Recht und Kapitalmarkt

Wie das Risikobegrenzungsgesetz bei Übernahmen Fakten schafft

Ausweitung des Acting in Concert bringt Probleme in der Praxis

Wie das Risikobegrenzungsgesetz bei Übernahmen Fakten schafft

Von Martina Rothe *) Wer sich die aktuelle Planung des Risikobegrenzungsgesetzes anschaut, sieht nachhaltige Konsequenzen auf den Markt für Unternehmensübernahmen zukommen. Der Begriff des Acting in Concert soll so ausgeweitet werden, dass er voraussichtlich auch auf die gängige Praxis angewendet werden wird, sich als Bieter im Vorfeld von öffentlichen Übernahmen Aktienpakete durch den Abschluss von Andienungsverpflichtungen zu sichern. Damit stellt der Gesetzgeber jedoch nicht nur diese sogenannten Irrevocable Undertakings in Frage, sondern engt ohne Not auch die Entscheidungsfreiheit des Bieters massiv ein. Die “Irrevocables”Bei der Vorbereitung der Übernahme einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist es üblich, sich den Übernahmeversuch dadurch abzusichern, dass sich einzelne Aktionäre der Zielgesellschaft vor der Übernahme dazu verpflichten, ihre Aktien bei einem Übernahmeangebot zu dessen Bedingungen zu veräußern. Die Irrevocables werden als Vorbereitungsmaßnahme also beschafft, bevor die Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots getroffen und öffentlich bekannt gegeben wird. Damit dürfte es nun vorbei sein. Nach der neuen Definition des Acting in Concert werden Stimmrechte auch dann zugerechnet, wenn es sich um Verhaltensabstimmungen in Bezug auf den Erwerb von Aktien handelt. Irrevocables sind Vereinbarungen, die sich auf den Erwerb von Aktien einer Zielgesellschaft richten. Es dürfte also unstreitig sein, dass sie nach der gegenwärtigen Definition als Acting in Concert gelten – mit zwei entscheidenden Folgen. Einerseits müssen nach Abschluss der Irrevocables eventuell Stimmrechtsmitteilungen ergehen. Gleichzeitig erhöhen Irrevocables als “virtuell” bereits hinzugerechnete Aktienpakete den Anteil am Unternehmen und haben daher Einfluss auf die Berechnung der Kontrollschwelle im Hinblick auf ein Pflichtangebot. Spekulation mit KurseinflussIm Hinblick auf die Pflichtmitteilungen gilt allgemein die Regel, dass Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft gemeldet werden müssen, wenn sie bestimmte Meldeschwellen von 3, 5 oder mehr Prozent überschritten haben. Dabei werden auch Stimmrechte mitgezählt, die aufgrund eines Acting in Concert zugerechnet wurden. Nach der neuen Definition müsste nun ein Bieter, der noch keine einzige Aktie erworben hat und möglicherweise niemals erwerben wird, nach Abschluss von Irrevocables oberhalb der Meldeschwellen eine Stimmrechtsmitteilung veröffentlichen. Mit der Stimmrechtsmitteilung aber liegt der Übernahmeplan unweigerlich offen. Die dann einsetzenden – und letztlich auch gut begründeten – Übernahmespekulationen hätten erhebliche Auswirkungen auf den Börsenkurs. Außerdem: Das Übernahmegesetz sieht vor, dass ein Bieter seine Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots öffentlich macht. Diese Bekanntgabe, die als Anknüpfungspunkt unter anderem für die Feststellung des Angebotspreises dient, würde nun vollständig ins Leere laufen. Kein Spielraum Für die Praxis mindestens ebenso brisant ist die zweite Folge. Die Unterzeichnung von Irrevocables lässt nach der gegenwärtigen Definition keinen Spielraum mehr bei der Entscheidung, ob ein freiwilliges oder ein Pflichtangebot unterbreitet wird. Die Definition des Acting in Concert wird im Übernahmerecht gleichlaufend angepasst. Mit dem Abschluss von Irrevocables werden die verbundenen Stimmrechte damit auch “übernahmerechtlich” zugerechnet. Ein Bieter, der sich die Flexibilität eines freiwilligen Übernahmeangebots erhalten will, kann eine Transaktion nicht mehr durch Irrevocables absichern, wenn die betreffenden Aktien Stimmrechte oberhalb der Kontrollschwelle vermitteln. Bei Aktienpaketen, die insgesamt mehr als 30 % der Stimmrechte vermitteln, müsste ein Pflichtangebot folgen. Dieses ist unattraktiver, da es starreren Regeln unterliegt und vor allem bedingungsfeindlich ist. Da die Stimmrechte wechselseitig zugerechnet werden, muss man sogar davon ausgehen, dass jeder Paketaktionär, der Irrevocables abgegeben hat, zur Abgabe eines Pflichtangebots verpflichtet sein wird.Ob diese Konsequenzen bedacht wurden, als die Ausweitung des Acting in Concert formuliert wurde, kann man bezweifeln. Kritik am Regierungsentwurf des Risikobegrenzungsgesetzes wird von vielen Seiten laut. Allein die Neuformulierung des Acting in Concert bringt für die Praxis erhebliche Probleme und zeigt, dass es in der laufenden parlamentarischen Debatte noch viel zu besprechen gibt. *)Martina Rothe ist Counsel bei der internationalen Anwaltssozietät Ashurst in Frankfurt.