Recht und Kapitalmarkt

Wertpapierprospektgesetz erweitert Befugnisse der BaFin

Einheitliche Regelungen für Börsenzulassungen und öffentliche Verkaufsangebote - Erhebliche Vereinfachungen für die Praxis

Wertpapierprospektgesetz erweitert Befugnisse der BaFin

Von Philipp von Ilberg und Michael Neises *)Mit dem vom Bundesfinanzministerium (BMF) vorgelegten Entwurf des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes, das zum 1. Juli 2005 in Kraft treten wird, soll das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) zur Umsetzung der Prospektrichtlinie vom 4. November 2003 (RL2003/71/EG) eingeführt werden. Nach dem WpPG wird die bisherige Unterscheidung zwischen Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekt bzw. Unternehmensbericht entfallen und die Prospektanforderungen für öffentliche Verkaufsangebote und Börsenzulassungen von Wertpapieren einheitlich geregelt. Der Begriff des “öffentlichen Angebots” wird erstmalig legaldefiniert. Wie bisher ist eine Ausnahme von der Prospektpflicht vorgesehen, wenn sich ein Verkaufsangebot an “qualifizierte Anleger” richtet. BaFin führt RegisterNeu ist jedoch, dass sich Unternehmen sowie natürliche Personen unter bestimmten Voraussetzungen als qualifizierte Anleger in ein von der BaFin zu führendes Register eintragen lassen können. Entfällt bisher eine Prospektpflicht, wenn sich das Angebot an einen begrenzten Personenkreis richtet, ist im WpPG geregelt, dass sie entfällt, wenn sich ein Angebot an weniger als 100 Personen pro Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) richtet. Ein Prospekt ist ferner dann nicht zu veröffentlichen, wenn die angebotenen Wertpapiere eine Mindeststückelung von Euro 50 000 (früher Euro 40 000) oder das Wertpapierangebot innerhalb von zwölf Monaten insgesamt einen Gegenwert von weniger als Euro 100 000 hat. Sollen über einen Zeitraum von zwölf Monaten weniger als 10 % der Aktien derselben Gattung zugelassen werden, die bereits an demselben organisierten Markt zugelassen sind, entfällt nach dem WpPG die Prospektpflicht. Etwas anderes gilt jedoch für den Fall, dass diese Aktien auch öffentlich angeboten werden sollen. Künftig kann der Prospekt entweder als zusammenhängendes Dokument erstellt werden oder in Einzeldokumenten: einem Registrierungsformular, das die erforderlichen Angaben zum Emittenten enthält, und einer Wertpapierbeschreibung mit den Details zu den Wertpapieren. In jedem Fall ist auch eine kurze Zusammenfassung erforderlich, die die wesentlichen Merkmale und Risiken, die auf den Emittenten und die Wertpapiere zutreffen, beschreibt. Das WpPG befristet die Gültigkeit des Prospektes für entsprechende Angebote und Börsenzulassungen auf zwölf Monate, wobei er ggf. um Prospektnachträge zu ergänzen ist. Bei Prospektnachträgen wird dem Anleger künftig ein 2-tägiges Widerrufsrecht seiner auf Erwerb der Wertpapiere abgegebenen Willenserklärung eingeräumt.Die Mindestangaben, die in einen Prospekt aufzunehmen sind, werden zukünftig nicht mehr national geregelt, sondern ergeben sich aus der Verordnung der Kommission zur Durchführung der Prospektrichtlinie (Nr. EG809/2004). Die Anforderungen der zum 1. Juli 2005 in Kraft tretenden Verordnung gehen zum Teil deutlich über die bisherigen Vorschriften hinaus. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die BaFin aber ausdrücklich gestatten, dass vorgeschriebene Prospektangaben nicht in den Prospekt aufgenommen werden müssen. VorratsregistrierungNeu wird auch die Möglichkeit sein, Prospektangaben in Form von Verweisen auf andere öffentliche Dokumente zu machen. Emittenten, die häufiger Wertpapiere anbieten oder zulassen, können ferner von einer Vorratsregistrierung Gebrauch machen, indem sie zunächst das Registrierungsformular billigen lassen und die Wertpapierbeschreibung und die Zusammenfassung dann anlassbezogen erstellen.Künftig muss jeder Emittent, dessen Wertpapiere an einem organisierten Markt zugelassen sind, mindestens einmal jährlich dem Publikum ein Dokument zur Verfügung stellen, in dem alle Informationen enthalten sind, die in den vergangenen zwölf Monaten aufgrund