FINANZEN UND TECHNIK

Wie Alexa das Geschäft der Versicherer aufmischt

Sprachassistenten können nun auch Vertragsabschluss

Wie Alexa das Geschäft der Versicherer aufmischt

Von Carina Iris Kautz, FrankfurtJetzt versichert sie uns auch noch – es gibt nichts, was das Allround-Talent Alexa nicht kann, so der augenscheinliche Eindruck. Seit Kurzem bieten die Deutsche Familienversicherung (DFV) und die Ergo-Tochter ERV den Abschluss von Versicherungen über Amazons (Voice-)Mitarbeiterin des Jahres an. Einer Umfrage des Softwareanbieters für Versicherungen Adcubum zufolge bevorzugt immerhin fast ein Fünftel der 18- bis 34-Jährigen eine Beratung durch Alexa gegenüber “Herrn Kaiser”, dem repräsentativen Versicherungsfachmann aus der Werbewelt, der 37 Jahre lang über deutsche Fernseher flackerte. Gestartet hat das Insurtech DFV, das jüngst sein IPO durchführte, diesen Alexa-Skill im Oktober mit einer Auslandsreisekrankenversicherung, weitere Produkte sollen folgen. Innerhalb der Branche fallen die Einschätzungen differenziert aus. “Nicht hoch im Kurs”Die Allianz, Deutschlands größter Versicherer, verfügt zwar über mehrere Alexa-Skills, darunter auch für die komplexen Produkte Rente und Lebensversicherung der Allianz Leben. Aber: “Bevor sie eine Privatrente abschließen, ist den meisten Kunden eine persönliche Beratung wichtig”, erläutert eine Sprecherin auf Anfrage. “Diese kann ein Sprachassistent so nicht leisten. Das zeigen unsere Kundentests immer wieder.” Quasi als Kompromiss habe die Allianz den Alexa-Skill so weiterentwickelt, dass Videoberatung integriert werden könne. “Schon weil wir wissen, dass unsere Kunden immer stärker das Angebot der digitalen Allianz-Agenturen an Videoberatung durch unsere Vertreter annehmen.” Der Vertragsabschluss über Alexa und Co. stehe hingegen einer Kundenumfrage zufolge “nicht hoch im Kurs”. Bevorzugt würden vielmehr Servicethemen wie Preisauskünfte.Für die Versicherungsbranche seien Sprachassistenten “sehr interessant”, kommentiert Jan Wicke, Vorstandsvorsitzender der Talanx Deutschland. Die Einsatzmöglichkeiten seien jedoch von Produkt zu Produkt unterschiedlich. “Der Online-Vertrieb von komplexen Produkten wie Berufsunfähigkeitsversicherungen macht beispielsweise keinen Sinn”, so Wicke. “Hier brauchen Kunden nach wie vor eine ausführliche persönliche Beratung.” Bei weniger erklärungsbedürftigen Produkten, wie etwa Kfz-Versicherungen, sehe die Sache anders aus. So sei im Rahmen eines Pilotprojektes beim Online-Abschluss von Kfz-Versicherungen ein Sprachassistent für die Talanx-Marke HDI im Einsatz, der “mithilfe kontextsensitiver Software individuell auf das frei formulierte Anliegen des Kunden” eingehe – allerdings nur “bei einfachen Fragestellungen zur Rechnung und zum Tarifwechsel”.Eher skeptisch steht die Debeka dem Einsatz der künstlich-intelligenten Plaudertaschen gegenüber. “Derzeit ist der Einsatz von Sprachassistenten für die Beratung bzw. den Abschluss von Versicherungen noch kein Thema”, sagt Vertriebsvorstand Paul Stein. “Als genossenschaftlich geprägter Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit . . . legen wir großen Wert auf eine umfassende persönliche Beratung, die unserer Ansicht nach auch in der Zukunft besonders im Bereich der Altersvorsorge, der Absicherung für den Krankheitsfall und im gewerblichen Bereich erforderlich sein wird.” Dazu zählten “dann aber auch verstärkt digitale Services bzw. digitale Kundenkommunikation auf vielen Kanälen”, um Mitarbeiter vor Ort zu unterstützen.Und auch bei der R+V-Versicherung hat man sich, aus zwei Gründen, zumindest vorerst gegen einen derartigen Einsatz von Sprachassistenten entschieden: “Wir halten Beratung und Abschluss beispielsweise über Alexa noch für schwierig, da noch kein ,intelligenter` Dialog möglich ist und verschiedene juristische Aspekte noch unklar sind”, erklärt eine Sprecherin. Dazu zähle die Frage, wann und wie ein bindender Vertrag zustande komme. Vorstellbar sei eine Nutzung rein zu Informationszwecken. Doch auch wenn Kundenkontakt künftig großteils über digitale Kanäle stattfinden werde: “Für die bedarfsorientierte Beratung eines Kunden wird . . . mittelfristig der persönliche Berater vor Ort unverzichtbar bleiben.” Ein NovumJuristisch sei das Ganze mit einem telefonischen Vertragsabschluss vergleichbar, erklärt eine Sprecherin der Ergo den neuen Alexa-Service. Beim Abschluss der Auslandskrankenversicherung der Tochter ERV, der über das Amazon-Kundenkonto erfolgt, prüfe Alexa die Käuferidentität über einen Abgleich mit den hinterlegten Daten, bevor der Kauf mit den Worten “kostenpflichtig bestellen” bestätigt werde. Zudem sei eine Absicherung über Voice-PIN möglich. “Damit ist der Abschluss des Versicherungsproduktes genauso gut geschützt wie jedes andere Produkt, das Sie über Alexa jetzt schon bestellen können.” Die Variante ist ein Novum – Käufe per Sprachassistenten über Amazon Pay gibt es erst seit Ende September.”Wir sind überzeugt, dass die Sprachsteuerung in Zukunft zu den wesentlichen Kanälen gehört”, so die Ergo. Entsprechend würden derartige Prozesse auch für weitere Produkte geprüft. Dennoch blieben die Vertriebspartner “wichtige Ansprechpartner für unsere Kunden”. Denkbar sei, dass Sprachassistenten im Gespräch unterstützend eingesetzt würden.Dem persönlichen Berater, alias dem altgedienten “Herrn Kaiser”, wird Alexa also wohl so schnell nicht den Rang ablaufen – bei dem ein oder anderen Anbieter dürften die beiden künftig aber Hand in Hand gehen.