutionelle Immobilieninvestoren sehen sich immer wieder mit den rigiden und teilweise marktfernen Ansätzen der WertV, die von den Gutachtern oft konservativ ausgelegt werden, konfrontiert. Im internationalen Vergleich zeigt sich insbesondere bei der auf Verkehrswerten basierten Performance-Messung, dass deutsche Immobilienportfolios auffallend geringe Volatilitäten aufweisen. Zudem werden bei Transaktionen häufig Sprünge zwischen Verkehrswerten und Marktpreisen beobachtet. Eine internationale Immobilienallokation benötigt jedoch marktnahe Immobilienwerte, die sowohl für eine effiziente Portfoliosteuerung als auch eine international vergleichbare Performance-Messung nötig sind.Mit dem Entwurf einer neuen Wertermittlungsverordnung zeichnet sich nun ab, dass auch in Deutschland ein stärkerer Pragmatismus in der Immobilienbewertung Einzug halten wird. Anstoß für die Novellierung der Wertermittlungsverordnung war neben ihrem Alter – die letzte Fassung ist aus dem Jahr 1988 – eine Verschlankung der Verordnung sowie inhaltliche und sprachliche Klarheit zu schaffen und internationale Kommunizierbarkeit zu gewährleisten. Die Berücksichtung volatiler Wertentwicklungen war ein explizites Leitthema bei der Überarbeitung der Wertermittlungsverordnung.Diese Anliegen zeigen sich deutlich im aktuellen Vorschlag zur Novellierung der WertV. Ein Beispiel ist das vereinfachte Ertragswertverfahren. Es soll zukünftig im Regelfall anstatt des konventionellen Ertragswertverfahrens bei der Wertermittlung zur Anwendung kommen, was die Wertermittlung erleichtert und eine bessere Nachvollziehbarkeit schafft. Flexible RegelungWeiterhin ist in einer flexiblen Regelung unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung des Discounted-Cash-flow-Verfahrens (DCF) vorgesehen, das international bei der Bewertung von Investitionsobjekten großen Zuspruch hat. Insgesamt verbessert die Novellierung die Anwendbarkeit der WertV und gewährleistet eine höhere Markttransparenz. Diese Anpassungen zollen der wachsenden Internationalisierung des deutschen Immobilienmarkts Anerkennung und schaffen den Gutachtern größere Ermessensspielräume. Deutschen Sachverständigen wird dadurch die Möglichkeit gegeben, sich erfolgreicher um Mandate im Ausland zu bewerben. Das deutsche Sachverständigenwesen muss diese Chance nutzen, seinen Marktauftritt entsprechend den Bedürfnissen potenzieller Auftraggeber neu auszurichten, um sich im internationalen Wachstumsmarkt für Immobilienwertermittlung stärker zu positionieren. Hierzu zählt, flexibler auf die vorherrschenden Marktgegebenheiten zu reagieren und bei der Wertermittlung auch internationalen Standards gerecht zu werden. Die großen internationalen Immobilieninvestoren deutscher Provenienz würden diesen Weg auf jeden Fall sehr begrüßen.