wertpapierrechtlicher Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt wurden. Ausdrückliche BilligungSämtliche Wertpapierprospekte sind ab dem 1. Juli 2005 allein durch die BaFin zu billigen, wobei diese sich hierzu der Hilfe geeigneter Dritter bedienen darf. Die Möglichkeit zur Einschaltung Dritter ist jedoch bis zum 31. Dezember 2008 befristet. Künftig sind die Prospekte ausdrücklich zu billigen. Der Prüfungsmaßstab des WpPG ist im Vergleich zu bisherigen Verkaufsprospekten erhöht, da die Billigung nicht nur eine Prüfung der Vollständigkeit voraussetzt, sondern auch der Kohärenz und Verständlichkeit der Informationen. Die BaFin hat innerhalb von zehn Werktagen (schneller als im bisherigen Börsenzulassungsverfahren) nach Eingang des Prospektes ihre Entscheidung über die Billigung mitzuteilen. Bei einem IPO sieht das WpPG eine Frist von 20 Werktagen vor. Als wichtige Neuerung des WpPG ist das in der EU-Prospektrichtlinie vorgestellte Notifizierungsverfahren bei grenzüberschreitenden öffentlichen Angeboten bzw. bei Zulassung zum Handel an mehreren organisierten Märkten in den Staaten des EWR zu nennen (EU-Pass). Die BaFin übermittelt auf Antrag den Behörden der Aufnahmestaaten innerhalb von drei Werktagen eine Bescheinigung über die Billigung, aus der hervorgeht, dass der Prospekt gemäß dem WpPG erstellt wurde, sowie eine Kopie des Prospektes. Für nicht-deutsche Emittenten, die im Inland ihre Wertpapiere anbieten oder zulassen wollen, sieht das WpPG eine Erleichterung gegenüber der bisherigen Rechtslage vor, als dass der Prospekt auch in englischer Sprache veröffentlicht werden kann. Allerdings verlangt die BaFin in diesen Fällen eine Zusammenfassung in deutscher Sprache. Die BaFin darf irreführende Werbung untersagen oder bei Anhaltspunkten für Verstöße gegen die entsprechenden Vorschriften des WpPG für bis zu jeweils zehn Werktage aussetzen. Auch sonstige Befugnisse der BaFin werden durch das WpPG erweitert. Für Emittenten und Anbieter von Schuldverschreibungen mit einer Mindeststückelung von 1 000 Euro besteht unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig von ihrem Sitz ein Wahlrecht hinsichtlich des für die Billigung zuständigen Herkunftsmitgliedstaates. Auch Drittstaatenemittenten wird ein Wahlrecht eingeräumt zwischen dem Staat, in dem die Wertpapiere öffentlich angeboten und demjenigen, in dem der Antrag auf Zulassung gestellt wurde. Für die Praxis bringt das WpPG teilweise erhebliche Vereinfachungen. Insbesondere das Notifizierungsverfahren wird dazu führen, dass grenzüberschreitende Wertpapierangebote und Börsenzulassungen künftig mit einem geringeren Aufwand verbunden sind. Allerdings enthält der Gesetzentwurf zur Frage der Prospekthaftung lediglich Regelungen, wonach die Haftung für eine Übersetzung und für die Zusammenfassung eingeschränkt wird. Eine Harmonisierung der Prospekthaftung in den Staaten des EWR bleibt daher künftigen Rechtsakten vorbehalten. Der Emittent und die für den Prospekt verantwortlichen Personen werden daher auch künftig die einzelstaatlichen Besonderheiten beachten müssen, um den landesspezifischen Prospekthaftungsrisiken Rechnung zu tragen. Weitere Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf, die bei der vor kurzem stattgefundenen Anhörung beim BMF vorgebracht wurden, betreffen insbesondere das Fehlen einer Übergangsregelung für vor dem 1. Juli 2005 begonnene Wertpapieremissionen aufgrund bereits erfolgter Rahmenzulassungen und das Fehlen einer generellen Befreiung von der Prospektpflicht für kleine Emissionen (Angebote von Wertpapieren mit einem jährlichen Emissionsvolumen von bis zu 2,5 Mill. Euro). Kritik an SprachenregelungAußerdem wurde die Sprachenregelung kritisiert, verbunden mit der Forderung, ausdrücklich auch Englisch als von der BaFin anerkannte Prospektsprache aufzunehmen. Es ist zu erwarten, dass das BMF diese Punkte bei der Neufassung des Gesetzentwurfes im Interesse des Finanzplatzes Deutschland und damit auch im Interesse der Anleger berücksichtigen wird.*) Philipp von Ilberg ist Rechtsanwalt und Partner, Michael Neises ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltskanzlei Dewey Ballantine LLP.